NRW-Ministerpräsidentin zweifelt Flüchtlingsprognose an Kraft: Es wird nicht bei 800.000 Flüchtlingen bleiben

Berlin · Die Düsseldorfer Regierungschefin und SPD-Parteivize Hannelore Kraft hat sich lange aus der Bundespolitik herausgehalten. Jetzt aber nimmt sie das Flüchtlingspaket der Koalition regelrecht auseinander. Die Lage in den Kommunen sei dramatisch - und die Prognose zu den Flüchtlingszahlen nicht realistisch.

Das ist das Milliarden-Paket der Bundesregierung zur Flüchtlingshilfe
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Das ist das Milliarden-Paket der Bundesregierung zur Flüchtlingshilfe

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Foto: dpa, shp

Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hält das Maßnahmenpaket der Koalition zur Flüchtlingshilfe für unzureichend und verlangt deutlich mehr Geld für Länder und Kommunen.

Die Lage bei der Unterbringung der Flüchtlinge habe sich seit dem Wochenende noch einmal zugespitzt. Die Prognose von 800.000 Flüchtlingen für Deutschland in diesem Jahr sei überholt. "Wir sind uns alle darüber im Klaren, dass es nicht bei 800.000 bleiben wird", sagte Kraft am Dienstag in Berlin vor Journalisten.

Das Milliardenpaket der Koalition müsse noch einmal aufgeschnürt werden. Das Wort von der "Verantwortungsgemeinschaft" zwischen Bund, Ländern und Kommunen "sehe ich darin noch nicht bestätigt", erklärte Kraft. Der Bund-Länder-Gipfel, der für den 24. September geplant ist, sollte vorgezogen werden: "Wir sind dazu jederzeit bereit."

Die vom Bund angekündigte Drei-Milliarden-Hilfe für Länder und Kommunen ab 2016 reiche nicht. Das höre sich nach einer großen Zahl an. Nordrhein-Westfalen würde davon aber "nur" 600 Millionen Euro erhalten: "Allein mein Land gibt 1,7 Milliarden für Flüchtlinge aus." Sie verlangte zudem für 2015 frisches Geld, über die eine Milliarde des Bundes hinaus: "2015 muss es auch noch einen Zuschlag geben."

Die von Union und SPD am Sonntagabend beschlossenen Maßnahmen zur Beschleunigung der Asylverfahren seien vage, das zuständige Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei offensichtlich überfordert: "Das ist alles supoptimal", sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende. Als Kritik am Verhandlungsgeschick von SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Spitzenrunde am Sonntagabend im Kanzleramt wollte Kraft das nicht verstanden wissen.

Nicht allen in Berlin sei wohl bewusst, wie groß die Not von Ländern und Kommunen bei der Unterbringung der Flüchtlinge sei. Allein ihr Land NRW müsse innerhalb dieser Woche die Erstaufnahme-Plätze von 37 000 auf 54 000 Plätze aufstocken.

Bei einer Verweildauer von Flüchtlingen bis zu sechs Monaten, wie von der Koalition gewollt, bräuchte allein NRW 140 000 Plätze: "Ich weiß nicht, wie wir das hinkriegen wollen." Auf die Frage, ob ein Kollaps bei der Aufnahme drohe, meinte Kraft: "Ich sehe keinen Kollaps. Was ich anmahne ist, dass der Bund seinen Teil leistet."

(dpa)
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