Fall Castrop-Rauxel NRW-Behörden wussten schon früher von möglichen Terror-Plänen

Düsseldorf · Das Bundeskriminalamt hat NRW-Behörden schon am 31. Dezember über die Gefahr eines Terroranschlags in NRW informiert. Ein mutmaßlicher Täter nutzte einen W-Lan-Zugang außerhalb von Castrop-Rauxel. Innenminister Herbert Reul erfuhr aber erst am 7. Januar von der Sache.

Fotos aus Castrop-Rauxel: Mann soll Terror-Anschlag geplant haben​
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Mann aus Castrop-Rauxel soll Anschlag mit Biowaffen geplant haben

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Foto: dpa/WTVnews

Nordrhein-westfälische Sicherheitsbehörden wussten offenbar schon früher als bekannt darüber Bescheid, dass in der Silvesternacht womöglich ein Terroranschlag drohte. Das geht aus Angaben des Bundeskriminalamts (BKA) hervor.

Das BKA wurde am 30. Dezember um 23.10 Uhr von einem ausländischen Dienst auf mögliche Terror-Pläne in Deutschland hingewiesen. „Sofort starteten die Ermittlungen, die am 31. Dezember 2022, 10.30 Uhr, unter anderem ergaben, dass eine mögliche Tatörtlichkeit im Bundesland NRW liegen könnte“, teilt die Behörde nun schriftlich mit. Diese Erkenntnis habe das BKA am 31. Dezember um exakt 11.58 Uhr unter anderem an die Sicherheitsbehörden in NRW weitergeleitet.

Diese Information bringt die zuständigen Stellen in NRW nun unter Druck, denn dort wurden zunächst keine weiteren Schritte eingeleitet. Nach Informationen unserer Redaktion soll das daran gelegen haben, dass die Spur, die nach NRW führte, als sehr dünn beurteilt wurde. Ein verdächtiger Telegram-Account sei einmal über ein freies W-Lan-Netzwerk außerhalb von Castrop-Rauxel bedient worden. Das erfuhr unsere Redaktion aus unterrichteten Kreisen. Es habe keinen Anhaltspunkt auf mögliche Anschlagsorte oder Wohnorte eines Täters gegeben, die Person hätte auf der Durchreise gewesen sein können.

Am 6. Januar wurde schließlich eine IP-Adresse bekannt, die zu den heute Beschuldigten nach Castrop-Rauxel führte. Nach Angaben des Innenministeriums erfuhr Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) von der ganzen Sache am Nachmittag des 7. Januar. Also vor der Razzia in Castrop-Rauxel, die in der Nacht zum 8. Januar stattfand.

Für die SPD im Düsseldorfer Landtag wirft der Vorgang die Frage auf, warum die Landesregierung nicht schon am 31. Dezember tätig wurde. „Wie kann es sein, dass der Innenminister angesichts eines solchen Bedrohungsszenarios von den eigenen Behörden erst eine Woche später informiert wird?“, fragt die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Christina Kampmann. „Und warum hat Minister Reul diese Informationen bis heute der Öffentlichkeit vorenthalten? Sie hat schließlich ein Recht darauf zu erfahren, wer was wann wusste.“

So wurden Einzelheiten zu den Vorgängen zuletzt im Innenausschuss des Landtags nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit in nicht-öffentlicher Sitzung behandelt. Das diene offenbar dem Zweck, „den Blick auf die Faktenlage zu erschweren“, so Kampmann.

Das Innenministerium wollte Fragen zu konkreten Informationsabläufen unter den zuständigen Stellen auch am Freitag „aufgrund von Geheimhaltungsaspekten“ nicht beantworten. Aber: Der Fall zeige, dass die Zusammenarbeit der Sicherheits- und Justizbehörden des Bundes und des Landes bei der Terrorismusbekämpfung funktioniere, hieß es aus dem Ministerium. „Womöglich wurde ein mutmaßlich islamistisch-motivierter Terroranschlag durch professionelles, unverzügliches und entschlossenes Handeln aller beteiligter Behörden verhindert.“

In der Nacht vom 7. auf den 8. Januar wurden in Castrop-Rauxel bei einer Razzia zwei Brüder festgenommen. Sie werden beschuldigt, einen islamistischen Terroranschlag geplant zu haben - zunächst für die Silvesternacht, dann für einen späteren Zeitpunkt. Sie sollen vorgehabt haben, die Gifte Rizin oder Cyanid gegen eine größere Menschenmenge einzusetzen.

Über die Angaben des BKA hatte zuerst die Westdeutsche Allgemeine Zeitung berichtet.

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