Hannelore Kraft im Interview "Es gibt eine Wechselstimmung"

Die Spitzenkandidatin der nordrhein-westfälischen SPD zur Landtagswahl, Hannelore Kraft, zu einem möglichen Bündnis ihrer Partei mit der Linken, zu Reformen im Bildungswesen und zu einer Blockade der Bundespolitik im Bundesrat.

 SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft hält an ihrem Nein zu einem Bündnis mit den Linken fest: Die Partei sei nicht regierungsfähig

SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft hält an ihrem Nein zu einem Bündnis mit den Linken fest: Die Partei sei nicht regierungsfähig

Foto: RP, Bretz

Kraft An unserer Strategie und Bewertung hat sich nichts geändert. Ich sage schon seit vielen Monaten, dass wir die Linkspartei aus dem Landtag heraushalten wollen. Angesichts des Wahlprogramms und der Führungsspitze sagen wir: Wir halten die Linkspartei für nicht regierungswillig und regierungsfähig. Ich kann das auch inhaltlich festmachen. Nehmen Sie doch nur die Position zur Verstaatlichung von Schlüsselindustrien.

Wäre es nicht hilfreich gewesen, Sie hätten von Anfang an Nein gesagt?

Nach der neuen Umfrage geht nur eine große Koalition oder Rot-Rot-Grün.

Kraft Umfragezahlen irritieren mich nicht. Wichtiger sind für mich die für uns wachsenden Kompetenzwerte, vor allem bei Bildung und Arbeit. In Sachen sozialer Gerechtigkeit liegen wir ganz weit vorn.

In Berlin wird über eine Koalition von SPD, FDP und Grünen spekuliert ...

Kraft An Spekulationen beteilige ich mich nicht. Über Koalitionen entscheidet die SPD in NRW.

Was wären für Sie als Ministerpräsidentin die Schwerpunkte bis 2015?

Das heißt?

Sie wollen ein neues Schulsystem.

Kraft Die Kinder werden mit zehn, bald neun Jahren in Schubladen einsortiert, aus denen sie praktisch nicht mehr herauskommen. Wir wollen, dass länger gemeinsam gelernt und besser individuell gefördert wird. Wir haben Veränderungen im Bildungsbereich beschlossen, weil wir wissen, dass wir in unserer Regierungszeit nicht alles richtig gemacht haben. Gute Politik korrigiert sich.

Dazu sollen alle Kinder nach der Grund- auf die Gemeinschaftsschule?

Ihr Sohn macht nächstes Jahr Abitur - auf einer Gesamtschule?

Kraft Nein, die nächstgelegene weiterführende Schule bei uns in Mülheim war das Gymnasium. Ich bin auch aufs Gymnasium gegangen und trete jetzt für die Gemeinschaftsschule ein.

Schwarz-Gelb hat über 8000 Lehrer zusätzlich eingestellt ...

Kraft Daran zweifle ich. Es mögen so viele Stellen geschaffen worden sein, aber viele sind nicht besetzt.

Und was ist mit der Halbierung des Unterrichtsausfalls?

Kraft Reine Makulatur. Wenn sich die Schüler selbst beschäftigen, gilt die Stunde als erteilt. Da kann man nur den Kopf schütteln. Versprochen war eine Unterrichtsgarantie. Unser Ziel sind maximal 25 Schüler pro Klasse. Das ist sehr ehrgeizig.

Wie viel Zeit planen Sie für die Umstellung im Schulbereich ein?

Rüttgers will 12 000 Stellen in der Landesverwaltung abbauen. Und Sie?

Kraft Ich halte das für unseriös. Er sagt ja nicht, wo er kürzen will. Ich werde den Staat nicht aus der Verantwortung entlassen, effektiver zu arbeiten. Aber wir brauchen auch einen handlungsfähigen Staat.

Was sind die ersten Maßnahmen, von denen die Arbeitnehmer profitieren?

Kraft Wir werden die massiven Einschnitte bei der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst rückgängig machen und ein modernes Landespersonalvertretungsgesetz verabschieden. NRW muss wieder zum Mitbestimmungsland Nummer eins werden. Außerdem werden wir das Tariftreuegesetz wieder einführen. Arbeitgeber, die öffentliche Aufträge haben wollen, dürfen keine Dumpinglöhne zahlen.

Wenn Sie gewinnen, können Sie die Bundespolitik im Bundesrat blockieren - wo?

Sie wollen Rot-Grün, aber beim Steinkohleabbau, bei neuen Kohlekraftwerken und der CO-Pipeline gibt es große Differenzen ...

Kraft Das werden wir in den Koalitionsverhandlungen sehen.

Kommt noch ein Kommunal-Experte in Ihr Zukunftsteam?

Kraft Dazu sage ich nichts. Mein Team steht in meinem Kopf.

Kann die SPD diejenigen, die ihr wegen der Agenda-Politik den Rücken gekehrt haben, zurückgewinnen?

Kraft Ich habe für unsere Hartz-IV-Korrekturen viele positive Signale bekommen. Gewerkschafter, die ausgetreten waren, sind wieder in die Partei zurückgekehrt.

Was war ihr schlimmstes Erlebnis im Wahlkampf?

Kraft Das wird Sie wundern: Die "Rent a Rüttgers"-Affäre. Solche Affären sorgen für Politikverdrossenheit und erhöhen die Zahl der Nichtwähler.

Wenn Sie in NRW gewinnen, sind Sie der neue SPD-Star. Stehen Sie dann auch als Kanzlerkandidatin bereit?

Kraft Bei der Wahl geht es nicht um mich, sondern um NRW. Ich liebe dieses Land. Mir kommt es darauf an, meine Aufgabe als Spitzenkandidatin und dann als Ministerpräsidentin gut zu meistern. Und ich bin zuversichtlich, dass wir am 9. Mai vorne liegen. Es gibt eine Wechselstimmung. Das spüren wir im Wahlkampf deutlich.

(RP)
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