Campfire-Festival 2022 Bald für 29 Euro quer durch NRW?

Düsseldorf · Beim Campfire-Festival in Düsseldorf stellten sich viele Landesminister den Fragen von Bürgern: Oliver Krischer fordert ein neues Ticket bis Weihnachten, Ina Scharrenbach ein zentrales Melderegister. Und Mona Neubaur sagt, was aus der Atomkraft wird.

 Streitgespräch auf der Hauptbühne mit NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, ADAC-Verkehrsexperte Roman Suthold und VRR-Vorstand José Luis Castrillo. Links RP-Ressortchefin Antje Höning.

Streitgespräch auf der Hauptbühne mit NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer, ADAC-Verkehrsexperte Roman Suthold und VRR-Vorstand José Luis Castrillo. Links RP-Ressortchefin Antje Höning.

Foto: Hans-Juergen Bauer (hjba)

Für NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer ist die Sache klar: Noch vor Weihnachten müsse es eine Anschlusslösung für das Neun-Euro-Ticket geben, sagte der Grünen-Politiker am Samstag beim Campfire-Festival in Düsseldorf. Und skizzierte auch, wie diese aussehen könnte: „Es gibt genügend gute Vorschläge. Wir Grünen fordern das Zwei-Stufen-Modell: 29 Euro für das eigene Bundesland und 49 Euro für ganz Deutschland.“ Wer das bezahlen soll? „Bei der Finanzierung liegt die Verantwortung beim Bund“, sagte Krischer. „Wenn der Bund sich nicht einigt, müssen wir auf Länderebene schauen, was geht.“ Dann stelle sich aber die Frage, wie NRW das stemmen könne, im Landeshaushalt gebe es diese Mittel nicht.

Krischer diskutierte mit dem ADAC-Verkehrsexperten Roman Suthold und VRR-Vorstand José Luis Castrillo den Verkehrskollaps in NRW. Auf die Frage, ob der Nahverkehr für den neuen Andrang überhaupt ausgelegt sei, sagte Castrillo: „Wir wollen als Verbünde die Angebote deutlich erweitern, aber dafür braucht es Zeit. Wir wollen die Schiene robuster machen, das ist aktuell ein Graus.“ Moderiert wurde das Gespräch von RP-Wirtschaftschefin Antje Höning. Es war eins von vielen Podien, in denen den Samstag über auf der Wiese vor dem Landtag diskutiert wurde.

Johannes Werle, Vorsitzender der Geschäftsführung der Rheinische Post Mediengruppe, und David Schraven, Gründer des Recherche-Büros Correctiv, hatten das gemeinsame Festival eröffnet, das einen Austausch zwischen Bürgern, Politik und Journalisten ermöglicht. „Wie funktioniert Demokratie in einer digitalen Gesellschaft? Das ist eine entscheidende Frage für Medien und Bürger“, sagte Werle.

NRW-Medienminister Nathanel Liminski (CDU) beschrieb den Sinn des Festivals so: „Guter Journalismus braucht Nähe. Wir brauchen ein Lagerfeuer, an dem wir gesellschaftliche Fragen diskutieren können.“ Klare Worte fand er für die Krise beim ARD-Sender RBB: „Wir dürfen nicht zulassen, dass dies Wasser auf die Mühlen derer wird, die die Öffentlich-Rechtlichen schon immer abschaffen wollten.“ Die Sender dürften aber auch nicht in eine Wagenburg-Mentalität verfallen, mahnte Liminski. Er bekräftigte: Das Land sei die Heimat starker Medienhäuser, auch der öffentlich-rechtlichen. „NRW will ein starker Medien-Standort bleiben.“

Auch NRW-Wirtschaftsministerin Mona Neubaur war auf dem Festival zu Gast. Sie forderte Nachbesserungen bei der Gasumlage: „Bei der Gerechtigkeit ist sie nicht ausgestaltet“, sagte die Grünen-Politikerin. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeite mit Hochdruck daran, die Umlage nachzubessern. Aktuell können auch hochprofitable Unternehmen die Hilfe erhalten. Die Umlage an sich sei aber kein Fehler, alternative Steuererhöhungen schließe der Ampel-Koalitionsvertrag aus. Neubaur zeigte sich auch offen dafür, die letzten Atommeiler in Deutschland notfalls etwas länger laufen zu lassen: „Wenn es nötig ist, muss man den Streckbetrieb ermöglichen.“ Eigentlich sollen die Meiler zum Jahresende abgeschaltet werden, nun prüft der Bund eine Verlängerung. Neubaur machte aber auch sehr klar, dass es eine Renaissance der Hochrisiko-Technologie Atomkraft nicht geben dürfe.

Die Digital- und Heimatministerin des Landes, Ina Scharrenbach (CDU), nutzte das Festival, um ihre Pläne für mehr Tempo auf der Datenautobahn zu skizzieren. Für sie ist das größte Manko die ineffiziente Datennutzung in deutschen Behörden und ein fehlendes zentrales Datenregister: „Es gibt Tausende von Einwohnermeldeämtern, die einzige bundesweite Register ist die Verkehrssünderkartei“, sagte die CDU-Politikerin im Gespräch mit RP-Chefredakteur Moritz Döbler. Scharrenbach forderte: „Der Staat soll Big Data nutzen dürfen, sonst kommen wir nicht weiter. Es wird da nicht im Sinne der Bürger gedacht. Ein zentrales Einwohnermeldeamt wäre auf lange Sicht der beste Weg.“ Denn nur so könne man Sozialleistungen effizient abwickeln, was dann Bürgern und Verwaltungen helfe. „Digitalisierung hat keinen Nutzen im analogen Bürgeramt. Man muss jeden Ausweis oder jede Datenänderung einzeln beantragen, da die Daten aus Datenschutzgründen nicht einfach wiederverwendet werden können.“ Hier wünscht sich die Ministerin: „Man sollte selbst einen Haken setzen dürfen, dass die Daten verwendet werden dürfen.“

Auf weiteren Veranstaltungen diskutierten Journalisten aller Gattungen über neue Formen des Sport—und Lokal-Journalismus, über Chancen und Risiken der Sozialen Medien, über innovative Ansätze der Recherche. Die Energiekrise und der Krieg in der Ukraine, bei der Erstauflage des Festivals vor zwei Jahren noch in weiter Ferne, waren dabei stets mit ein Thema.

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