NRW-FDP wählt neue Parteispitze Frustriertes Grundrauschen und ein knappes „Ja“ für Henning Höne

Bielefeld · Mit gerade mal 54,5 Prozent Zustimmung haben die Liberalen in Nordrhein-Westfalen Henning Höne zum neuen Landesparteichef gewählt. Zwischen Frust und Appellen - so stellt die FDP sich in Bielefeld neu auf.

Finanzminister Christian Lindner (r) gratuliert Henning Höne beim Landesparteitag der FDP-NRW.

Finanzminister Christian Lindner (r) gratuliert Henning Höne beim Landesparteitag der FDP-NRW.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Der Applaus fällt kurz aus. Henning Höne ist neuer Landesparteichef der FDP in Nordrhein-Westfalen – so eben. Mit gerade mal 16 Stimmen mehr als nötig hat er es knapp geschafft. 208 Delegierte haben gerade für ihn gestimmt. 157 gegen ihn. 17 Enthaltungen gab es. Das macht 54,5 Prozent Zustimmung für den 35-Jährigen, der jetzt die NRW-FDP führt.

Er hatte im Vorfeld schon klargemacht, dass er nicht mit einem überragenden Ergebnis rechnete. Einen so harten Aufschlag hatte dann aber doch niemand erwartet für den Coesfelder, der immerhin auch Fraktionschef der Liberalen im Landtag ist.

Die Reaktionen von Parteifreunden in den Minuten nach der Abstimmung, sie reichen von verärgert über ernüchtert bis tapfer. „Vielleicht ein überraschend ehrliches Ergebnis“, sagt Alexander Steffen, Chef der Jungen Liberalen in NRW. Die Nachwuchsorganisation der FDP stand Hönes Kandidatur immer skeptisch gegenüber.

Gut seien diese Zahlen nicht, gibt Generalsekretär Moritz Körner zu. „Aber das gehört in einer Partei und in der Demokratie dazu, dass es auch mal kracht.“ Körner wird Weilchen später selbst mit 64,4 Prozent der Stimmen im Amt bestätigt werden – auch nicht der stärkste Rückenwind.

„Das Ergebnis spiegelt die Frustration nach der Landtagswahl wieder, und die Partei hat sich an der falschen Stelle ein Ventil gesucht“, urteilt Marcel Hafke, Parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Landtagsfraktion. „Es wird jetzt die Aufgabe sein, die Reihen zu schließen.“ Sowohl Körner als auch Hafke gelten als Vertraute Hönes.

Höne selbst wollte in einem Statement, das er später abgab, nach vorne schauen. „Mit einem solchen Wahlergebnis ist niemand zufrieden“, sagte er. „Die Liste der Aufgaben ist lang. Darauf würde ich mich jetzt viel lieber konzentrieren.“

Ungetrübt gut gelaunt zeigte sich der ehemalige NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart: Beim nächsten ordentlichen Parteitag werde Hönes Ergebnis besser, prophezeite er mit breitem Lächeln: „Er wird den Landesverband nach vorne bringen.“ Und Hönes Vorgänger als Landeschef, der ehemalige Familienminister Joachim Stamp, stellte fest: „Er ist gewählt, und er wird das sehr gut machen.“

Insgesamt blieb die Stimmung beim Landesparteitag der FDP in Bielefeld verhalten: ein frustriertes Grundrauschen. Der Unmut, den es offenbar gab, aber auch Begeisterung blitzten kaum auf unter den Delegierten an langen Tischreihen. Die Bühne war in Magenta ausgeleuchtet, unter der hohen gewölbten Decke hallten die Worte der Redner.

Henning Höne beschwor in seiner recht zahmen Vorstellungsansprache liberale Überzeugungen: Eigenverantwortung, Freiheit, Individualität, Toleranz, Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Menschen. Er sprach über kommende Schwerpunkte wie Bildung, Digitalisierung, Energiepolitik, und über Mut zu Grundsatzdebatten. „Niemand tritt in der FDP ein, weil er sich eigentlich am wohlsten fühlt in der absoluten Mehrheit der großen Masse“, sagte Höne. „Und so schmerzhaft die Niederlage im vergangenen Mai war: Ich glaube nicht, dass wir die Freien Demokraten neu erfinden müssen.“

Die Wahlniederlage Mai – der Parteitag in Bielefeld stand in ihrem Zeichen. Immer wieder kamen die Rednerinnen und Redner des Tages darauf zu sprechen. Die FDP war bei der NRW-Landtagswahl auf 5,9 Prozent abgestürzt, die Landtagsfraktion anschließend von 28 auf zwölf Mitglieder geschrumpft. Der damalige Spitzenkandidat und bisherige Landesparteichef Joachim Stamp hatte damals die Verantwortung übernommen. Nun sprach er in Bielefeld von einem „Neustart, den wir brauchen“.

In der Aussprache fand Alexander Steffen von den Jungen Liberalen dennoch harte Worte der Abrechnung. Es sei vor der Landtagswahl die Strategie der FDP gewesen, sich der CDU anzunähern, um wiedergewählt zu werden. „Das haben wir stellweise auf eine beschämende Art und Weise zelebriert“, rief er. „Die CDU ist nicht der Freund. Die CDU ist der Gegner. Und das muss klar sein.“

Für Aufmerksamkeit sorgten die Auftritte der FDP-Bundesprominenz mit nordrhein-westfälischen Wurzeln. Christian Lindner, Finanzminister und Bundesparteichef, verteidigte in seiner Ansprache die Schuldenbremse: „Man ruiniert die Staatsfinanzen nicht in der Krise. Man ruiniert die Staatsfinanzen, wenn man den Ausgang aus der Krisenpolitik nicht findet“, sagte er.

Eine Attacke ritt er in Richtung des CDU-Chefs Friedrich Merz: „Wer pauschal über ,Sozialtourismus‘ und ,kleine Paschas‘ spricht, der kann keinen Führungsanspruch für das modernde Deutschland begründen“, sagte Lindner. Für die Verwendung der beiden genannten Begriffe war Merz heftig kritisiert worden. Auf den neuen Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) kam Lindner indirekt zu sprechen: Ein neuer Verteidigungsminister sei auch eine neue Gelegenheit, zu prüfen, was Deutschland noch tun könne, um der Ukraine beizustehen. Über Hönes Kandidatur sprach Lindner nicht.

Die Bundestagsabgeordnete Marie Agnes Strack-Zimmermann, Vorsitzende des Verteidigungsausschusses des Bundestags, konzentrierte ihre Botschaft auf den Krieg. Sie wollte „aufräumen“ mit einer „folkloristischen Vorstellung“ von Russland: „In der Ostukraine, meine Damen und Herrn, steht nicht das Bolschoi-Ballett und tanzt Schwanensee. Da stehen Soldaten, die morden, vergewaltigen, verschleppen und noch vieles schreckliche mehr“, sagte sie.

Der neue Parteichef Henning Höne hatte sich seit Monaten für diese Wahl in Stellung gebracht, er war der einzige Kandidat für den Parteivorsitz. Seine drei Stellvertreter im neu gewählten Vorstand sind Nicole Westing, Michael Terwiesche und Katrin Helling-Plahr. Bei Michael Terwiesche entschied am Ende das Los: Für ihn und die Bewerberin Clarisse Höhle hatte es exakt gleich viele Stimmen gegeben.

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