Sondersitzung nach Anschlag in Solingen „Nun hat der schreckliche Terror in NRW zugeschlagen“
Exklusiv | Düsseldorf · Schon kurz nach der brutalen Tat in Solingen beginnt die Landespolitik mit der Debatte über die Folgen. Im Innenausschuss soll zeitnah über die Hintergründe gesprochen werden. Obwohl der Täter nicht gefasst und die Hintergründe unklar sind, gibt es schon erste politische Forderungen.
Landespolitiker aller Parteien haben sich zutiefst betroffen über die tödliche Messer-Attacke von Solingen gezeigt. Noch in der Nacht schrieb Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) beim Nachrichtendienst X: „Nordrhein-Westfalen ist in Erschütterung und Trauer vereint. In diesen dunklen Stunden sind die Menschen unseres Landes und darüber hinaus mit ihren Herzen und Gedanken in Solingen.“ Wüst sprach von einem Akt brutalster und sinnloser Gewalt, der das Land ins Herz getroffen habe. Auch seine Stellvertreterin Mona Neubaur (Grüne) meldete sich von einer Auslandsreise in die USA: „Absoluter Horror. Auch in der Ferne steht für mich die Zeit still.“
Solinger Abgeordnete war in der Nähe des Tatorts
Der Solinger Landtagsabgeordnete Josef Neumann (SPD) befand sich in der Nähe des Tatortes: „Ich selbst war bei dem Fest dabei, stand in der Nähe der Bühne, als der Veranstalter per Mikrofon mitgeteilt hat, dass es eine Messerstecherei mit Verletzten gegeben hat und die Veranstaltung beendet ist.“ Die Menschen hätten sehr besonnen reagiert und seien ruhig nach Hause gegangen. „Die Einsatz- und Rettungsfahrzeuge – das hat alles ungute Erinnerungen an den Brandanschlag von 1993 hochgespült. Dass es einmal mehr unsere Stadt trifft, macht mich sehr betroffen. Eine Messerattacke in der Klingenstadt Solingen und noch dazu auf dem Fest der Vielfalt, das ist unfassbar zynisch.“ Die Stadt sei sehr gut vorbereitet gewesen, sagt Neumann. „Es war durch Barrieren ausgeschlossen, dass es eine Attacke mit einem Fahrzeug hätte geben können. Natürlich können Sie aber nicht bei einem Stadtfest alle Menschen kontrollieren.“
„Könnte einfach nur kotzen“
Der Solinger Sozialdemokrat kritisierte jedoch die Reaktionen im Netz: „Was mich fassungslos macht, ist die Tatsache, dass schon kurz nach der Tat im Netz Hass, Hetze und Häme losbrachen. Da gab es nicht eine Sekunde des Mitgefühls, der Trauer und Anteilnahme. Da wurde sofort eine Tat mit noch unklarem Hintergrund instrumentalisiert. Und wenn ich mir anschaue, was Björn Höcke dazu geschrieben hat, dann könnte ich einfach nur kotzen.“ Der Thüringer AfD-Politiker hatte bei X ein Video gepostet und dazu geschrieben: „Deutsche, Thüringer, wollt ihr Euch wirklich an diese Zustände gewöhnen? Befreit Euch, beendet endlich den Irrweg der erzwungenen Multikulturalisierung! Schützt Eure Kinder! Schickt die verantwortlichen Kartellparteien in die Wüste!“
Es müsse nun besonnen reagiert werden. „Die Sicherheitsbehörden müssen nun schnell den Täter finden und die Hintergründe der Tat aufarbeiten. Und wir als Stadtgesellschaft müssen auch in Ruhe entscheiden, wie wir mit den Folgen umgehen werden“, verlangte Neumann.
Der FDP-Innenexperte Marc Lürbke verlangte, dass sich umgehend der Landtag mit den Hintergründen der Tat befassen müsse: „Es ist nun von größter Bedeutung, den Täter schnellstmöglich zu fassen und zur Rechenschaft zu ziehen. Ich bin zuversichtlich, dass die Ermittlungsbehörden alles daran setzen, den Täter aufzuspüren und so schnell wie möglich für Sicherheit zu sorgen.“ Angesichts der Tragweite dieses Anschlags werde die FDP eine Sondersitzung des Innenausschusses beantragen. „Wir müssen gemeinsam beraten, welche Maßnahmen notwendig sind, um die Sicherheit in unserem Land zu gewährleisten. Sicherheit und Freiheit der Bürgerinnen und Bürger in NRW stehen für uns an erster Stelle."
„Brauchen eine signifikante Stärkung von Polizei und Geheimdiensten“
Der CDU-Innenpolitiker Gregor Golland brachte es auf die Formel: „Nun hat der schreckliche Terror in NRW zugeschlagen.“ Die Bundesregierung müsse bei der Sicherheits- und Migrationspolitik endlich grundlegend und massiv umsteuern. „So kann und darf es nicht weitergehen.“ Golland verlangte eine signifikante Stärkung von Polizei und Geheimdiensten mit mehr Personal, Technik und vor allem Befugnissen wie Vorratsdatenspeicherung, Onlinedurchsuchung und elektronischer Rasterfahndung. „Zudem Grenzkontrollen, erhebliche Reduktion der illegalen Migration und eine tatsächlich drastische Erhöhung von Abschiebungen. Es darf keine Toleranz gegenüber Islamismus, Hass und Hetze gegen unsere Werte geben. Es ist alles eine Frage des politischen Willens.“
Der Oppositionsführer im Landtag, Jochen Ott, warnte im Gespräch mit unserer Redaktion vor Überreaktionen: „Dieser schrecklicher Anschlag ist ein Schock für uns alle. Menschen wurden auf brutalste Weise aus dem Leben gerissen. Familien, Partner, Freunde haben aus dem Nichts ihre Liebsten verloren.“ Das bewege ihn in diesen Stunden sehr. „Für Rückschlüsse ist es allerdings noch zu früh. Die Ermittlungsbehörden müssen jetzt ihre Arbeit machen können. Wir haben vollstes Vertrauen in sie und lassen unsere Gesellschaft von rechten Hetzern nicht spalten."
Auch die Spitzen der Regierungskoalition meldeten sich zu Wort. Thorsten Schick, Fraktionschef der CDU, bedankte sich bei den Einsatzkräften der Polizei, den Ärzten und Sanitätern, den Seelsorgern, allen, die seit Freitagnacht unermüdlich im Einsatz seien. „Innenminister Herbert Reul hat sich noch in der Nacht vor Ort selbst ein Bild der Lage gemacht. Die Polizei und alle Helfer werden von ihm alle Unterstützung bekommen, die es jetzt braucht. Das Wichtigste ist nun zuallererst, den Täter zu stellen, damit wir Klarheit über das Motiv dieser Bluttat bekommen.“
Die Grünen-Fraktionsspitze, Verena Schäffer und Wibke Brems, erklärten gemeinsam, dass ausgerechnet das Festival der Vielfalt als Ort der Begegnung und der Freude zu einem Ort der Trauer wurde, erschüttere sie beide zutiefst. „Wir wünschen allen Solingerinnen und Solingern viel Kraft. Die Sicherheitsbehörden tun alles, um den Täter zu fassen – dafür danken wir ihnen. Wir danken ebenso allen Einsatzkräften sowie Ärztinnen und Ärzten."