Wegen Sommerwelle Laumann fordert mehr Corona-Kompetenzen für die Länder
Düsseldorf · Den NRW-Gesundheitsminister ärgert, dass es derzeit noch keine Klarheit darüber gibt, wie es mit den Bürgertestungen weiterläuft. Rückendeckung erhält er dafür vom Handelsverband.
Während die Zahl der Corona-Infizierten Tag für Tag weiter steigt und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bereits davon spricht, die Sommerwelle sei Realität geworden, wächst der Druck aus den Ländern auf den Bund, wieder mehr Instrumente im Kampf gegen die Pandemie an die Hand zu bekommen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) sagte unserer Redaktion, der Bund müsse schnellstmöglich seine Hausaufgaben machen: „Da, wo wir es als Bundesländer können und rechtlich dürfen, bereiten wir uns schon jetzt gemeinsam mit Kommunen, Apotheken, Ärzten, Krankenhäusern oder Kassenärztlichen Vereinigungen auf den Herbst vor. Das Infektionsschutzgesetz lässt den Ländern aber aktuell nur wenig Spielräume.“ Die Länder benötigten hier dringend wieder bessere gesetzliche Möglichkeiten, um mögliche Schutzmaßnahmen schnell, flexibel und rechtssicher anordnen zu können. „Ich erwarte zudem, dass der Bund auch in Zukunft ein bürgernahes Testsystem ermöglicht, insbesondere für Menschen mit Symptomen und zum Schutz vulnerabler Gruppen. Wir haben Mitte Juni und das aktuelle Testregime läuft zum Ende des Monats aus, ohne dass die Bürgerinnen und Bürger, aber auch nicht die Länder Klarheit haben.“
Rückendeckung gab es dafür vom Handelsverband Nordrhein-Westfalen. Dessen Hauptgeschäftsführer Peter Achten sagte unserer Redaktion: „Von dem Auslaufen der Bürgertests halte ich gar nichts. Ich erwarte von der Politik, dass sie diese kostenfreie Möglichkeit der Testung über den Stichtag Ende Juni hinaus verlängert. Es ist wichtig, dass wir auch weiterhin ein adäquates Bild der Lage bekommen.“ Zugleich forderte Achten bei Verschärfungen von Corona-Maßnahmen angesichts einer heranziehenden Sommerwelle jedoch zu Augenmaß. „Man ist ja gerade dabei zu evaluieren, welche Maßnahmen tatsächlich einen Mehrwert in der Pandemie hatten. Sich nun wieder reflexhaft auf den Handel zu stürzen, hielte ich für falsch.“ Der Handel sei sicher und sei nie der Infektionsherd gewesen. „Bei uns sind die Verweildauern viel zu kurz und die Abstände lassen sich problemlos einhalten, als dass man nun wieder über eine Maskenpflicht in Innenräumen und dergleichen nachdenken müsste. Zumal vielen Kunden freiwillig die Maske tragen und viele unserer Mitglieder sie dazu ausdrücklich ermutigen.“
Ähnlich äußerte sich ein Sprecher des Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga NRW: „Aus unserer Sicht gibt es keinen Grund, über neue Beschränkungen nachzudenken. Allerdings war und ist fester Bestandteil unserer politischen Forderungen geworden, die jetzt schon möglichen Maßnahmen zu ergreifen, um besser als in der Vergangenheit auf neue Schübe vorbereitet zu sein.“ Dazu gehöre in erster Linie, die Impf- und Informationskampagne mit Verve nach vorne zu bringen. „Die Politik ist in der Pflicht zu handeln, damit es zu einem späteren Zeitpunkt nicht wieder zu empfindlichen Beschränkungen kommt - versehen mit dem Hinweis: ,Wir haben es nicht kommen sehen‘“, so der Sprecher.
In diesem Zusammenhang fordert auch Minister Laumann eine klare Ansage der Ständigen Impfkommission, wie es mit Blick auf eine weitere Coronawelle mit den Schutzimpfungen weitergehen soll. „Wenn heute der Bundesgesundheitsminister per Twitter ganz grundsätzlich eine vierte Impfung empfiehlt, muss auch die Stiko deutlich machen, für wen sie das empfiehlt.“
Kritik an Lauterbach kam auch von FDP-Fraktionschef Henning Höne: „Statt Fallzahlen zu zitieren ist der Bundesgesundheitsminister gerade bei der Evaluation der Schutzmaßnahmen gefragt.“ Vereinbart sei, dass die Analyse der Maßnahmen bis zum Ende des Monats vorliege. „Wir müssen wissen, welche Maßnahmen wirksam schützen und welche Maßnahmen nur Scheinsicherheit bieten. Dafür braucht es eine wissenschaftlich fundierte Basis.“ Vorausschauend solle die Impfinfrastruktur in den Kommunen im Blick gehalten werden, damit sie bei Bedarf schnell verfügbar sei, so Höbe.
Die SPD erneuerte ihre Forderungen, das Land müsse sich beim Bund dafür einsetzen, Schulen und Kitas zur kritischen Infrastruktur zu erklären, damit diese Notfallpläne für die Zeit nach den Ferien aufstellen könnten. SPD-Fraktionsvize Jochen Ott kündigte ein, ins nächste Plenum einen entsprechenden Antrag einbringen zu wollen. Man müsse sicherstellen, dass in allen Schulen die digitale Infrastruktur stehe, von Waschbecken über Masken, Tests bis hin zu Luftfiltern die nötige Ausstattung vorhanden sei und auch außerschulische Lernorte mit einbezogen würden, an denen die Schüler zu Not in kleineren Gruppen unterrichtet werden könnten.
Die Chefin der Lehrergewerkschaft GEW, Ayla Çelik, schloss sich der Forderung an und forderte zeitnah Maßnahmen, um sichere Bildung in Präsenz zu gewährleisten. „Dazu gehört jeden Klassenraum und jede Kita in NRW mit Luftfiltern auszustatten. Es müssen Konzepte vorliegen, um räumliche Entzerrung zu schaffen. Masken und Tests sollten in ausreichendem Umfang frühzeitig zur Verfügung stehen.“ Andererseits brauche es ein Rahmenkonzept für die Schulen, die das Handeln bei steigenden Infektionszahlen regeln. „Schulen brauchen die Möglichkeit, sicher und flexibel auf die Situation vor Ort zu reagieren.“