Wahl in NRW Der Lindner-Effekt

Düsseldorf · Alle Blicke in der nordrhein-westfälischen FDP richten sich jetzt auf Christian Lindner. Der 33-jährige Politiker aus Wermelskirchen soll der Partei den Wiedereinzug in den Landtag sichern.

FDP-Chef Porträt: Das ist Christian Lindner
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Christian Lindner – der Überflieger

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Foto: dpa/Focke Strangmann

Natürlich werde er bei einer Neuwahl in NRW als Spitzenkandidat antreten. Das hat Daniel Bahr Mitte November 2010 versichert. 16 Monate später ist davon keine Rede mehr. Bahr, inzwischen Bundesgesundheitsminister, hat die Kampfeslust verlassen. Zur Überraschung vieler in der Partei hat er vergangene Woche die Reißleine gezogen und den Weg frei gemacht für den politischen Überflieger Christian Lindner, den einstweilen wohl letzten Hoffnungsträger der NRW-FDP.

Für die Liberalen ist die Neuwahl am 13. Mai dennoch eine Zitterpartie sondergleichen. Auf erbärmliche zwei Prozent war die Partei in den Umfragen abgerutscht. Wie man in dieser Situation stur am Nein zum Landeshaushalt festhalten konnte und damit das Desaster heraufbeschwor, bleibt das Geheimnis von Fraktionschef Gerhard Papke, dem vorgeworfen wird, die FDP an den Rand des Abgrunds getrieben zu haben. Er selbst sieht das natürlich vollkommen anders und ist stolz auf die Geradlinigkeit, mit der sich die FDP der rot-grünen Verschuldungspolitik widersetzt habe.

Nun also Lindner. "Er ist die letzte Patrone der NRW-FDP", heißt es in Düsseldorf martialisch. Darin mischen sich gleichermaßen Häme und Respekt vor dem ungestümen Jungtalent aus Wermelskirchen. Ausgerechnet am 1. April soll Christian Lindner zum neuen Landesvorsitzenden gewählt werden. Einen Spaßwahlkampf à la Westerwelle ("Projekt 18") will er aber nicht führen: "Erwarten Sie von uns keine Mätzchen."

Der Parteitag wird ihm zweifellos ein exzellentes Ergebnis bescheren, denn auf ihn richten sich in der Landespartei alle Blicke. Lindner ist sich seiner Verantwortung bewusst. Unmittelbar nachdem er seine Bewerbung um den Parteivorsitz bekannt gegeben hatte, stellte er klar, dass er seine politische Zukunft in Nordrhein-Westfalen sehe — das sei doch keine Frage. Wenn er die Liste zur NRW-Wahl anführe, dann wolle er auch die Landtagsfraktion führen.

Lindner muss Partei und Anhängerschaft so stark mobilisieren, dass es zum Sprung über die alles entscheidende Fünf-Prozent-Hürde reicht. Wie Papke (der bei einem erfolgreichen Abschneiden der FDP den Fraktionsvorsitz abgeben müsste) hat Lindner das Thema Glaubwürdigkeit zum Aushängeschild erkoren. Die FDP hat schließlich oft genug als "Umfaller-Partei" von sich reden gemacht — zuletzt bei den Koalitionssondierungen 2010 in NRW, als es zunächst hieß, mit SPD und Grünen würden wegen ihrer Kontakte zur Linkspartei keine Verhandlungen geführt, was bald darauf jedoch nicht mehr gelten sollte.

Diesmal, so werden Lindner und seine Mitstreiter betonen, stehe die NRW-FDP mit blütenweißer Weste da, denn sie sei beim Landeshaushalt 2012 nicht eingeknickt. Die Fraktion habe vielmehr ihr Beharren auf Haushaltskonsolidierung "gewissermaßen mit Blut unterschrieben", so Lindner in Düsseldorf, wobei unklar blieb, ob er sich diese theatralische Formulierung vorher sorgsam zurechtgelegt hatte oder ob sie — bei ihm durchaus denkbar — einer spontanen Eingebung entsprang. Jedenfalls ließ sich tags darauf kaum eine Zeitung dieses markige Zitat entgehen.

Lindner braucht die Presse, um seine frohe Botschaft unter die Leute zu bringen. Und die lautet auf eine Kurzformel gebracht: Es muss doch mindestens eine Partei im nordrhein-westfälischen Landtag geben, die darauf achtet, dass mit dem Geld der Steuerzahler sorgsam umgegangen wird. Dass sich die Piratenpartei, obwohl noch gar nicht im Parlament vertreten, schon jetzt für die im Sommer anstehende Diätenerhöhung stark macht, findet Lindner "amüsant".

Neben den Finanzen wird sich der designierte Spitzenkandidat auf das NRW-Bildungssystem fokussieren, und zwar schon deshalb, weil die Schule für SPD, Grüne und CDU nach dem gemeinsamen Kompromiss kein zündendes Wahlkampfthema mehr sein kann. Die FDP dagegen versteht sich als Gralshüter des gegliederten Systems mit leistungsorientierten Gymnasien.

Mit Lindner, so frohlockt der niederrheinische Liberale Dietmar Brockes, "haben wir eine realistische Chance, in den Landtag einzuziehen". Tatsächlich zeigen neueste Umfragekurven wieder nach oben: Die FDP hat sich auf vier Prozent berappelt. Macht sich hier bereits ein Lindner-Effekt bemerkbar?

(RP/csi)
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