Explodierende Baukosten Baukrise verschärft Notlage in den Innenstädten

Exklusiv | Düsseldorf · Der Stopp von Projekten bedroht auch die dringend notwendige Wiederbelebung vieler Stadtzentren. Handelsexperten, Immobilienwirtschaft und die Baubranche schlagen Alarm, die Landesregierung gibt sich betont gelassen.

Der Kampf gegen Leerstände wird mit der Baukrise deutlich erschwert.

Der Kampf gegen Leerstände wird mit der Baukrise deutlich erschwert.

Foto: Bauch, Jana (jaba)

Aufgeschobene Bauprojekte in den Innenstädten befeuern die Sorge, dass das Aussterben der Zentren durch die aktuelle Krise weiter an Fahrt gewinnen könnte. Der Handelsexperte Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein sagte unserer Redaktion: „Unter diesen Umständen beschleunigt sich die Verödung der Innenstädte. Dabei gibt es eine riesige Notwendigkeit, diese Probleme anzugehen. In den Zentren sind auch jetzt noch 20 Prozent weniger Besucher als vor dem Beginn der Corona-Pandemie. Da muss man dringend was tun.“

Zugleich kritisierte Heinemann eine in seinen Augen „tödliche Überregulierung in Deutschland“. Er erklärt: „Wenn ein Bauantrag für ein Standardhaus schon ein Jahr dauert, sagt das alles.“ Wo zudem fehlendes Fachpersonal ein Grund für die verzögerte Umsetzung von Projekten sei, müsse die Politik dringend mehr Zuzug von Arbeitskräften aus dem Ausland ermöglichen, so der Handelsexperte. 

Tatsächlich sieht auch der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Bauverbände NRW, Heinz Rittmann, genau dort ein zentrales Problem. Fehlende Ansprechpartner hätten die Gewinnung ausländischer Fachkräfte für den Bau verhindert. „Bei der Frage nach Visa-Genehmigungen zur Gewinnung ausländischer Fachkräfte wurde die Pandemie immer wieder vorgeschoben – das hat die derzeitigen Probleme im Übrigen deutlich verschärft.“

In der Pandemie, in der unter anderem der innerstädtische Handel in zwei Lockdowns stark leiden musste, hatte die Landesregierung ein Sofortprogramm über 70 Millionen Euro für die Revitalisierung der Innenstädte aufgelegt, in denen Wohnen, Arbeiten, Verkehr und Erholung eng miteinander verzahnt werden sollten. Im Januar dieses Jahres war die Summe noch einmal um 25 Millionen Euro aufgestockt worden. „Bei diesem Sofortprogramm dürfen wir jetzt keine Pause machen“, fordert der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands NRW, Peter Achten. Man müsse alle Anstrengungen aufrechterhalten, um die Attraktivität der Innenstädte und die Aufenthaltsqualität für die Menschen zu verbessern, so Achten. Auch Oliver Wittke, Hauptgeschäftsführer des Zentralen Immobilien Ausschusses, warnte vor einer weiteren Verödung der Innenstädte: „Da besteht dringend Handlungsbedarf.“

Wittke forderte ebenfalls „vereinfachte, beschleunigte Verfahren“ für Bauprojekte in den Zentren: „Wir müssen auch über das Problem der Befristung von Baugenehmigungen nachdenken. Dass ein Projekt aufgeschoben wird, darf nicht dazu führen, dass es am Ende aufgehoben wird.“ Die Innenstädte bräuchten einen stärkeren Nutzungsmix als bisher.

Die nordrhein-westfälische Bauministerin Ina Scharrenbach (CDU) warnte dagegen mit Blick auf die Zurückhaltung der Städte und Gemeinden in NRW bei so manchem Transformationsgroßprojekt vor einer Überdramatisierung. „Ich halte nichts davon, den Teufel an die Wand zu malen. Die vielen Herausforderungen zwingen die Kommunen derzeit zum Teil dazu, auf Sicht zu fahren und auch das eine oder andere Projekt zurückzustellen, weil Prioritäten sich verschieben“, sagte die CDU-Politikerin. „Eine flächendeckende Gefährdung von Großprojekten sehe ich derzeit aber nicht.“

Doch selbst wenn Investoren Projekte durchführen wollten, hapert es aus Sicht der Baubranche bei der Umsetzung. So sagt Bauverbandsvize Heinz Rittmann: „Es gibt bei den Kommunen auch keine Reservepläne in den Schubladen für den Fall, dass die Konjunktur wieder anspringt, weil die Behörden personell total ausgefranst sind.“ Die Mitgliedsbetriebe, so Rittmann, beschwerten sich regelmäßig darüber, dass kompetente Gesprächspartner auf Auftraggeberseite fehlten. „Sie geraten dann an Verwaltungsbedienstete, die nicht im Thema sind und deshalb aus Vorsicht Entscheidungen auf die lange Bank schieben. Auch das führt zu erheblichen Problemen.“

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