Analyse zum Airport Düsseldorf Flughafen-Ausbau spaltet Region

Düsseldorf · Am Montag beginnen die Anhörungen zur beantragten Kapazitätserweiterung am Flughafen Düsseldorf um rund 18 Prozent. 41.000 Bürger haben ihre Einwände eingebracht - worum es bei dem Streit geht.

Analyse zum Airport Düsseldorf: Flughafen-Ausbau spaltet Region
Foto: Jan Schnettler

Ein solches Verfahren hat die Landeshauptstadt schon lange nicht mehr gesehen. Rund 41.000 Bürger haben sich in Unterschriftenlisten und auch vielen Briefen dagegen ausgesprochen, dass der Flughafen Düsseldorf künftig rund 18 Prozent mehr Flüge abwickeln kann. Dagegen veröffentlichten gestern 200 Unternehmen aus der Region einen ausdrücklichen Aufruf für den Ausbau. "WeFlyDus" lautet die Überschrift, die Politik im Landtag solle den Ausbau unterstützen. Ab Montag kommt es nun zum Showdown bei einem Hearing in der Messehalle 1 im Norden der Stadt. "Wir erwarten regen Zulauf", so eine Sprecherin der Bezirksregierung, die das Verfahren im Auftrag des Landes durchführt.

Ziel Kern des Antrages ist, dass der Flughafen an 56 seiner 112 wöchentlichen Betriebsstunden bis zu 60 Flüge pro Stunde abwickeln kann. Bisher sind höchstens 47 Flüge erlaubt. Außerdem will der Airport acht neue Parkpositionen für Jets auf seinem Gelände einrichten, damit weitere Airlines ihre Heimatbasis in Düsseldorf finden. Um flexibler agieren zu können, will der Airport außerdem schneller vom Betrieb nur einer Bahn auf zwei Bahnen mit dann möglichen 60 Flügen umschalten können. Bisher muss der Zwei-Bahn-Betrieb mit entsprechend hoher Kapazität eine Woche vorher fest angemeldet werden - künftig will das Management nicht genutzte Zeitblöcke von je 15 Minuten zu anderen Zeiten nutzen dürfen. "Damit wären wir beweglicher, um Verspätungen abzubauen", sagt dazu Flughafenchef Thomas Schnalke. Die Kritiker des Airports befürchten dagegen mehr Verspätungen, wenn es mehr Flüge gibt. "Das ist dann doch zwangsläufig", sagt Christoph Lange von der Initiative Bürger gegen Fluglärm.

Politik Das Interessante am nun beginnenden Planfeststellungsverfahren ist, dass beim Antrag des Flughafens zur Kapazitätserweiterung einerseits nach rein objektiven Kriterien geprüft werden muss, ob der Anspruch des Flughafens nachvollziehbar ist und nicht zu sehr gegen Interessen der Anwohner oder sogar gegen gesetzliche Vorgaben verstößt. Anderseits mischt die Politik doch bei dem Verfahren mit: Die FDP spricht sich als einzige Partei im Landtag klar für den Ausbau aus. SPD und CDU zeigen Sympathie für einen der größten Arbeitgeber des Landes bei seinen Wachstumsplänen, legen sich aber als Parteien nicht fest. Sie sorgen sich wohl um Wählerstimmen in Umlandgemeinden des Airports wie Ratingen, Kaarst oder Meerbusch. Dagegen mobilisieren die Grünen gegen den Ausbau. Das kann ihnen Stimmen bringen, obwohl sie formal nichts mit dem Verfahren zu tun haben: Alleine das Verkehrsministerium und nicht das Kabinett wird den Antrag entscheiden. Und weder SPD noch CDU haben vor, den Grünen als möglichem Koalitionspartner nach der Landtagswahl im Mai dieses Ressort zu überlassen.

Klagerisiko 17 eigene Gutachten hat der Flughafen eingebracht, um seinen Antrag zu begründen, mehr als fünf Gegengutachten und Tausende einzelne Gegenmeinungen liegen auf dem Tisch - alles soll während des tagelangen Verfahrens abgewogen werden. Unserer Redaktion liegt ein 691 Seiten dicker Aktenordner vor, in dem die Bezirksregierung alle Einwände zusammenfasst, zu denen der Airport jeweils konkret Stellung bezieht. "Das Land will auf keinen Fall Verfahrensfehler machen und muss alle Argumente nachvollziehbar abwägen", sagt dazu der Düsseldorfer Anwalt Julius Reiter, "weil ein Ausbau sonst durch Klagen blockiert oder behindert würde." In Frankfurt wurde beispielsweise nach der Genehmigung der dritten Landebahn von einem Gericht ein viel härteres Nachtflugverbot durchgesetzt. Nun gibt es am verkehrsreichsten Flughafens Deutschlands viel weniger Nachtflüge als in Düsseldorf als Nummer Drei. Nummer Zwei ist München.

Wachstumsprognose Der Airport begründet die höheren Kapazitäten vorrangig mit dem erwarteten deutlichen Wachstum der Passagierzahlen. So gibt ein Gutachten an, im Jahr 2030 sei mit 40 Millionen Passagieren zu rechnen, wogegen es im Vorjahr 23,5 Millionen waren, eine Million mehr als noch 2015. Nur mit mehr Kapazitäten könne der Bedarf gedeckt werden, heißt es. Schon jetzt gibt es zu attraktiven Uhrzeiten keine freien Flugrechte ("Slots").

Laut Gegengutachtern macht der Airport den Fehler, Reisewünsche von NRW-Bürgern einseitig zu seinen Gunsten zu verbuchen. Die Landesregierung solle stattdessen dafür sorgen, dass Menschen mehr von kleinen Flughäfen wie Münster, Paderborn oder Weeze abreisen. In der Praxis fördert der Staat aber Düsseldorf stark durch die Bahnpolitik: Alle sechs Linien des künftigen Rhein-Ruhr-Express (RRX) werden am Flughafen Düsseldorf halten. Das allein bringt Millionen weitere Passagiere.

Umsteigeflughafen Der Airport will die neuen Kapazitäten nutzen, um mehr Flüge am Morgen, mittags und am frühen Abend anzubieten. Als Ergebnis könnten mehr Zubringerflüge aus ganz Europa viele Passagiere zuführen, die Langstreckenflüge füllen. Die Flughafenkritiker lehnen diese Strategie ab. Die Wirtschaft unterstützt sie dagegen, weil nur so mehr Interkontinentalflüge angeboten werden können - gut für die Ansiedlung ausländischer Firmen.

Angerlandvergleich Die Kritiker meinen, dass der Flughafen den 1965 geschlossenen Vergleich mit den Umlandgemeinden über eine Begrenzung der Flughafenexpansion bricht. Das Management des Airports meint dagegen, es halte sich an den Kern des Vergleiches, nämlich dass die zweite Bahn nur zu Spitzenzeiten genutzt werden darf, was als Hälfte der Betriebszeit ausgelegt wird. Schwer abstreiten lässt sich jedoch der Vorwurf, dass die geplante größere Zahl an Flügen deutlich höher ist, als es wohl viele Anwohner zur Zeit des Angerlandvergleiches jemals für denkbar hielten. Ob es mehr Lärm gibt als befürchtet, ist dagegen keineswegs sicher. Heutige Jets sind deutlich leiser als vor einigen Jahren.

(RP)
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