Streit um Enteignungen „Wollen Sie eine Heimat für Hamster oder für Menschen?“

Düsseldorf · Der Vorschlag von Grünen-Chef Robert Habeck stößt bei Armin Laschet auf Ablehnung – und nicht nur bei ihm. NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann sieht immerhin „kein Tabu“ bei Enteignungen.

 Kräne in einem Neubaukomplex für Mehrfamilienhäuser in Berlin (Symbolfoto).

Kräne in einem Neubaukomplex für Mehrfamilienhäuser in Berlin (Symbolfoto).

Foto: dpa

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet lehnt den Vorstoß von Grünen-Chef Robert Habeck für Enteignungen im Kampf gegen die Wohnungsnot ab.  „Jetzt eine öffentliche Debatte über Enteignungen zu beginnen, wo wir in allen Städten den Wunsch haben, dass mehr Menschen in Wohnungen investieren, ist extrem schädlich“, sagte der CDU-Politiker. Habeck hatte am Wochenende  in der „Welt am Sonntag“ gesagt, er halte Enteignungen prinzipiell für denkbar.

Am Samstag hatten in NRW Tausende gegen die stark steigenden Mieten demonstriert. Im bevölkerungsreichsten Bundesland fehlen rund 300.000 Wohnungen, davon etwa ein Drittel Sozialwohnungen. Weil das Angebot zu knapp ist, zahlen rund 40 Prozent aller Großstadt-Bewohner mehr als die empfohlenen 30 Prozent ihres Haushaltseinkommens für die Miete.

Auch das SPD-Präsidium und der Parteivorstand befassten sich am Montag mit dem Thema. NRW-SPD-Chef Sebastian Hartmann sieht in Enteignungen ein letztes Mittel des Staates. Das sei kein Tabu, es stehe ja in der Verfassung, sagte er. Hartmann sieht darin jedoch kein geeignetes Mittel, um viel Wohnraum zu schaffen. Er schlägt vor, dass öffentliche Grundstücke gar nicht mehr in den Verkauf gelangen. Stattdessen sollten sie „maximal als Erbpacht“ vergeben werden. Hartmann kündigte ein umfangreiches Konzept zu dem Thema an.

Jochen Ott, Fraktionsvize der SPD im Landtag, nannte erste Details. „Sozialwohnungen werden pro Einheit mit rund 140.000 Euro gefördert“, rechnete er vor, „trotzdem werden immer weniger davon gebaut.“ Deshalb solle ein Teil des Geldes in den Aufbau einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft fließen, wie das Land sie mit der LEG bis zu deren Privatisierung im Jahr 2008 schon einmal besaß.

Auf Distanz zu Habecks Vorschlag ging auch Thomas Kutschaty. „Nach deutschem Recht bedeutet Enteignung eigentlich Entschädigung“, sagte der SPD-Landesfraktionschef. „Das Geld, das für die Entschädigung der Eigentümer gebraucht wird, fehlt dann für Investitionen in neue Wohnungen.“ Die Grünen seien oft die ersten, die neue Bauflächen verhindern wollten. „Sie müssen sich entscheiden: Wollen Sie eine Heimat für Hamster oder für Menschen?“

 Unterdessen griff die NRW-Grünen-Vorsitzende Mona Neubaur die Enteignungs-Idee ihres Parteichefs auf. „Enteignungen von Grundstückseigentümern sind als letztes Mittel akzeptabel“, sagte Neubaur unserer Redaktion. Es gebe Eigentümer, die gar nicht bebauen wollen, sondern nur darauf warteten, dass der Grundstückswert noch weiter steigt und sie mit noch mehr Gewinn verkaufen könnten. Neubaur: „Dieses Interesse ist weniger schützenswert als das Interesse der Bevölkerung an bezahlbaren Wohnungen.“

Ein Volksbegehren, das in Berlin die Verstaatlichung großer Wohnungsunternehmen anstrebt, könnte derweil auch in NRW Fuß fassen. Im Umfeld der NRW-Grünen und des NRW-Mieterbundes ist übereinstimmend von entsprechenden Vorbereitungen die Rede. Auch die Linke in NRW fordert die Verstaatlichung großer Wohnungskonzerne. Nach Berechnungen des Berliner Senats würden für die Enteignung von 240.000 Wohnungen in der Bundeshauptstadt Entschädigungen von bis zu 36 Milliarden Euro fällig.

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