Verbindungen nach NRW werden geprüft Reichsbürger-Netzwerke sind „wie eine Krake“

Düsseldorf · NRW-Politiker fordern strengere Sicherheitsüberprüfungen für Personen im Staatsdienst und mehr Überwachungsinstrumente. Außerdem wollen sie Klarheit darüber, ob mutmaßliche Terroristen versucht haben, bei der hiesigen Polizei Mittäter zu rekrutieren.

Reichsbürger-Gruppe plante den Staatsumsturz
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Foto: dpa/Boris Roessler

Mit wachsender Sorge blickt NRW auf mögliche Vernetzungen von Reichsbürgern und ihren Sympathisanten auch hierzulande. Gerade, weil die nun in einer bundesweiten Razzia zerschlagene Reichsbürger-Gruppierung Zugang zu Waffen hatte, sagte der stellvertretende Fraktionschef der CDU im Düsseldorfer Landtag, Gregor Golland. Wobei er hinzufügte: „Auch, wenn man natürlich sagen muss: Dass die ernsthaft glauben, sie könnten mit zwei Dutzend Leuten unseren Staat stürzen, zeigt, dass sie nicht alle Latten am Zaun haben.“

Allerdings waren die Akteure offenbar davon überzeugt, deutlich größeren Rückhalt in der Bevölkerung zu haben. Zwar habe es bei der Razzia in diesem Fall keinen Schwerpunkt in NRW gegeben. „Das bedeutet aber nicht, dass nicht von einzelnen Nestern noch etwas ausgehen kann“, warnte die Demokratieforscherin Susanne Pickel, Professorin für Politikwissenschaft an der Uni Duisburg-Essen. Die grundlegenden Strukturen der Szene seien überall die gleichen, auch in NRW. Es gebe bei den Gruppen einen harten Kern, dem sich unterschiedliche Unterstützer anschlössen: „Da sind Querdenker, Esoteriker, Verschwörungsgläubige und Rechtsextreme“, beschrieb Pickel. „Das ist wie eine Krake, die in verschiedene Richtung ausgreift.“ Geeint würden die Akteure unter anderem durch Staats- und Demokratiefeindlichkeit.

Die Forscherin rät zu einer besseren Überprüfung von Landesbeamten: „Wir müssen uns als Land rückversichern, dass unsere Staatsdiener auch Staatsdiener sind. Das macht man im linksextremen Spektrum ja auch. Man darf nicht länger auf dem rechten Auge halb blind sein.“ Außerdem gelte es, bei Anzeichen wachsender Gewaltbereitschaft alarmiert zu sein. „Diese Reichsbürgerbewegung ist dabei, sich zu bewaffnen und Leute an der Waffe auszubilden. Das ist in nahezu allen Gruppen der Fall.“

Am kommenden Donnerstag steht das Thema ganz oben auf der Tagesordnung im Innenausschuss des Landtags. Die Abgeordneten erwarten einen Bericht der Landesregierung zum Sachstand der Nachforschungen. Für die FDP ist es dabei eine Kernfrage, wie die Reichsbürger-Truppe Mitstreiter zu gewinnen hoffte. „Welche Beziehungen gab es zu der Polizeibeamtin aus NRW, die jetzt suspendiert worden ist? Inwieweit hat diese Gruppierung versucht, innerhalb der nordrhein-westfälischen Sicherheitsbehörden Verknüptungen herzustellen und Leute zu rekrutieren?“, fragt der innenpolitische Sprecher der Liberalen, Marc Lürbke. „Auf welchen Kanälen geschieht das, und wie resilient sind unsere Behörden dagegen?“

Bei der Sitzung wird es zudem um konkrete Schutzmaßnahmen gehen. Die innenpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Christina Kampmann, fordert neben verbesserten Sicherheitsüberprüfungen für Personen im Staatsdienst eine Verschärfung des Disziplinarrechts, „damit Reichsbürger umgehend aus dem Staatsdienst entfernt werden“, so Kampmann. „Die im Zuge der Razzia bekannt gewordenen Umsturzpläne offenbaren das Bedrohungs- und Gewaltpotenzial der Reichsbürgerszene auch in NRW.“

Bei der CDU hielte man weitere umfassende Maßnahmen für sinnvoll. „Wir brauchen mehr Überwachung von Messenger-Kommunikation, Telefongesprächen und Verkehrsdatenspeicherung, um Netzwerke nachvollziehen zu können“, sagt Gregor Golland. Die Christdemokraten dürften allerdings Schwierigkeiten haben, für all das ihren Koalitionspartner, die Grünen, zu gewinnen. Dort sieht man Ausweitungen von Überwachung tendenziell kritisch.

„Ob und welche zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen erforderlich sind, hängt auch davon ab, welche Ziele dieses rechtsterroristische Netzwerk verfolgte, welche Rolle die Akteure aus NRW gespielt haben und ob weitere Personen aus Sicherheitsbehörden in NRW angeworben werden konnten“, befindet nun auch die innenpolitische Sprecherin Julia Höller.

Der nordrhein-westfälische Landtag selbst hat erst im Frühjahr seine Sicherheitsvorkehrungen verschärft, um sich gegen Extremisten in der eigenen Belegschaft zu schützen. Seit Beginn der Wahlperiode müssen alle Beschäftigten von Abgeordneten und Fraktionen ein polizeiliches Führungszeugnis vorlegen. Der Landtag hatte dafür eigens das Gesetz geändert.

 Bei einer Demonstration von Reichsbürgern trägt ein Mann seine Einstellung offen zur Schau. Dass sich Sympathisanten dieser Gedankenwelt im Beamtenapparat verstecken könnten ist eine große Sorge in NRW.

Bei einer Demonstration von Reichsbürgern trägt ein Mann seine Einstellung offen zur Schau. Dass sich Sympathisanten dieser Gedankenwelt im Beamtenapparat verstecken könnten ist eine große Sorge in NRW.

Foto: dpa/Christophe Gateau

Der Schritt war unter anderem eine Reaktion auf die Vorgänge vorm und im Berliner Reichstag im Jahr 2020. In jenem Sommer hatten Querdenker zum „Sturm“ auf das Gebäude aufgerufen. Im Herbst darauf gelangten Aktivisten als Gäste der AfD in den Reichstag. Bundesweite Empörung gab es über eine daraus entstandene Situation, in der Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bedrängt wurde.

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