Energiewende Netzbetreiber vor massiven Baumaßnahmen in ganz NRW

Düsseldorf · Gemeinsam mit der Landesregierung und der Wissenschaft haben die großen Netzgesellschaften eine Planung für den Komplettumbau des Energiesystems im bevölkerungsreichsten Bundesland vorgelegt.

 Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen vor einem Abendhimmel.

Windkraftanlagen und Hochspannungsleitungen vor einem Abendhimmel.

Foto: dpa/Jan Woitas

Die Netzbetreiber für Strom, Gas, Wärme und Wasserstoff stehen vor einem gigantischen Umbau ihrer Versorgungssysteme. Tausende Kilometer Leitungen – Stromtrassen von den großen Offshore-Windparks in der Nordsee, Pipelines von LNG-Terminals und den Häfen der Nachbarländer bis hin zu den kleinteiligeren Versorgungsnetzen für die Endkunden – müssen in den kommenden Jahren aus- und umgebaut werden. Der Hunger der Industrie nach Wasserstoff, aber auch die voranschreitende Elektromobilität und die Umstellung auf Wärmepumpen machen eines der größten Infrastrukturprojekte der Geschichte des Landes nötig.

Damit nicht jeder dabei allein vor sich hinwerkelt, haben die großen Netzbetreiber Thyssengas, Open Grind Europe, Amprion und Westnetz nun gemeinsam mit der Landesregierung eine sogenannte integrierte Netzplanung vorgenommen. Begleitet von Wissenschaftlern wurden dabei detaillierte Szenarien ermittelt, welche Bedarfe in den verschiedenen Sektoren in NRW existieren und welche Trassen, Kabel und Leitungskapazitäten gebaut werden müssen, um die Energie vom Ort der Erzeugung zum Abnehmer zu bringen. Hendrik Neumann, Technischer Geschäftsführer des Stromnetzbetreibers Amprion, sagte, das für NRW entwickelte System müsse als Blaupause für den Umbau des Energiesystems in der ganzen Bundesrepublik dienen.

„Der Weg ist sehr anspruchsvoll“, sagte Ministerin Neubaur bei der Vorstellung des nach ihren Worten „starken Trumpfes“, den man nun mit der integrierten Netzplanung in der Hand habe. Die im Koalitionsvertrag verabredete Klimaneutralität passiere nicht von allein. Man müsse nun schon die unterschiedlichen Netze gemeinsam denke. Grüner Offshore-Strom sei genügend da. Es gehe nun darum, die entsprechenden Kabel zu legen, damit dieser in die großen Abnehmerregionen transportiert werden und etwa zu Wasserstoff für die Industrie umgewandelt werden könne. Neubaur sagte zu, sich in Berlin dafür stark zu machen, dass es für die Umsetzung der Pläne zügig einen verbindlichen Rechtsrahmen geben werde. Denn anders als bei Strom und Gas gibt es etwa für den Wasserstoff bislang keine gesetzlich verankerte Netzentwicklungsplan. „Das muss schnell passieren, um gemeinsam zu einem Hochlauf zu kommen““, sagte Jörg Bergmann, Sprecher der Geschäftsführung Open Grid Europe. Die Privatwirtschaft sei bereit, ein Wasserstoffnetz in NRW aufzubauen. „Wir brauchen dafür keine staatliche Gesellschaft“; sagte Bergmann. Es bedürfe allenfalls einer staatlichen Anschubfinanzierung, da zu Beginn Verluste entstünden, die nicht auf die Kunden umgelegt werden könnte.

Patrick Wittenberg, Mitglied der Geschäftsführung bei Westnetz, wies auf die besonderen Herausforderungen der Verteilnetze hin, die dann auch für die Bürger vor Ort sichtbar werden. „Bei den Zielen, die wir uns vorgenommen haben, werden wir einen massiven Netzausbaubedarf in den Verteilnetzen sehen“, warnte er. Man müsse schon heute so planen, dass man diesen Ausbaubedarf auf ein Minimum reduzieren. Die Aufgabe sei allerdings komplex, denn das Energienetz sei genauso gewachsen wie das Straßennetz. Den Ausbaubedarf bezifferte Wittenberg allein für Westnetz auf einen einstelligen Milliardenbetrag. „Je nachdem, wie sich die Energiewende weiter entwickeln wird, wird das aber nicht reichen.“ Zum zeitlichen Horizont sagte er: „Wir werden die nächsten 20 Jahren damit zu tun haben. Das wird nicht in 10 Jahren abgeschlossen sein.“

Amprion-Geschäftsführer Neumann warnte: „Uns allen ist klar: Mit der Geschwindigkeit kommen wir nicht zum Ziel.“ Vieles habe sich mit dem Osterpaket der Bundesregierung verbessert, so dass etwa große Freileitungen um zwei bis drei Jahre vorgezogen werden könnten. Das werde sich mittelfristig auszahlen. Wichtig sei aber auch, dass das die Mitarbeiter in den Behörden verinnerlichen müssten. Westnetz-Geschäftsführer Wittenberg machte noch auf eine weitere Hürde aufmerksam: die Materiallieferschwierigkeiten. „Wir müssen zusehen, dass die Lieferketten wieder besser funktionieren“, forderte er. Da sei aber inzwischen – so sein Eindruck – von der Politik verstanden worden.

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