Interview mit NRW-Finanzminister "Das Land muss sich von Aufgaben trennen"

(RP). NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) spricht mit unserer Redaktion über die Folgen des Münsteraner Spruchs.

Das Landesverfassungsgericht hat die Schulden-Pläne der rot-grünen Landesregierung vorerst gestoppt. Was nun, Herr Finanzminister?

Walter-Borjans Die Schlagzeilen, nach denen wir Überweisungen wieder rückabwickeln müssen, sind falsch. Wir sollen allerdings mit dem endgültigen Haushaltsvollzug solange warten, bis das Gericht in der Hauptsache entschieden hat — also in einigen Wochen.

Wieviel Geld aus den neu aufgenommenen Schulden ist schon geflossen?

Walter-Borjans Wir haben bisher für den Nachtragshaushalt keine neuen Kredite aufgenommen. Wir haben aber wie angekündigt 1,3 Milliarden Euro für die Risiken der WestLB zurückgestellt, außerdem 100 Millionen zum Pensionsfonds. 300 Millionen Euro für die Kommunen sind ebenfalls geflossen. Weitere 745 Millionen Euro für Forderungen der Kommunen aus Einheitslasten und Kita-Ausbau fließen erst dann, wenn die Zusagen fällig werden. Das ist vorerst nicht der Fall.

Was heißt das für die WestLB?

Walter-Borjans Die WestLB ist von der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht betroffen. Die Vorsorge im Nachtragshaushalt haben wir für deren Altlasten getroffen: Die maroden Papiere sind ja eigens aus der WestLB ausgegliedert worden. Da tickt allerdings eine Zeitbombe, weil die Vorgängerregierung Garantien übernehmen musste, mit denen Wertverluste gedeckt werden. Schon Schwarz-Gelb hatte dafür Geld zurückgelegt. Wir haben den Betrag lediglich auf das erforderliche Niveau angehoben. Der Vorwurf der Opposition, wir wollten mit diesem Geld einen Sparstrumpf für spätere Wahlversprechen aufbauen, ist deshalb barer Unsinn.

...und wenn das Verfassungsgericht die Schulden in ein paar Wochen endgültig für rechtswidrig erklärt?

Walter-Borjans Auch dann könnten wir den Haushalt 2010 sauber abschließen. Erstens können wir noch nicht abgerufene Gelder aus dem Haushalt 2009 nutzen. Zweitens können wir auf Haushaltsreste beim Kreditrahmen zurückgreifen. Drittens gibt es eine realistische Chance, dass die Steuereinnahmen wegen der sich bessernden Wirtschaftslage steigen — wenn auch nicht in dem Umfang, in dem es die Opposition sich erhofft.

Die CDU hat vorgeschlagen, dass alle Ressorts pauschal 1,5 Prozent der Stellen einsparen sollen. Was halten Sie davon?

Walter-Borjans Solche Quoten sind unsinnig. Sie führen dazu, dass das Land auf dem Rücken der Beschäftigten spart, die dann mehr und länger arbeiten müssten. Die Qualität der Leistung sinkt und gute Leute sind für den öffentlichen Dienst nicht mehr zu begeistern. Es muss einen anderen Weg geben.

Welchen?

Walter-Borjans Gegebenfalls muss sich das Land von bestimmten Aufgaben trennen.

Und dann würde es in bestimmten Bereichen weniger Landesbeschäftigte geben?

Walter-Borjans Sonst gäbe es ja keinen Einspareffekt.

Die Linkspartei will aber keinem Haushalt zustimmen, der Personalabbau vorsieht...

Walter-Borjans Ich schiele bei der Vorlage des Haushaltentwurfs nicht auf die Linkspartei. Das habe ich übrigens auch beim Nachtragshaushalt 2010 nicht getan. Möglicherweise gibt es ja auch Unterstützung von CDU und FDP. Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir eine Mehrheit für den Haushalt 2011 bekommen. Der Haushalt 2011 ist ja nicht — wie der Nachtragshaushalt 2010 — eine Abrechnung mit Schwarz-Gelb, sondern entwickelt Zukunftsperspektiven. Und dafür gibt es bei vielen Punkten Zustimmung bei der Opposition.

Wird der Haushalt des laufenden Jahres verfassungsmäßig sein?

Walter-Borjans Wir werden auch 2011 trotz verbesserter Einnahmen die Krise noch nicht vollends überwunden haben. Wir nehmen die Schuldenbremse ernst. Ich gehe davon aus, dass uns das verfassungskonform gelingt.

Es bleibt dabei, dass die Studiengebühren noch in diesem Jahr abgeschafft werden?

Walter-Borjans Sicher. Das wollen wir ja per Gesetz beschließen. Es gibt aber auch Projekte, die vielleicht nicht sofort, sondern erst im Verlauf der Wahlperiode umgesetzt werden können. Der Koalitionsvertrag gilt ja nicht nur 2010 und 2011, sondern bis 2015.

Antje Höning, Thomas Reisener und Gerhard Voogt führten das Interview.

(RP)
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