Interview mit Andreas Pinkwart „Deutschland darf das rheinische Revier nicht hängen lassen“

Düsseldorf · Der NRW-Wirtschaftsminister mahnt im Interview: Deutschland ist noch lange auf die Braunkohle angewiesen.

In Hambach gehen die Räumungen seit Montag weiter, die Kohlekommission tagte in Halle. Wir haben mIt NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) über die Perspektiven für das rheinische Revier gesprochen.

Die Polizei setzt die Räumung des Hambacher Forstes fort. Ist das eine gute Nachricht?

 NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart.

NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart.

Foto: Frank Wiedemeier

Pinkwart  Es ist eine notwendlge Maßnahme im Interesse der Menschen, da die Baumhäuser nicht sicher sind.  Ich hoffe sehr, dass die Räumung friedlich abläuft und die Aktivisten von sich aus die Baumhäuser aufgeben.

Die Aktivisten fordern, dass RWE die Rodungen aussetzt, bis die Kohle-Kommission fertig ist. Was sagen Sie?

Pinkwart RWE hat für Tagebau und  Rodungen aufgrund der von Rot-Grün im Lichte des Pariser Klimaabkommens getroffenen  Entscheidungen alle Genehmigungen. Das wissen auch die Mitglieder der Kommission, die an einer nachhaltigen Lösung für Klimaschutz und Energieversorgungssicherheit arbeiten.

Die zentrale Frage der Kommission ist: Wann kann Deutschland aus der Kohle aussteigen? Der Co-Vorsitzende Ronald Pofalla sagt: bis 2038. Was halten Sie davon?

Pinkwart Es ist nicht hilfreich, dass Herr Pofalla mit einer Vorfestlegung die vertrauensvolle Arbeit in der Kommission erschwert. Lassen wir die Kommission doch erstmal arbeiten. Klar ist: Braunkohle hat eine wichtige Brückenfunktion. Deutschland steigt bald vollständig aus der Kernkraft aus, da können wir nicht gleichzeitig aus der Kohle aussteigen, ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden. Im Übrigen erreicht der Stromsektor - anders als die anderen Sektoren -  seine  Klimaschutzziele 2020 und wohl auch 2030. Nun müssen Verkehr und Wärme ihren CO2-Minderungs-Beitrag leisten.

Welches Jahr für den Ausstieg halten Sie für machbar?

Pinkwart Deutschland wird noch auf längere Sicht  auf Kohle angewiesen sein, allerdings in deutlich abnehmendem Masse. Selbst Kritiker wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung berücksichtigen in ihren Szenarien das Jahr 2040. Planbarkeit sind wir auch den Menschen in der Region schuldig. In der Braunkohle sind bundesweit 20.000 Menschen unmittelbar beschäftigt, insgesamt hängen mehr als doppelt so viele  Arbeitsplätze daran. Zudem brauchen wir bezahlbaren Strom für die energieintensive Industrie  wie etwa die Stahl- und Aluhütten und die chemische Industrie.

Nun hat das rheinische Revier Eckpunkte für ein Wirtschafts- und Strukturprogramm beschlossen. Was bringt das konkret?

Pinkwart Städte, Kreise und das  Land wollen das rheinische Revier als Energie- und Industrieregion in eine neue Zukunft führen. Das Rheinische Revier soll Vorzeigeregion für modernes und klimafreundliches Wirtschaften   werden, wir wollen hier etwa erneuerbare Energien, Speichertechnologien  und neue klimaneutrale Produktionsformen voranbringen sowie Hochschulausgründungen fördern.

Und konkret: Was trägt das Land bei?

Pinkwart  Das Land unterstützt die Projekte der Region durch eigene Programme wie durch Gemeinschaftsprojekte. Zur von Sprunginnovationen in der energieintensiven Wirtschaft haben wir gerade mit der Wirtschaft die Initiative  „In4Climate.NRW“ an den Start gebracht,  die wir  mit 16 Millionen Euro unterstützen. Darüber hinaus sehe ich den Bund in der Pflicht, im Falle einer früheren Beendigung der Braunkohle die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Braunkohle aus NRW ist seit  Jahrzehnten eine wichtige Säule  für die deutsche Wirtschaft, und anders als Steinkohle war sie nie subventioniert. Jetzt darf Deutschland das rheinische Revier nicht hängen lassen.

Als erstes wurden - von den Stromkunden bezahlt - 1,5 Milliarden Euro bereitgestellt für Kraftwerke in Reserve. Reicht das?

Pinkwart Dies hilft ja zuvorderst der Stabilisierung der Netze und weniger der Zukunftsgestaltung der Region. Die von der Bundesregierung hierfür in Aussicht gestellten Mittel in Höhe 1,5 Milliarden können nur ein Anfang sein. Der Bund muss der Region eine faire Chance geben, den Strukturwandel ohne Brüche zu gestalten. Das braucht Zeit und Geld wie auch einer Art Sonderwirtschaftszone mit vereinfachten Regeln bei Planung und Genehmigung.

Die Kommission soll sich bis Jahresende auf ein Ausstiegsdatum einigen. Wird das gelingen?

Pinkwart Die Herausforderung ist groß, zumal die Kommission Beschlüsse mit Zwei-Drittel-Mehrheit fassen muss. Ich bin aber zuversichtlich, dass die Kommission bis Jahresende eine Einigung vorlegt.

Antje Höning führte das Gespräch.

(anh)
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