Haushaltskrise in NRW Das Grünen-Dilemma

Rasche Neuwahlen wären für die in Umfragen starken Grünen attraktiv. Doch die Grünen folgen SPD-Ministerpräsidentin Kraft und warten ab. Erst im Sommer soll der Schritt vollzogen werden.

Pressekonferenz von Kraft und Löhrmann
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In den jüngsten Umfragen für Nordrhein-Westfalen lagen die Grünen bei knapp 20 Prozent. So viel Zustimmung für die Öko-Partei hatte es in der Geschichte des Landes nie gegeben. Eigentlich gute Voraussetzungen für eine Wahl, müsste man meinen.

Doch auch nach der einstweiligen Anordnung der obersten Landesrichter gegen die Schuldenpolitik der rot-grünen Minderheitsregierung sehen die Grünen keinen Grund für Neuwahlen. In einer eilig einberufenen Schaltkonferenz am Dienstagabend waren sich Grünen-Politiker aus Bund und Land einig. "Keine Hektik." Die Anordnung sei "zunächst folgenlos", hieß es. Alle geplanten Ausgaben seien finanziert, die Anordnung betreffe nur die Aufnahme neuer Schulden. Man müsse das endgültige Urteil im März abwarten.

Aus der Bundespartei kommt Zustimmung für diesen Kurs. "Neuwahlen stehen im Moment nicht zur Debatte. Die rot-grüne Koalition in NRW macht eine sehr erfolgreiche Politik, sowohl im Inhalt wie im Stil", sagte Grünen-Chefin Claudia Roth unserer Redaktion. "Die einstweilige Anordnung des Verfassungsgerichts ändert daran nichts." Doch selbst wenn die Richter in Münster — wovon Juristen ausgehen — der Anordnung ein inhaltlich entsprechendes Urteil folgen lassen, also den Nachtragshaushalt als verfassungswidrig einstufen, wollen die Grünen nicht aufs Tempo drücken.

Grüne trauen Umfragen nicht

Dahinter steckt Kalkül. Zunächst könne man ja nacharbeiten, also etwa die Rückstellungen für die WestLB wieder aus dem Nachtragshaushalt rausnehmen und sich so Luft verschaffen. Außerdem wollen die Grünen — ähnlich wie die SPD — nicht aus einer Position der Schwäche heraus Neuwahlen forcieren. "Mit dem Urteil im Rücken gäbe es Imageprobleme", rät ein ranghoher Grünen-Politiker im Bund.

Diskutiert werde daher, dass SPD und Grüne im Frühjahr die Verhandlungen für den neuen, dann strikter auf Konsolidierung ausgerichteten Haushalt 2012 platzen lassen und das Wählervotum anstreben. Mit dem Verweis auf Blockierer in der Linksfraktion könnte Rot-Grün die Rolle der staatspolitisch Verantwortlichen übernehmen, heißt es.

Noch ein anderes Argument spielt eine Rolle. Die Grünen trauen ihren eigenen Umfragen nicht. Man müsse doch erstmal abwarten, ob aus den tollen Umfragewerten in den Ländern auch gute Ergebnisse werden, sagt ein Grünen-Bundestagsabgeordneter. Etwa bei den Landtagswahlen in Hamburg im Februar oder im März in Rheinland-Pfalz.

Die Bundes-SPD stellte sich gestern ebenfalls hinter den Kurs von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Axel Schäfer, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion und Mitglied im NRW-Vorstand, sagte: "Wir machen keine taktischen Spielchen, indem wir Neuwahlen herbeiführen, weil gerade die Umfragewerte gut sind. Wir machen unsere Arbeit." Ein Vertrauter von Kraft fasste die Linie gestern salopp zusammen. "Mund abputzen. Weitermachen."

(RP)
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