Kampf gegen Antisemitismus Mehr als 1000 Bonner tragen Kippa aus Solidarität

Bonn · Über 1000 Bürgerinnen und Bürger versammelten sich auf dem Münsterplatz, um ihre Solidarität mit Juden zu bekunden. Zuvor hatte ein Deutscher palästinensischer Herkunft einen israelischen Professor attackiert, nur weil er eine Kippa trug.

Bonn: "Tag der Kippa" mit Hunderten Menschen
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Hunderte Menschen beim „Tag der Kippa“ in Bonn

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Foto: dpa/Federico Gambarini

Der Satz zieht sich wie ein roter Faden durch die Rede von Margaret Traub: „Es ist genug.“ Vier oder fünf Mal sagt die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Bonn diese Worte beim „Tag der Kippa“. „Es ist nicht zu ertragen, dass wir nur aus einem einzigen Grund angefeindet werden: Weil wir Juden sind.“

Der jüngste Vorfall, bei dem ein 20-Jähriger den jüdischen Philosophieprofessor Yitzhak Melamed auf der Hofgartenwiese am Mittwoch vergangener Woche am helllichten Tage antisemitisch beleidigte und attackierte, ist zwar Auslöser der Versammlung an diesem Donnerstagnachmittag auf dem Marktplatz. Ein Einzelfall ist er offenbar nicht. Traub nimmt einen wachsenden Judenhass in der Gesellschaft war, „der oft unter dem Deckmantel der Israelkritik versteckt wird“. Juden, die offen ihren Glauben auslebten, würden angefeindet und Kinder von Juden in Kindergärten und Schulen aufgrund ihrer Herkunft gemobbt. Während der Zentralrat der Juden und auch die Jüdische Gemeinde in Bonn ihren Mitgliedern längst vom Tragen der Kippa abraten, weil sie es für gefährlich erachten, könnten Traubs Söhne in Israel ihre religiöse Kopfbedeckung ohne Gefahr tragen. „In einem Land, in dem 20 Prozent der Bevölkerung Muslime sind“, erklärt Traub.

Sie sei dankbar dafür, dass der Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan nach dem Angriff auf den Professor den „Tag der Kippa“ vorverlegt habe. „Es tut gut, dass so viele Bürger diesem Aufruf gefolgt sind.“ Mehr als tausend Menschen sind zur Nachmittagsstunde auf den Marktplatz gekommen. Jung und Alt, Muslime mit Kopftuch sind ebenfalls darunter. Viele tragen Kippa, die religiöse Kopfbedeckung der Juden, um ihre Solidarität zu zeigen. Hossein Purkhassalian gehört dazu, der sagt: „Als Muslim ist es mir ein großes Anliegen, meine Solidarität mit den Juden zu zeigen.“ Anne Knab ist aus dem gleichen Grund gekommen: „Wenn Menschen angefeindet werden, weil sie einer bestimmten Gruppe angehören, ist das ein Grund für mich, auf die Straße zu gehen“, sagt sie.

Traub beschränkt sich auf der Rathaustreppe nicht nur auf den grassierenden Antisemitismus. Es geht ihr ganz grundsätzlich um Angriffe gegen Minderheiten. Sie fordert Zivilcourage ein, um für die freie Gesellschaft einzutreten. Die Politik dürfe zu Übergriffen genauso wenig schweigen wie die Gerichte.

Bewegende Worte spricht Bonns Oberbürgermeister, der sich in englischer Sprache an Melamed wendet: „Ich schäme mich für das, was Ihnen in Bonn passiert ist und ich lade Sie ein, ein weiteres Mal nach Bonn zu kommen, damit Sie sehen, wie offen die Menschen dieser Stadt sind.“ Die Stadt hatte vor, Melamed per Skype an der Veranstaltung teilnehmen zu lassen, aber er konnte laut eigener Aussage wegen eines Gesprächs mit dem deutschen Botschafter diese Einladung nicht folgen. Melamed betont die Bedeutung des Aufrufs. Man müsse ein Zeichen setzen „gegen Bigotterie und Rassismus in all seinen Formen – vom Antisemitismus über Islamhass bis hin zu Fremdenhass und Hass von Migranten“.

Der Oberbürgermeister zeigt sich erfreut, dass so viele Bürger dem Aufruf gefolgt sind, der halbe Marktplatz ist gefüllt. „Durch Ihr Erscheinen bringen wir gemeinsam zum Ausdruck, dass wir dem immer unverhohleneren Hass auf unsere jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger entgegentreten“, sagt Sridharan. „Der Kampf gegen Antisemitismus muss in Deutschland zur politischen Kultur gehören. Angesichts des dunkelsten Kapitels deutscher Geschichte darf es keinen Schlussstrich unter die Erinnerungen an die Gräueltaten im Nationalsozialismus geben. Es geht nicht nur um unsere historische Verantwortung, sondern auch um unsere Verantwortung für die Demokratie in Deutschland.“

Der Oberbürgermeister fordert eine „lückenlose Aufklärung“ – sowohl des antisemitischen Angriffs als auch der Polizeiattacke auf den Professor, den die Beamten offenbar für den Täter hielten. Auch Martin Frick vom Klimasekretariat der Vereinten Nationen spricht kurz im Namen der UN: „Die Freiheit des Andersdenkenden ist die Basis aller Zusammenarbeit.“

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