Interview mit dem Sprecher des Kulturrats NRW Gerhart Baum: "Land muss Kulturetats schützen"

Düsseldorf · Gerhart Baum (FDP) war von 1978 bis 1982 Bundesinnenminister, seit 2005 ist er Sprecher des Kulturrats NRW, der die Interessen von Kulturschaffenden vertritt. Im Interview spricht er über die Kulturpolitik des Landes.

Die rot-grüne Landesregierung in NRW hat gerade mit den Kommunen einen Theaterpakt für mehr Planungssicherheit geschlossen. Allerdings kommt dieser Pakt über Absichtserklärungen kaum hinaus. Ist der Kulturrat NRW damit zufrieden?

Baum Der Theaterpakt weist in die richtige Richtung. Man wird abwarten müssen, was er wirklich bewirkt. Entscheidend ist das lange angekündigte neue Kulturfördergesetz. NRW wird das erste Land mit einem solchen Gesetz sein. Das Ziel ist, die Kultur auf Augenhöhe zu bringen mit anderen Politikfeldern wie Wirtschaft- oder Sozialpolitik. Darum halten wir dieses Gesetz für immens wichtig — es ist das bedeutendste kulturpolitische Projekt der aktuellen Regierung.

Daran wird allerdings schon lange gearbeitet, was muss das Gesetz enthalten, damit es Ihrer Meinung nach die Kulturszene wirklich stärkt?

Baum Aus unserer Sicht sind unter anderem zwei Dinge entscheidend: Einmal eine deutliche Entbürokratisierung der Kulturförderung durch pauschale Finanzzuweisungen. Gerade in der freien Szene leiden viele Künstler darunter, dass sie einen erheblichen Teil ihrer Arbeitszeit damit verbringen müssen, Förderanträge und Rechenschaftsberichte zu schreiben. Das muss deutlich vereinfacht werden. Zum anderen muss die Landesregierung erreichen, dass die Kultur als freiwillige Leistung nicht zum Steinbruch für Einsparungen wird, wenn Gemeinden unter Finanzaufsicht geraten.

Fordern Sie also, Kultur zur Pflichtaufgabe zu erklären?

Baum Das ist verfassungsrechtlich wohl nicht möglich. Aber verschuldete Städte brauchen größeren Spielraum, um ihr kulturelles Angebot bewahren zu können. Wir fordern also, dass auch Kommunen mit Nothaushalt ein sicherer Korridor für Kulturausgaben zugestanden wird. Das sollte gesetzlich festgehalten werden, aber natürlich ist gerade dieser Punkt zwischen Kommunen und dem Land und auch zwischen den betroffenen Ministerien heftig umstritten.

Sehen Sie einen Kompromiss, wenn die Kultur einerseits geschützt werden soll, arme Kommunen aber gezwungen sind, radikal zu sparen?

Baum Das muss gehen, wenn man den Verfassungsauftrag ernst nimmt. Wir sind ein Kulturstaat! Eine kulturelle Grundversorgung der Bürger muss auch in verschuldeten Kommunen unangetastet bleiben. Es wäre also wenig hilfreich, wenn sich die Landesregierung in diesem Punkt auf schwammige Absichtserklärungen zurückziehen würde, nur um das Kulturfördergesetz verabschieden zu können. Durch ihre Initiative hat die Regierung die einmalige Chance, der Kultur wirklich den Rücken zu stärken, den vielen Häusern, Instituten und Kunstschaffenden im Land ein wenig mehr Planungssicherheit zu verschaffen und so ein Zeichen zu setzen, das sicher in der gesamten Republik wahrgenommen würde.

Das Gesetz soll im Dezember in die abschließenden Anhörungen gebracht werden. Noch scheint um die Inhalte aber gerungen zu werden.

Baum Wir fordern, dass die Landesregierung die Abstimmungsprozesse nun endlich auch mit den Kommunen abschließt. Und wir warnen davor, die ursprünglichen Intentionen des Projekts zu verwässern. Wenn das Gesetz nur schöne Worte enthält, kann man es vergessen.

Dorothee Krings führte das Gespräch.

(RP)
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