Verordnung auf dem Weg Lockerungen für Geimpfte sollen diese Woche bundesweit kommen

Düsseldorf · Spätestens in der kommenden Woche sollen die Kontaktbeschränkungen und Ausgangssperren für vollständig Geimpfte und Genesene fallen. Die Gastronomie in Nordrhein-Westfalen fordert bereits ein Öffnungskonzept.

 Eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca.

Eine Spritze mit dem Corona-Impfstoff von Astrazeneca.

Foto: dpa/Matthias Bein

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat eine rasche Lockerung für vollständig Geimpfte angekündigt. Noch diese, spätestens aber kommende Woche solle eine entsprechende Verordnung von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden, sagte der Minister nach der Sitzung des Corona-Kabinetts. Demnach soll es eine Gleichstellung von vollständig Geimpften mit tagesaktuell Getesteten und Genesenen geben, wodurch auch Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen weitgehend entfallen sollen. Das sei verfassungsrechtlich geboten, sagte Spahn.

„Es ist aus rechtlicher Sicht kein Automatismus, die Grundrechtseinschränkungen für Geimpfte aufzuheben – es ist auch eine politische Entscheidung“, sagte dagegen Martin Morlok, emeritierter Professor für Öffentliches Recht in Düsseldorf. Die Politik habe hier einen gewissen Einschätzungsspielraum, weil noch immer Unsicherheit darüber bestehe, ob von Geimpften tatsächlich kein Risiko für den allgemeinen Gesundheitsschutz mehr ausgehe. „Schätzen Politiker das Ansteckungsrisiko durch Geimpfte als sehr gering ein, müssen sie die Einschränkungen für Geimpfte aufheben. Schätzten sie das Ansteckungsrisiko nachvollziehbar höher ein, wäre es ebenso gerechtfertigt, an den Grundrechtseinschränkungen festzuhalten“, so Morlok.

Bislang gibt es nur wenige belastbare Studien darüber, ob Geimpfte und Genesene ihre Mitmenschen noch anstecken können. Eine Studie der Uni Oxford kommt zu dem Ergebnis, dass Geimpfte eine Infektion durchaus weitergeben können, wenn auch in beschränktem Maße. Das Robert-Koch-Institut (RKI) schätzt das Ansteckungsrisiko nach der zweiten Dosis von Biontech/Pfizer um bis zu 90 Prozent niedriger ein, schränkt aber ein: Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person trotz vollständiger Impfung infiziere und ein PCR-Test positiv ausfalle, sei „niedrig, aber nicht null“. Das RKI beruft sich dabei auf Zahlen aus Israel. Und auch bei Genesenen ist bisher nicht wissenschaftlich belegt, wie lange sie tatsächlich immun sind und das Virus nicht weitergeben können.

Sollte die Politik dennoch für diese Gruppen Lockerungen beschließen, müsse es Abwägungen auch bei anderen Grundrechten geben, sagte Morlok: „Auch bei den Grundrechten auf freie Berufsausübung und auf Bildung muss dann abgewogen werden, ob Einschränkungen aufgrund des Gesundheitsschutzes weiterhin vertretbar sind.“ Dabei stelle sich jedes Mal die Frage: „Welche Gefahren für den Gesundheitsschutz sind damit verbunden, wenn etwa die Gastronomie oder die Schulen wieder öffnen?“ Ein geimpfter Gastwirt mit geimpftem Personal werde dann auch geimpfte Gäste wieder empfangen dürfen.

Die Gastronomen nutzten die Diskussion, um auf ihre Lage hinzuweisen: „Wir fordern zuallererst eine klare und verlässliche Öffnungsperspektive für das gesamte Gastgewerbe“, sagte der Co-Vorsitzende des Branchenverbands Dehoga NRW, Haakon Herbst. Es gehe um die Rahmenbedingungen für den verlässlichen Restart – für die Außen- wie die Innengastronomie und für private Übernachtungen in Hotels und Pensionen. „Dazu gehört eine ausreichende Vorlaufzeit, aber auch die Unabhängigkeit von reinen Inzidenz­werten, damit wir langfristig geöffnet bleiben können“, so Herbst. „Für uns ist selbstverständlich, dass mit der Öffnung Geimpfte, Genesene und Getestete gleich behandelt werden müssen und damit gleichermaßen Zutritt zu Restaurants, Kneipen, Hotels und Clubs bekommen.“

Durch Tests und Impfungen, aber auch durch die digitale Nachverfolgung verbessere sich die Lage noch einmal deutlich, sagte der Dehoga-­Co-Vorsitzende und wies darauf hin, dass die Betriebe mit Modellprojekten zeigen wollten, dass sie Teil der Lösung bei der Pandemiebewältigung seien. Herbst forderte für die Zeit der Schließungen und des nur eingeschränkten Betriebs vom Staat „bedingungslose Entschädigungen“. Gerade in der jetzigen Phase müsse die Politik ihr Versprechen vom März 2020 einhalten, keinen Betrieb hängenzulasssen, der unverschuldet in die Pandemie hineingeraten sei.

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