Heftiger Schlagabtausch im NRW-Landtag “Das riecht nach Untreue“

Düsseldorf · Schwarz-Grün scheitert mit Versuch, die Opposition bei Rettungsschirm ins Boot zu holen. Die Einbringung der „finanziellen Notlage“ in den Landtag gerät zur Generalabrechnung mit der Regierung Wüst.

 Der FDP-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Henning Höne.

Der FDP-Fraktionschef im Düsseldorfer Landtag, Henning Höne.

Foto: dpa/Oliver Berg

Zu Beginn der Haushaltsdebatte, kommt NRW-Landtagspräsident André Kuper (CDU) noch einmal seiner Fürsorgepflicht für seine Abgeordneten nach. „Ich hoffe, dass Sie gut gestärkt sind, wir haben einen langen Plenartag vor uns“, sagt er schmunzelnd. Doch während der anschließenden Debatte über den bereits zweiten Nachtragshaushalt für 2022 dürfte vor allem in den Reihen der Landesregierung und der schwarz-grünen Koalition so manchem der Appetit vergangen sein, denn die Kritik am chaotischen Zustandekommen des NRW-Rettungsschirms fällt ätzend aus – extrem ätzend.

NRW-Finanzminister Marcus Optendrenk (CDU) unternimmt erneut Erklärungsversuche, warum man noch vor wenigen Wochen nicht von einer finanziellen Notlage ausgegangen sei, sich dann aber doch für das Abweichen von der Schuldenbremse entschlossen habe: „Diese Rezession wird nicht mehr nur erwartet, sie ist längst angekommen. Wir stehen vor einer neuen Situation. Ein weiteres Zuwarten wäre unverantwortlich. Deswegen handeln wir jetzt, um im Interesse unserer Bürger rasche Maßnahmen anstoßen zu können.“

SPD und FDP üben sich an diesem Vormittag in Geschlossenheit. Schon vor der Debatte ist SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty zu seinem FDP-Amtskollegen Henning Höne quer durch den Plenarsaal geschlendert, hat ein paar freundliche Worte mit ihm ausgetauscht, ehe die Glocke des Landtagspräsidenten zur Debatte läutet und die Abgeordneten an ihre Plätze beordert. Dann wird es alles andere als freundlich. Kutschaty wirft der Koalition vor, nicht regierungsfähig zu sein. „Sie wollen uns doch nicht ernsthaft weismachen, dass sich die wirtschaftliche Lage in den vergangenen Tagen so kolossal geändert hat“, ruft er. Vielmehr sei die Regierung des Verfassungsbruchs überführt worden. „Um Ihren Schön-Wetter-Haushalt zu retten, haben Sie Kreditermächtigungen aus dem Corona-Rettungsschirm zweckentfremdet – illegal abgezweigt, könnte man auch sagen.“

Der SPD-Politiker wirft dem Finanzminister vor, darum gewusst, es aber trotzdem getan zu haben – Kutschaty vermutet, auf Anweisung des Ministerpräsidenten, weil dieser das Trugbild eines ausgeglichenen Haushalts habe aufrechterhalten wollen. „Dafür haben Sie Ihren guten Ruf hergegeben, Herr Dr. Optendrenk.“ Der Oppositionsführer wirft Wüst vor, andere zu belehren, aber selbst nichts hinzubekommen: „Das ist eine besonders unsympathische Art des Dilettantismus.“ Kutschaty hält der Landesregierung zudem vor, beim Rettungspaket keine konkreten Maßnahmen zu nennen: „Außer Überschriften haben Sie nichts zu bieten. Das ist Pappmaché, Ihr Drei-Säulen-Modell.“

Ähnlich handfest geht es bei FDP-Fraktionschef Henning Höne zur Sache: „Sie reden von Klarheit, Sie liefern Chaos“, steigt er in seine Rede ein. Diese Landesregierung sei Weltmeister darin, von anderen zu fordern, aber grottenschlecht darin, selbst zu liefern. Die versuchte Umwidmung der Corona-Mittel nennt Höne den „Versuch einer politischen Geldwäsche“ und „offenes Regierungsversagen“. Er selbst habe der Koalition Ende Oktober „finanziellen Schiffbruch mit Ansage“ prophezeit: „Ich muss mich heute korrigieren: Das war kein Schiffbruch, sondern eine Selbstversenkung.“

Die zuletzt erfolgte Aufnahme von mehr als vier Milliarden Euro für den Corona-Schirm koste mehrere Millionen Euro pro Monat: „Das riecht nach Untreue. Sie haben sich als Treuhänder für das Geld der Steuerzahler vollkommen disqualifiziert, Herr Finanzminister.“ Höne knüpft sich dann die Fraktionsspitzen von CDU und Grünen vor. Diese hatten die Kehrtwende nach einer massiven Kritik des Landesrechnungshofes damit begründet, es sei jetzt nicht die Zeit, in langwierigen Gerichtsverfahren auf seinem Recht zu bestehen: „Die Einhaltung der Verfassung und die Überprüfung durch Opposition: Das ist keine Rechthaberei; Etwas mehr Respekt vor Recht und Gesetz und dieser Verfassung täte dieser Koalition gut“, schimpft Höne.

Der FDP-Fraktionschef spottet, die Landesregierung sei offenbar als einzige überrascht worden von der wirtschaftlichen Lage. „Da ist offensichtlich in den letzten Monaten die Zeitungslektüre ausgefallen, hat es keine Gespräche mit Unternehmen gegeben, wurde in Plenardebatten nicht zugehört.“ Dann arbeitet er sich an der finanziellen Notlage ab: „Jetzt sagen Sie: es gibt eine Notlage, aber keinerlei Korrekturbedarf im Kernhaushalt? Das nehme ich Ihnen inhaltlich nicht ab.“ Dann verweist er auf die neuen Stellen in den Ministerien und auf drei Millionen Euro zusätzlich für die PR-Arbeit der Ministerien: „Nach den letzten Tagen verstehe ich den Wunsch, aber das ist nicht im Sinn der Steuerzahler.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort