Reform in NRW Gewerkschaften fordern Korrekturen des Entwurfs für Versammlungsrecht

Düsseldorf · Das Land NRW will das Versammlungsrecht reformieren. Im Prinzip geht es darum, Neonazi-Aufmärsche auszubremsen. Aber einige andere Passagen des Gesetzentwurfs stoßen auch auf Kritik.

 Teilnehmer einer Kundgebung der Antifa-Gruppe “Köln Alarm - Aktiv gegen Rechts“. (Archivfoto)

Teilnehmer einer Kundgebung der Antifa-Gruppe “Köln Alarm - Aktiv gegen Rechts“. (Archivfoto)

Foto: dpa/Henning Kaiser

Der Entwurf der CDU/FDP-Landesregierung für ein neues Versammlungsgesetz schießt nach Ansicht von Gewerkschaften in Teilen über das Ziel hinaus. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB NRW) begrüßte am Donnerstag zwar ausdrücklich, dass das Land künftig verhindern wolle, dass Rechtsextremisten und Neonazis symbolträchtige Orte und Gedenktage zum Nationalsozialismus für Aufmärsche missbrauchten. Einige Regelungen seien aber zu unbestimmt und andere nicht praxistauglich, hieß es in einer Stellungnahme für eine Expertenanhörung im Landtag.

So werde etwa das Störungsverbot bei Versammlungen „deutlich zu weit gefasst“, da darunter künftig auch zulässige Meinungsäußerungen fallen könnten. „Friedlicher Gegenprotest“ dürfe nicht unterbunden werde, warnte der DGB. Auch der Bielefelder Rechtswissenschaftler Christoph Gusy meinte: „Nicht jede Gegendemonstration ist unzulässig oder verbietbar.“

Kritisch sieht der DGB auch die Erlaubnis für Behörden, im Einzelfall Übersichtsaufnahmen von öffentlichen Versammlungen anzufertigen. Hier müsse das Gesetz konkreter werden. Auch das Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot sei zu vage. Bei Gewerkschaftsdemonstrationen trügen Teilnehmer gelegentlich ja auch Helme oder Arbeitskluft. Das dürfe nicht verboten werden.

Für den DGB ist auch die „faktische Verlängerung“ der Anmeldefrist auf 48 Stunden problematisch, da im Zuge von Arbeitskämpfen oder Tarifverhandlungen eine schnelle Reaktion notwendig sein könne. In der Praxis sei zudem nicht umsetzbar, Namen und Adressen der Ordner im Vorfeld der Versammlung mitzuteilen. Häufig ändere sich das noch am Tag der Versammlung.

Im Gesetzentwurf sind unter anderem Versammlungen unter freiem Himmel verboten, die Gewaltbereitschaft vermitteln und Einschüchterung betreiben. Als Erscheinungsbild wird dabei neben dem Tragen von Uniformen, Uniformteilen und uniformähnlicher Kleidung auch ein paramilitärisches Auftreten der Teilnehmer genannt.

Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Christos Katzidis, erklärte, es gebe „eine Menge Missverständnisse“ rund um den Entwurf. Schon im Vorfeld würden von unterschiedlichen Seiten Ängste geschürt. „Natürlich müssen sich Fußballfans keine Sorgen machen, wenn sie gemeinschaftlich mit Trikots oder anderen Outfits unterwegs sind“, sagte der CDU-Politiker. „Das Militanzverbot verbietet gleichförmiges Auftreten dort, wo es gezielt einschüchtern soll – also etwa Springerstiefel und Bomberjacken in Verbindung mit signalisierter Gewaltbereitschaft.“

Auch dürfe die Polizei Namen von Ordnern nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen erfragen. Zuletzt habe man auch „bei ausartenden Querdenker-Kundgebungen gesehen, wie wichtig es ist, dass unsere Ordnungskräfte Handlungssicherheit haben und konsequent gegen gewaltbereite Feinde unserer Demokratie vorgehen können“, so Katzidis.

Auch die FDP versuchte zu beruhigen: Die neuen Regelungen zum Störungsverbot sollten ordnungsgemäße Gegendemonstrationen „selbstverständlich nicht verhindern, sondern vielmehr das Versammlungsrecht aller Teilnehmer gewährleisten“.

Nach Ansicht der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi werden durch das Gesetz die Möglichkeiten der Polizei und Ordnungsbehörden vor Ort „in hohem Maße erweitert und damit Grundrechte beschnitten“. Zudem würden den Bürgern „unnötig hohe bürokratische Hürden“ bei der
Anmeldung und Begleitung einer Versammlung auferlegt. Der Gesetzentwurf mache generell den Eindruck, „eher abschreckend“ auf Menschen zu wirken, die ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit wahrnehmen möchten.

Das Bündnis „Versammlungsgesetz stoppen! Grundrechte erhalten!“, zu dem nach Angaben der Initiatoren auch die Jugendbewegung Fridays for Future gehört, hat zu landesweiten Aktionen gegen das Gesetz aufgerufen. Das Bündnis kritisierte, dass weder Vereinigungen gegen Rechts noch Vertreter der Klimabewegung angehört worden seien. Es sei zu vermuten, dass Polizei und Ordnungsbehörden mit dem Gesetz Versammlungen künftig „so bequem und lenkbar wie möglich“ machen wollten.

Bisher ist ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1953 die Richtschnur für Versammlungen. Die oppositionelle SPD hat einen eigenen Gesetzentwurf für das Versammlungsrecht vorgelegt. Dabei wurden der 27. Januar und der 9. November genannt, an denen ein Verbot von rechtsextremistischen Demos erfolgen könne. Am 27. Januar 1945 wurden die Überlebenden des KZ Auschwitz befreit. Am 9. November 1938 kam es in der NS-Pogromnacht zu organisierten Übergriffen auf Juden. Konkrete Orte und Tage mit Bezug zum Nationalsozialismus werden nicht im CDU/FDP-Gesetzentwurf, sondern in einer Rechtsverordnung aufgeführt.

(chal/dpa)
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