Gastbeitrag zum Weltfrauentag Frauenrechte machen eine Staatsform zur Demokratie

Analyse | Düsseldorf · Es sind oft Frauen, die als erste in bewaffneten Konflikten leiden, die ihre Rechte als erste verlieren. Die Spitzenkandidatin der Grünen im Landtagswahlkampf, Mona Neubaur, nennt es unser aller Pflicht, den geflohenen Menschen, die schon da sind oder noch kommen werden, menschenwürdig aufzunehmen.

 Anti-Kriegs-Demonstration im Düsseldorfer Hofgarten.

Anti-Kriegs-Demonstration im Düsseldorfer Hofgarten.

Foto: Endermann, Andreas (end)

Es ist ein frühlingshafter Samstagnachmittag Anfang März 2022, der Himmel ist strahlend blau und die Sonne wärmt das Gesicht. Normalerweise wäre ich jetzt wahrscheinlich mit Freunden unterwegs, vielleicht am Rhein oder auf der Terrasse eines Cafés. Aber die Zeiten sind nicht normal, es herrscht Krieg in Europa. Also stehe ich auf einer Bühne im Düsseldorfer Hofgarten, blicke in ein blau-gelbes Fahnenmeer und bin gefesselt von Olgas Worten.  

Olga, eine junge, zierliche Frau, ist vor wenigen Tagen in Deutschland angekommen, geflüchtet vor dem grausamen Angriffskrieg Wladimir Putins auf die Ukraine. Ihre Heimat wird, während sie hier vor mehreren Tausend Menschen ihre Geschichte erzählt, zerstört, kaputtgebombt und entrechtet. Familienangehörige, Freundinnen und Freunde musste sie genauso zurücklassen, wie ihre Habseligkeiten und die Hoffnung auf ein Leben in Frieden. Ich stehe gebannt und berührt hinter ihr, auf dieser Bühne im Hofgarten, und erfahre durch die Übersetzung einer der Organisatorinnen, was Olga in den zurückliegenden Tagen hat erleiden müssen, wie groß ihre Wut ist und welche Ängste sie noch immer begleiten.

Mona Neubaur, Landesvorsitzende der Grünen in Nordrhein-Westfalen, nimmt an einer Friedensdemonstration teil.

Mona Neubaur, Landesvorsitzende der Grünen in Nordrhein-Westfalen, nimmt an einer Friedensdemonstration teil.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

 Ich habe in den vergangenen Tagen mit zahlreichen Menschen gesprochen, die aus der Ukraine stammen, familiäre oder freundschaftliche Beziehungen dorthin haben. Sie alle fühlten den brüchigen Frieden, der seit der Annexion der Krim 2014 herrschte. Dass er so abrupt und barbarisch enden würde, kam für viele dennoch überraschend. Mit dem 24. Februar, das müssen wir schmerzhaft anerkennen, begann eine neue Zeitrechnung, wir leben jetzt in einer anderen Welt. In einer Welt, in der die Demokratie offensichtlich angegriffen und bedroht wird und in der elementare Menschenrechte zur Disposition stehen. Wir werden in Zukunft wieder entschieden und europäisch vereint um sie kämpfen müssen.

Wenn wir über die Wesensmerkmale demokratischer Systeme sprechen, geht es in der Regel um Meinungsfreiheit, Rechtsstaatlichkeit oder freie Wahlen. Doch es ist besonders der Weltfrauentag, der daran erinnert, dass es gerade Frauenrechte sind, die eine Staatsform zur Demokratie machen. Dort, wo Frauen und Mädchen unterdrückt werden, wo ihnen abgesprochen wird, teilhaben und mitbestimmen zu dürfen, kann es keine Freiheit geben, hat es sie niemals gegeben. Es ist kein männliches Privileg, und darf es niemals sein, selbstbestimmt und ohne gesellschaftliche Zwänge das eigene Glück zu finden. Frauenrechte sind Menschenrechte – nie war diese Gleichung aktueller.

 Der Weltfrauentag mag für viele anachronistisch daherkommen: Frauen können doch alles werden, wir sind doch frei, niemand hindert uns an gesellschaftlicher und politischer Teilhabe, mag manche denken. Der Krieg in der Ukraine zeigt, wie naiv diese Vorstellung ist, wie schnell all das zur Makulatur werden kann. Es sind oft Frauen, die als erste in bewaffneten Konflikten leiden, die ihre Rechte als erste verlieren. Viele, die schon vorher Gewalterfahrungen haben durchleben müssen, erleiden sie nun abermals. Der Schutz, den sie vielleicht hatten, auf der Flucht verliert er seine Gültigkeit. 

Für Frauen wie Olga, die nun mit ihren Kindern zu uns nach Deutschland kommen, müssen wir jetzt zeigen, dass die wahre Stärke der Demokratie auch in umfassenden Frauenrechten liegt. Der Bund, das Land, wir als Gesellschaft müssen das Versprechen auf Sicherheit und Freiheit einlösen. Es ist unser aller Pflicht, Olga und alle, die schon da sind oder noch kommen werden, menschenwürdig aufzunehmen, ihnen Teilhabe zu garantieren, die vielen Kinder in unsere Bildungseinrichtungen zu integrieren und das, was Wladimir Putin ihnen mit seinen Bomben gestohlen hat, wieder zu geben: Ein Leben in Würde und Selbstbestimmung.

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