Interview mit Armin Laschet "Ich weiche keinem Konflikt mit der Kanzlerin aus"

Düsseldorf · Der vermutlich neue Ministerpräsident von NRW, Armin Laschet, spricht im Interview mit unserer Redaktion über politische Ziele, den Umgang mit Kritikern und seinen persönlichen Führungsstil.

 Armin Laschet im Gespräch mit unserer Redaktion.

Armin Laschet im Gespräch mit unserer Redaktion.

Foto: Krebs, Andreas

Herr Laschet, vor einem halben Jahr haben nicht viele auf Ihren Sieg gesetzt. Nun haben Sie wahrscheinlich viele Freunde, richtig?

Laschet Vor der Wahl und nach der Wahl habe ich viele gute und liebe Freunde, auch außerhalb der Politik.

Ab wann haben Sie gedacht, dass es klappen könnte?

Laschet Wir waren immer überzeugt, dass unsere Themen Innere Sicherheit, Bildung und Wirtschaft richtig sind und wir konsequent daran festhalten müssen. Nicht hektisch die Strategie ändern, sondern Kurs halten, auch das ist die Lehre dieser Wahl. In Umfragen lagen CDU und SPD über viele Jahre gleich auf. Dann kam im Januar der sogenannte Schulz-Effekt, bei dem ich mich immer gefragt habe: Gibt es den wirklich oder ist das nur eine Selbstberauschung von Funktionären auf SPD-Parteitagen? Nach der Saarland-Wahl gab es dann auch einen Motivationsschub im Wahlkampf für die CDU.

Sie haben im neuen Landtag trotzdem nur eine Stimme Mehrheit und können sich keine Abweichler leisten. Wie binden Sie Ihre Kritiker ein?

Laschet So, wie bisher auch: durch Zusammenführen und Integrieren. So eine dünne Mehrheit stärkt auch das Bewusstsein, dass es wirklich auf jeden ankommt, damit es in diesem Land vorangeht. Diesen Wunsch und Auftrag der Wähler wollen jetzt alle erfüllen.

Werden Sie Ihre Kritiker einbinden und in Ämter bringen?

Laschet Wer ist das denn? Die tauchen ja nie namentlich auf.

Also haben Sie keine Kritiker mehr in der Fraktion?

Laschet Wenn ich immer alle, die irgendwann einmal etwas kritisiert haben, in die Ecke stellen würde, könnte ich nicht erfolgreich einen starken und vielfältigen Landesverband wie die CDU Nordrhein-Westfalen führen. Außerdem gehören Diskussionen in einer Volkspartei dazu.

Haben Sie manchmal auch Angst vor der neuen Aufgabe?

Laschet Nein, aber Respekt vor der Aufgabe, das größte deutsche Bundesland als Regierungschef zu führen, habe ich schon. Und die Erwartungen sind zurecht hoch. Die Leute wollen sehen, dass es besser wird.

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Foto: Zörner

Was wird die Messlatte für Ihren Regierungserfolg sein?

Laschet In allen drei Schwerpunktthemen — Sicherheit, Arbeitsplätze, Schule — wollen wir schnell zu Verbesserungen kommen. Wer ein Kind hat, wird sehen, dass wir zügig Ruhe in die Schuldebatte rund um G8/9 bringen. Auch die offene Zukunft der Förderschulen werden wir schnell klären. Wenn man Wahlfreiheit für die Eltern will, muss man die Förderschulen als Angebot erhalten. Und zwar dauerhaft. Das wollen wir bereits in der ersten Kabinettssitzung umsetzen.

Wann stellen Sie wie viele neue Lehrer ein?

Laschet Das Kapitel Schule haben wir in den Koalitionsverhandlungen noch nicht abgeschlossen. Aber wir werden mehr Lehrer einstellen, ja. An den Berufsschulen setzen wir dabei auch auf Quereinsteiger, weil wir auch die duale Ausbildung stärken wollen.

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Foto: dpa, fg fpt

Wollen Sie auch Pensionäre zurückholen?

Laschet Das ist auch eine Überlegung, um den Unterrichtsausfall schnell bekämpfen zu können.

Was war der größte Erfolg von Rot-Grün?

Laschet Der Schulkonsens war ein Erfolg. Die rotgrüne Landesregierung hat Ihr Wahlkampfprogramm 2010 fundamental korrigiert, mit dem man nur noch Gemeinschaftsschulen anstrebte. Heute steht das gegliederte Schulsystem in der Landesverfassung festgeschrieben Diese Korrektur war gut, auch weil sie die vierzigjährige, alte Strukturdebatte, die Lehrer und Eltern nervte, beendet hat. Daran werden wir festhalten.

Am Freitag ist die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzen beschlossen worden. Müssen Sie sich bei Hannelore Kraft für die Milliarden bedanken?

Laschet Dieser Konsens ist gut für Nordrhein-Westfalen und wir haben Frau Kraft darin ja auch schon als Opposition unterstützt. Wir müssen jetzt aber erreichen, dass NRW nicht nur rechnerisch, sondern tatsächlich ein Geberland wird. Dafür brauchen wir mehr wirtschaftliche Stärke, wofür wir in den Koalitionsverhandlungen eine Art Entfesselungsgesetz diskutieren, das mehr Förderung für Gründer, mehr Bürokratieabbau und ein wirtschaftsfreundlicheres Klima zum Ziel hat.

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Foto: dpa, pgr

Stichwort Bürokratieabbau: Wird Schwarz-Gelb mit weniger Beamten auskommen?

Laschet Pauschal nicht. Wir wollen ja mehr Lehrer und mehr Polizisten. Aber Rot-Grün hat die Ministerialbürokratie sehr stark aufgebläht. Wir werden das nicht machen. NRW wird am Ende der Legislaturperiode nicht mehr Beamte und Angestellte in der Verwaltung beschäftigen als heute. Wir werden sie besser einsetzen.

Ihre Schwerpunkte waren Innere Sicherheit, Bildung und Wirtschaft. Beansprucht die CDU folgerichtig auch diese drei Ministerien?

Laschet Das besprechen wir am Ende der Koalitionsverhandlungen.

Wie viele Ressorts bekommt die FDP denn?

Laschet (lacht): Auch das werden wir noch besprechen.

Was tun Sie für den sozialen Zusammenhalt im Land?

Laschet Das ist ein Herzensanliegen für mich. Und mit Karl-Josef Laumann haben wir das soziale Gewissen der CDU Deutschlands in unseren Reihen. Politik kann viel für den Zusammenhalt tun. Wenn wir die Wirtschaftskraft des Landes stärken, kommt das allen zugute und ermöglicht Teilhabe. Wenn wir Unterrichtsausfall bekämpfen, hilft das vor allem Kindern, denen die Eltern nicht beim Aufstieg durch Bildung helfen können. Auch Umwelt- und Naturschutz werden bei uns ein Thema sein. Wir wollen Ökologie und Ökonomie wieder in Einklang bringen, nicht gegeneinander ausspielen.

Wie lange dauert das?

Laschet Das kann schnell gehen, etwa bei der Elektromobilität, wo wir schon jetzt innovative Entwicklungen, beispielsweise an der RWTH in Aachen, haben, die industriell umgesetzt werden und neue Arbeitsplätze schaffen. Daraus wollen wir eine Vision für das ganze Land entwickeln. Wir wollen das Land sein, in dem diese Technologie vorangetrieben wird. Das schafft Arbeit und hilft beim Klima. Auch sonst gilt: Wir werden bürokratische Hürden für Unternehmen abbauen und gezielt Existenzgründungen fördern. Hinzu kommt die Verbesserung der Infrastruktur. Wir wollen dafür sorgen, dass die Menschen schneller zur Arbeit und die Güter schneller zu den Kunden der Unternehmen kommen. Diese und andere Maßnahmen werden dann hoffentlich einen Schub auslösen, der für mehr Investitionen und Wirtschaftskraft in NRW sorgt.

Eine Maßnahme wäre, dass die Baustellen stärker nachts umsetzen.

Laschet In einem besseren Baustellenmanagement steckt in der Tat ein großes Potential für weniger Stau: Um die Bauzeiten auf Autobahnen zu verkürzen, werden wir die Ausnutzung der Tageshelligkeit und die 6-Tage-Woche zur Regel machen. Für Baustellen von zentraler Bedeutung werden wir auch den Dreischichtbetrieb, also die Nachtarbeit, ausbauen. Mit einem Bonussystem wollen wir schnelle Firmen belohnen. Es darf auf den Baustellen keinen Stillstand geben.

Wie jede Regierung werden Sie jetzt wahrscheinlich erstmal einen Kassensturz fordern, richtig?

Laschet Ja.

Und dann stellen Sie fest: Alles ist viel schlimmer als gedacht, und die Neuverschuldung muss steigen?

Laschet Können Sie mir garantieren, dass die Neuverschuldung von Rot-Grün nach Haushaltswahrheit und -klarheit gerechnet ist?

Rot-Grün wollte im laufenden Jahr 72,7 Milliarden Euro ausgeben. Reicht das?

Laschet Wir brauchen zuerst diesen Kassensturz. Das gehört zu jeder Regierungsübernahme. Wir haben als Opposition nicht alle Informationen bekommen.

Wie könnten Sie sonst mehr Lehrer, mehr Polizei, mehr Gründerförderung und schnellere Autobahnbaustellen finanzieren. Ein Sparpaket?

Laschet Wir schauen uns alle Ausgaben an und werden für neue Ausgaben auch eine Gegenfinanzierung präsentieren. Das erfahren Sie spätestens bei der Aufstellung des Haushalts.

Das ist ein bisschen spät …

Laschet Nein, das ist der exakt richtige Zeitpunkt. Die Wahl war vor drei Wochen. Ich bin noch nicht einmal im Amt. Es geht jetzt erst einmal um den Koalitionsvertrag. Darin werden wir klare Prioritäten setzen. Für uns steht fest: Wir werden den Haushalt konsolidieren und die Schuldenbremse 2020 einhalten.

Also behalten Sie sich Sparmaßnahmen offen?

Laschet Auch in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen werden wir jede Maßnahme auf ihre Sinnhaftigkeit überprüfen. Wir wollen den Haushalt konsolidieren. Die Bürgerinnen und Bürger haben uns dafür gewählt, sorgsam mit dem Steuergeld umzugehen.

Welche?

Laschet Warten Sie es ab.

Woran spüren die Menschen, dass es in NRW wieder sicherer ist?

Laschet Wir werden keinen Rechtsbruch mehr dulden. Wir stärken unserer Polizei den Rücken und geben ihr das Personal, die Ausrüstung und die Rechte, von Anfang an durchgreifen zu können. Rot-Grün hat dem Treiben rund um die Schrottimmobilien, die ganze Stadtteile herunterziehen, zu lange zugesehen. Auch bestimmte Clans hatten zu lange zu leichtes Spiel.

Sie werden gegen die Clans vorgehen?

Laschet Ja, die neue Regierung wird organisierte kriminelle Strukturen, die ganze Stadtviertel lahmlegen, nicht dulden. Da wird es eine Null-Toleranz-Politik geben. Die Kölner Silvesternacht wäre zu verhindern gewesen, wenn man nicht erst nach mehreren Stunden, sondern sofort eingegriffen hätte. Wir werden schneller und konsequenter auf Straftaten reagieren.

Werden wir mehr Polizisten auf den Straßen sehen?

Laschet Ja. Wir wollen mehr Polizisten ausbilden. Und wir werden durch die Einführung von Verwaltungsassistenten ausgebildete Polizisten von Schreibtischarbeit entlasten, und sie dorthin bringen, wo sie gebraucht werden. Auf der Straße, bei der Bekämpfung und Aufklärung von Verbrechen. In NRW gibt es knapp 2000 abschiebepflichtige Maghreb-Flüchtlinge. Die CDU hat deren zögerliche Abschiebung stets kritisiert.

Wie lange brauchen Sie jetzt für deren Abschiebung?

Laschet Wir werden dazu uns für die Einstufung von Algerien, Marokko und Tunesien als sichere Herkunftsländer einsetzen. Ich werde im Bundesrat, so wie Ministerpräsident Kretschmann, sofort nach Regierungsübernahme dafür stimmen, nachdem NRW jahrelang blockiert und wertvolle Zeit vergeben hat. Das beschleunigt Verfahren. Und dann wissen Asylbewerber von dort, dass es sich nicht mehr lohnt, zu uns zu kommen. Das wird zu einer erheblichen Entlastung führen.

Wie wollen Sie NRW gegenüber Europa und der Bundesregierung positionieren?

Laschet Der Auftritt des Landes in Berlin, international und in Brüssel muss selbstbewusster werden. Der Ministerpräsident von NRW muss in Berlin — wenn nötig — kämpfen.

Was heißt das konkret?

Laschet Wir sind bei vielen Fragen der Industrie- und Energiepolitik anderer Meinung als die Bundesregierung. Das Erneuerbare Energien-Gesetz muss umgestaltet werden. Wir haben da als Standort energieintensiver Industrien und großer Energieversorger eigene Interessen. So wie Herr Seehofer für die Interessen seines Landes kämpft, werden wir für NRW kämpfen.

Ein zweiter Seehofer aus NRW. Da wird sich Frau Merkel freuen?

Laschet Es ist für Angela Merkel nichts Neues, dass ich die Interessen Nordrhein-Westfalens vertrete. Dass ein Ministerpräsident die Interessen seines Landes vertritt, ist eine pure Selbstverständlichkeit.

Also notfalls unbequem sein?

Laschet Wir treten für NRW ein. Ich weiche keinem Konflikt mit der Bundeskanzlerin aus, wenn es um die Interessen des Landes NRW geht. Dazu wurde ich gewählt. NRW muss genauso für seine Interessen gegenüber Berlin kämpfen wie Bayern. Ebenso müssen wir unsere gemeinsamen Interessen mit Belgien, den Niederlanden und Luxemburg, den Benelux-Staaten eintreten, mit denen wir einen gemeinsamen Wirtschafts- und Lebensraum bilden. Unser Seehafen ist nicht Hamburg, wie das in Berlin gesehen wird, sondern Antwerpen und Rotterdam.

Der US-Präsident Donald Trump hat angekündigt aus dem Pariser Klimaabkommen auszusteigen. Muss NRW den Braunkohleausstieg nur vorziehen, um das abzufangen?

Laschet Nur weil Donald Trump eine irrationale Entscheidung fällt, sollten wir nicht auch irrational handeln. Wir brauchen auf absehbare Zeit einen Energiemix aus Kohle, Gas und erneuerbaren Energien, um Industrieland zu bleiben. Daran ändern auch Twitterbotschaften von Herrn Trump nichts. Angesichts seiner Fehlentscheidung, deren Folgen noch gar nicht absehbar sind, über die Braunkohle in NRW zu spekulieren, erscheint mir mit Blick auf die betroffenen Menschen in der Regionen und auf tausende Arbeitsplätze nicht angemessen.

Mit Armin Laschet sprachen Michael Bröcker, Thomas Reisener und Stefan Weigel.

(tor)
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