Wut und getragene Töne Die große Abrechnung

Düsseldorf · Der Landtag hat die Haushaltsplanung für 2023 verabschiedet. Die Oppositionsparteien nutzten die Debatte für eine Generalabrechnung, auch zum geplanten Fünf-Milliarden-Euro-Rettungsschirm. Da wurde es zwischendurch schon mal emotional.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach in der Debatte im Landtag in getragenem Ton von den Ängsten der Menschen - die er damit wohl kaum zu dämpfen vermochte.

Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sprach in der Debatte im Landtag in getragenem Ton von den Ängsten der Menschen - die er damit wohl kaum zu dämpfen vermochte.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Es war, als wollten die Regierungsparteien CDU und Grüne die Opposition so geschlossen wie möglich gegen sich aufbringen. Ihr Antrag, nun für das Jahr 2023 die „außergewöhnliche Notlage“ zu beschließen – die Grundlage, um für den Krisen-Rettungsschirm dann bis zu fünf Milliarden Euro Schulden aufzunehmen – erreichte die übrigen Fraktionen Dienstag um kurz vor 10 Uhr, gerade mal eine Stunde vor der Haushaltsdebatte. Und das nach verfassungsrechtlichen Bedenken des Landesrechnungshofs gegen die ursprüngliche Planung, kurzfristig verkündeten und wieder umgeworfenen Entscheidungen zur vermeintlichen Notlage: „Das ist unverantwortlich, was sich hier in den letzten Tagen und Stunden abgespielt hat“, rief Sarah Philipp (SPD) wütend am Rednerpult.

Kein einziger Cent Krisenhilfe werde nun dieses Jahr bei den Menschen in NRW ankommen, prangerte Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) an. „Nach dem Verfassungsbruch kommt jetzt der Wortbruch“, sagte er: „Einen solchen Dilettantismus hat das Land noch nicht erlebt.“ Die Finanzplanung der Regierung beschrieb er als Aneinanderreihung von Panikreaktionen, und der Krisen-Rettungsschirm sei eine Mogelpackung: nicht geeignet, um wirklich Krisenrettung zu betreiben.

Auch FDP-Fraktionschef Henning Höne FDP nahm sich das Hin und Her der Regierung vor. Erst wollte diese die Krisenhilfen noch 2022 auszahlen und begründete damit die Hast in allen Entscheidungen. Jetzt solle nicht mehr unbedingt nötig sein, weil das neue Jahr ja nur noch ein paar Tage hin sei: „Was für eine Erkenntnis“, höhnte Höne. Kernpunkte seiner Kritik: Die eigentliche Haushaltsplanung für 2023 reagiere gar nicht auf die Krisen. Die Regierung habe nicht versucht, beim normalen Etat Geld zu sparen, das dann bereit stünde, um die Folgen der besonderen Situation abzufedern. „Das ist Arbeitsverweigerung auf dem Rücken des Grundgesetzes und zu Lasten kommender Generationen“, so Höne.

Die Koalitionsfraktionen CDU und Grüne und Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) rechtfertigten die unstete Haushaltsplanung. Die Lage sei dynamisch, da müsse die Politik kurzfristig reagieren, „manchmal auch von einem Tag auf den anderen“, so der CDU-Fraktionschef Thorsten Schick. Kein Finanzminister habe jemals einen solchen Krisen-Haushalt auflegen müssen.

Ministerpräsident Wüst sprach in getragenen Sätzen von den Ängsten der Menschen, die er damit wohl kaum zu dämpfen vermochte. Krieg und Energiekrise: „Niemand kann sagen, ob unsere Wirtschaft sich erholt oder weiter einbrechen wird“, sagte er. Die Flüchtlingssituation: „Niemand kann uns sagen, in welcher Größenordnung wir am Ende helfen müssen.“ Aber, so seine Botschaft: Man bereite sich ja jetzt vor, man werde der Unsicherheit Sicherheit entgegensetzen. Sowohl mit dem Rettungsschirm als auch mit der Haushaltsplanung: Die Industrie in NRW werde sich wandeln, erneuerbare Energien würden ein Standortfaktor werden.

Grünen-Fraktionschefin Wibke Brems verteidigte die Schwerpunkte im Haushalt und für die erste Tranche des geplanten Rettungsschirms: Die Stärkung sozialer Einrichtungen, Investitionen in Bildung und Forschung, Geld für Cybersicherheit und Katastrophenschutz. Man nehme die Kritik von FDP, SPD und Landesrechnungshof an der Finanzplanung ernst. „Ja, wir sind einen Umweg gegangen“, räumte sie ein. „Aber entscheidend ist doch, dass wir das Ziel erreichen.“

Von der AfD kam der Vorwurf, die übrigen Parteien seien Schuld an den jetzigen Missständen – sie seien an der Migration gescheitert, hätten die Fachkräftelücke nicht geschlossen, in der Corona-Pandemie falsch gehandelt und fänden auch jetzt keine adäquaten Lösungen.

Am Ende beschloss die schwarz-grüne Mehrheit im Landtag den Haushalt für das kommende Jahr und ihren eigenen Antrag zur „besonderen Notlage“ in 2023 natürlich auch. Über den Fünf-Milliarden-Rettungsschirm selbst entscheidet der Landtag am Mittwoch in einer Sondersitzung.

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