Widerstand gegen Schwarz-Grün Knatsch vorm Parteitag

Düsseldorf · Der Grünen-Nachwuchs geht auf Konfrontationskurs zur Parteispitze. Trotz der Absenkung des Wahlalters fehlen der Jugend zentrale Projekte im Koalitionsvertrag mit der CDU. Unterdessen stellt die Partei ihre vier Minister vor.

 Braunkohlebagger an der Abrisskante in Lützerath.

Braunkohlebagger an der Abrisskante in Lützerath.

Foto: dpa/Thomas Banneyer

Während sich die CDU in NRW in Sachen Ministerposten noch bedeckt hält  – immerhin muss Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sich am Dienstag noch einer Wahl im Landtag stellen –, schaffen die Grünen Tatsachen: Am Freitag benannte die Partei ihre Minister für das Kabinett Wüst II. Demnach wird Spitzenkandidatin Mona Neubaur an die Spitze eines Super-Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klima und Energie rücken. Zugleich wird die 44-Jährige stellvertretende Regierungschefin. Thematisch auf den Leib geschneidert ist das Ressort Kinder, Jugend und Familie, Gleichstellung, Integration und Flucht für die derzeitige Co-Fraktionschefin der Grünen, Josefine Paul. Mit Oliver Krischer übernimmt ein prominenter Bundespolitiker aus NRW das neu geschaffene Ressort für Umwelt, Naturschutz und Verkehr. Der Aachener Bundestagsabgeordnete ist derzeit noch parlamentarischer Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Krischer stach den Kölner Verkehrsexperten Arndt Klocke aus, der mit seiner Enttäuschung nicht hinterm Berg hielt: „Ich hätte gern nach zwölf Jahren als Fachpolitiker im Landtag diesen Koalitionsvertrag aus der Regierung heraus mit umgesetzt. Unsere Grünen-Spitze hat dies anders entschieden“, schrieb er an seine Follower. Dem künftigen Minister wünschte er dennoch viel Erfolg und eine gute Hand bei den vielfältigen Herausforderungen.

Kaum jemand dürfte den neuen Justizminister auf dem Zettel gehabt haben: Benjamin Limbach, derzeit Präsident der Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung, hat bereits im NRW-Justizministerium als Referatsleiter gearbeitet. Der Grünen-Politiker ist der Sohn der verstorbenen Bundesverfassungsgerichts-Präsidentin Jutta Limbach.

Damit räumen die Grünen kurz vor ihrem Parteitag in Bielefeld alle Personalspekulationen ab. Raum für Diskussionen bleibt trotzdem reichlich. Einen Vorgeschmack dafür bekamen die Grünen in den Sozialen Medien, wo unter anderem ein fehlendes Bekenntnis zur Cannabis-Legalisierung, die ausgebliebenen Entschärfungen beim Polizei- und Versammlungsgesetz, das Beibehalten von Elektroschockern oder die nicht durchgesetzten Luftfilter für Klassenzimmer kritisiert wurden. 

Und auch von anderer Seite droht Ungemach: Nachdem sich die Grüne Jugend bei der Abstimmung über das schwarz-grünen Sondierungspapier Ende Mai in Essen noch enthalten hatte, kommt es nun zur offenen Revolte. Die Nachwuchsorganisation lehnt nach eigenen Angaben das 146-seitige Papier ab. Dies sei „nach gründlicher Überlegung“ geschehen, teilte die Grüne Jugend NRW mit. Zwar gestanden die jungen Politiker zu, dass „einige wichtige Ergebnisse erzielt“ worden seien, insbesondere die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, die gerade den Grünen bei der nächsten Landtagswahl in die Karten spielen sollte. Außerdem das Bekenntnis zu „SoWi bleibt” sowie die Abschaffung der pauschalen Mindestabstände von Windrädern zu Wohnbebauung.

Trotzdem werde der Vertrag den Krisen der Zeit nicht gerecht und biete keine gute Grundlage für eine Regierungszusammenarbeit, sagte Nicola Dichant, Landessprecherin der Grünen Jugend NRW, unserer Redaktion. Deshalb empfehle der Jugendverband der Grünen der Landesdelegiertenkonferenz keine Zustimmung, sondern eine Ablehnung des Koalitionsvertrags.

„Wir hatten die Hoffnung, dass nach den Sondierungen noch mal ordentlich nachverhandelt würde. Das hat sich aber zerschlagen.“ Viel zu viel sei schwammig formuliert. „Wir haben nicht das Gefühl, dass mehr gegenüber dem Sondierungsstand herausgeholt worden ist. Das betrifft Themen wie das Wohnen, aber auch Finanzierungsfragen.“ Dass kein echtes, günstiges Azubi-Ticket für NRW geplant sei, sei absolut unverständlich. Dass ein Bekenntnis zur Finanzierung des Tarifvertrags Entlastung für das Personal an den Unikliniken fehle, sei ein fatales Zeichen. Genau wie die fehlende finanzielle Bekämpfung von Armut, gerade im Angesicht der Inflation. Zudem fehle ein echtes Bekenntnis zu Lützerath und ein konkreter Pfad zur Klimaneutralität. „So ist völlig schleierhaft, wie das 1,5-Grad-Ziel erreicht werden soll“, sagte Dichant.

Die Landessprecherin der Grünen Jugend kritisierte zudem, dass die Verhandlungsgruppe nicht mehr Raum für eine echte Diskussion vorgesehen habe, deren Ergebnisse dann noch hätten einfließen können. Zugleich betonte sie aber auch: „Natürlich sind wir weiterhin an einer konstruktiven Mitarbeit interessiert.“

Grüne Jugend NRW lehnt schwarz-grünen Koalitionsvertrag ab
Foto: grafik

Der Co-Landesvorsitzende der Grünen, Felix Banaszak, äußerte Verständnis für die Position: „Die Haltung der Grünen Jugend ist insofern konsequent, als sie nie einen Hehl daraus gemacht hat, ein solches Bündnis mindestens kritisch zu sehen. Alles andere hätte mich überrascht“, sagte er unserer Redaktion. Die inhaltliche Bewertung des Erreichten teile er explizit nicht. „Deshalb werde ich mit voller Überzeugung bei unseren Delegierten für die Annahme des Koalitionsvertrags werben – und diese werden dann entscheiden. Das ist gelebte Demokratie.“ Trotz der ablehnenden Haltung des Parteinachwuchses gilt eine Zustimmung der Mehrheit der Delegierten als sicher.

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