NRW-Umweltminister Remmel "EU soll Belgiens Atommeiler überprüfen"

Antwerpen/Düsseldorf · NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) fordert nach erneuten Störfällen höhere Sicherheitsstandards für die belgischen Kernkraftwerke. Der Betreiber sieht keine Gefahr.

Die Pannenserie in belgischen Kernkraftwerken geht weiter. Jetzt hat sich Belgiens ältester Atommeiler Doel 1 bei Antwerpen automatisch abgeschaltet. Die große Turbine zur Stromerzeugung im nicht-nuklearen Bereich der Anlage funktionierte nicht mehr. Nach Angaben des Eigentümers, des belgischen Energiekonzerns Electrabel, verlief die Abschaltung sicher und regelkonform. Der Anlagenbetreiber schloss jegliche Gefährdung für Mitarbeiter und Umgebung des Kraftwerks aus.

Das Atomkraftwerk Doel, das über vier Reaktorblöcke verfügt, liegt 150 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Es sollte ursprünglich am 15. Februar 2015 nach 40 Betriebsjahren komplett stillgelegt werden. Die belgische Mitte-rechts-Regierung erlaubte allerdings den Weiterbetrieb von zunächst zwei Blöcken, weil sonst die Energieversorgung des Landes gefährdet gewesen wäre. Die Blöcke Doel 1 und 3 waren erst vor Kurzem wieder angefahren worden.

Dem Zwischenfall in Doel war am Freitag vor Weihnachten ein Brand in einem anderen belgischen Kernkraftwerk vorausgegangen. Damals fing eine elektrische Schalttafel in der Atomanlage Tihange Feuer. Der Reaktorblock 1 schaltete sich daraufhin automatisch ab. Das belgische Kernkraftwerk liegt nur 70 Kilometer von Aachen entfernt. Es wurde gegen Proteste von deutscher Seite am 25. Dezember wieder hochgefahren. Auch in Doel musste am ersten Weihnachtstag der Block 3 kurz nach seiner Inbetriebnahme abgeschaltet werden, nachdem Mitarbeiter ein Leck an einer Heißwasserleitung im konventionellen Teil der Anlage entdeckt hatten.

Auf deutscher Seite sind Behörden und Politiker wegen der Pannenserie beunruhigt. Nordrhein-Westfalens Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) fordert eine stärkere Überprüfung der Sicherheitsstandards durch die Europäische Union. "Die Kommission soll sich in Fragen der Sicherheit der belgischen Atomkraftwerke stärker einmischen, etwa so, wie sie auch beim Erneuerbare-Energien-Gesetz Vorgaben macht", sagte der Minister unserer Redaktion. Belgien müsse die Sicherheitsstandards umsetzen, die nach dem Unfall in Fukushima für deutsche Atomkraftwerke gelten. "Es geht um die Themen Erdbeben und Schutz vor möglichen Terroranschlägen", sagte Remmel.

Die nordrhein-westfälische Grünen-Vorsitzende Mona Neubaur sprach von "tickenden Zeitbomben kurz hinter der Grenze". Die Stadtverwaltung Aachen zeigte sich besorgt und will die Notfallplanung ändern. So soll die Versorgung mit Jodtabletten, die bislang in nur einem Depot aufbewahrt werden, dezentraler werden. "Es ist bedauerlich, dass sich die Stadt Aachen überhaupt Gedanken machen muss", kritisierte Grünen-Minister Remmel. Er fordert die Bundesregierung auf, stärker als bisher Einsicht in vertrauliche Akten der belgischen Atomkraftbetreiber zu verlangen: "Wir müssen die nationalen Grenzen in der Energiepolitik einreißen. Ein Unfall in den überalterten belgischen Atomkraftwerken würde auch die deutsche Grenzregion treffen. Hier muss sich die belgische Regierung kritische Fragen gefallen lassen."

Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte auf Facebook bereits an Heiligabend geschrieben: "Wir sind besorgt, ob die erforderliche Reaktorsicherheit dieser Anlagen in vollem Umfang gewährleistet ist." Die Brüsseler Regierung versucht, die Besorgnisse zu zerstreuen: Innenminister Jan Jambon von den flämischen Nationalisten sagte im Fernsehen, es gebe kein Sicherheitsproblem.

(kes)
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