Fleischbetrieb aus NRW Corona-Sonderregeln für Tönnies – Gesundheitsministerium erklärt sich

Kreis Gütersloh · Speziell für den Schlachtbetrieb Tönnies wurden im Kreis Gütersloh offenbar geltende Corona-Regeln gelockert. Das sorgt für Empörung. Das NRW-Gesundheitsministerium findet das Vorgehen in Ordnung.

 Das Firmengelände vom Fleischwerk Tönnies in Rheda-Wiedenbrück im Frühjahr 2020.

Das Firmengelände vom Fleischwerk Tönnies in Rheda-Wiedenbrück im Frühjahr 2020.

Foto: dpa/David Inderlied

Corona-positiv getestete Mitarbeiter des Schlachtbetriebs Tönnies durften schon ein paar Tage nach der Diagnose wieder zur Arbeit – mit Segen und Hilfe des Gesundheitsamtes im Kreis Gütersloh. Ein Bericht des WDR über die Vorgänge in den ersten beiden Januar-Wochen hat für Empörung gesorgt.

Allgemein gilt, dass man sich nach einem positiven PCR-Test frühestens nach sieben Tagen wieder „freitesten“ kann.  Dem Bericht zufolge ging’s bei Tönnies-Mitarbeitern aber schneller: Waren infizierte Personen symptomfrei und geimpft, so wurde bereits nach 48 Stunden ein neuer PCR-Test gemacht. Fiel dieser negativ aus oder zeigte er eine geringe Viruslast, beendete das Gesundheitsamt die Isolation, und die Mitarbeiter durften wieder raus zur Arbeit.

Das Landesgesundheitsministerium war über das Verfahren informiert und wehrt sich gegen Vorwürfe: Man betrachte das Vorgehen nicht als bedenklich. Und zwar wegen der besonders strengen Regelungen für die Fleischindustrie in Nordrhein-Westfalen. Seit dem 1. Januar werden auch geimpfte und genesene Beschäftigte in der Branche wöchentlich getestet.

Vorschrieben sind mindestens Schnelltests, Tönnies habe sich zum Jahresanfang für die sichereren PCR-Tests entschieden. Dadurch seien anfangs auch Personen aufgefallen, die die Corona-Infektion schon überstanden hatten. Ihre Untersuchungen zeigten dann eine geringe Viruslast. „Solche Werte können sowohl auf eine beginnende wie auch eine abklingende oder bereits überwundene Infektion hinweisen“, erläutert das Ministerium. „Da die geimpften und genesenen Mitarbeiter vor dem Jahreswechsel nicht getestet wurden, konnten kurzfristige PCR-Nachtestungen dazu dienen, diese Frage zu klären.“ Wurde die Viruslast größer, wäre eine Isolation anzuordnen gewesen, wurde sie geringer, war das nicht nötig.

Für die schnellen Tests sollen laut dem WDR allerdings eigens mobile Teams zu den Betroffenen herausgefahren sein, und beim Kreis Gütersloh soll es immer Mitarbeiter gegeben haben, die speziell für die Tönnies-Fälle da waren.  Und das, obwohl Labore und Gesundheitsämter zur besagten Zeit im Januar als massiv überlastet galten.

Das Arrangement im Landkreis sorgt in der Politik für Ärger und Unverständnis. „Es kann nicht sein, dass im Kreis Gütersloh nach wie vor gerade beim Thema Corona die Firma Tönnies eine Extrawurst erhält“, sagt Josef Neumann, sozialpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag von Nordrhein-Westfalen. Speziell bei Tönnies arbeiteten viele Menschen aus Ländern, in denen bei Corona-Vorkehrungen nicht die gleichen Standards gelten wie in Deutschland. Wenn nun ausgerechnet für eine Firma mit einer solchen Mitarbeiterstruktur Sonderregelungen eingeführt würden, dann werde „die Gesamtstrategie, die wir für die wir für die Gesundheitsvorsorge tragen, an diesem Beispiel infrage gestellt“. Das sei ein „Schlag ins Gesicht“ für diejenigen, die sich um Gesundheitsschutz bemühten.

„Das Vorgehen des Kreises Gütersloh und die mindestens stillschweigende Duldung durch die Landesregierung machen sprachlos“, hieß es von Mehrdad Mostofizadeh, dem gesundheits- und arbeitspolitischen Sprecher der Grünen. „Wieder einmal besteht der Verdacht, dass die Landesregierung bei Tönnies nicht ganz so genau hinschaut und anscheinend weiterhin ein besonderes Kooperationsprinzip gilt, das dem Unternehmen mehr erlaubt als anderen Betrieben.“

Das Unternehmen Tönnies wollte sich auf Anfrage nicht zur Sache Äußern und verwies auf die Zuständigkeit der Behörden. Im Frühsommer des Jahres 2020 hatte es bei Tönnies einen großen Corona-Ausbruch in der Belegschaft gegeben.

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