Analyse Die Opposition in NRW hat keine Schlagkraft

Düsseldorf · Ein Jahr nach dem Regierungswechsel tun sich SPD und Grüne schwer damit, in der neuen Rolle Tritt zu fassen. Der Parlamentsneuling AfD produziert viele Anfragen, setzt aber kaum inhaltliche Akzente.

 Ein Blick in den Düsseldorfer Landtag. (Archiv)

Ein Blick in den Düsseldorfer Landtag. (Archiv)

Foto: dpa/Federico Gambarini

Die Comicfigur auf dem Bild reitet einen Tiger, der über Flammen springt. Daneben steht das Wörtchen Wunsch. Auf einem anderen Bild hat es die  Comicfigur wieder mit einem Tiger zu tun, dieses Mal aber bloß als niedliche Tiger-Handpuppe. Daneben steht das Wörtchen „Wirklichkeit“. Bei der Comicfigur handelt es sich – um Armin Laschet.

So macht sich die SPD-Opposition im Landtag gerade auf einem Flyer über den Ministerpräsidenten lustig. „Regierungsbilanz-Broschüre“ heißt das Blättchen, das die SPD pünktlich ein Jahr nach der Wahl unter ihre Leute bringt. Die Partei scheint ihren Humor langsam wiederzufinden.

Es war ein überraschender Regierungswechsel vor einem Jahr. Kaum jemand hatte noch kurz zuvor für möglich gehalten, dass die SPD nach sieben Jahren die Landtagswahl verliert. Die Partei war daher auf ihre Oppositionsrolle überhaupt nicht vorbereitet. Viel länger als die Grünen brauchten die Genossen, um zu strukturierter Oppositionsarbeit zu finden. Laschet hatte im Landtag ein Jahr lang recht leichtes Spiel.     

Denn lange Zeit hatte die SPD vor allem mit sich zu tun. Nach dem Rücktritt von Hannelore Kraft war die Partei ohne Führung – und machte gleich einen großen Fehler. Die Sozialdemokraten entschieden sich mit Michael Groschek und Norbert Römer für zwei Übergangskandidaten an der Spitze von Partei und Fraktion. Noch dazu für Übergangskandidaten der alten Garde. Dieses Modell hatte auch den Nachteil, dass die Genossen sehr schnell wieder  über Personalien diskutieren mussten. Die Genossen verstrickten sich in Machtkämpfen.

So kam es, dass Interims-Oppositionsführer Römer zwar einige rhetorisch geschickte Reden halten konnte, insbesondere während der Haushaltsdebatte. Doch eine echte Oppositionsstrategie der SPD ist erst sichtbar, seit Thomas Kutschaty an die Spitze der Fraktion gerückt ist.

Zu den wenigen Oppositionserfolgen im zurückliegenden Jahr zählte die Diskussion um Interessenkonflikte im Kabinett Laschet. Etwa beim Medienminister, der die Zuständigkeit für dieses Fach abgab, und bei der zurückgetretenen Agrarministerin, deren unglückliches Agieren einen Untersuchungsausschuss nach sich zieht.   Wie die SPD mussten sich auch die Grünen nach ihrem Desaster bei der Landtagswahl erst einmal selbst sanieren, bevor für sie die eigentliche Oppositonsarbeit begann. Der Absturz von 11,3 auf 6,4 Prozent bedeutete für sie eine Halbierung der Sitze im Landtag. Für die vorherige Regierungspartei neben dem Machtverlust auch eine logistische Herausforderung: Für dieselbe Arbeit standen plötzlich nur noch 14 Köpfe zur Verfügung.

Die Grünen organisierten sich wesentlich schneller als die SPD neu: Personell, strukturell und strategisch. Schon kurz nach der Wahl übernahmen Monika Düker und Arndt Klocke als Doppelspitze den Fraktionsvorsitz und lösten Mehrdad Mostofizadeh ab. Landes-Parteichefin Mona Neubaur kündigte wenige Wochen später die Halbierung des Landesvorstands an, um die Organisation schneller und schlagkräftiger zu machen. Die Selbstkritik ergab, dass die Grünen sich thematisch verzettelt hatten. Die Entscheidung, sich als Oppositionspartei nun auf die Themen Umweltschutz, „offene Gesellschaft“, Gerechtigkeit und Kohleausstieg zu konzentrieren, fiel früh.

Trotzdem haben die Grünen im parlamentarischen Alltag bislang erst wenige Akzente gesetzt. Mit einer wuchtigen Social-Media-Offensive trug Klocke wesentlich dazu bei, dass die Landesregierung ihre Pläne zur Abschaffung des Sozialtickets wieder kassieren musste. Ein veritabler Erfolg für eine 6,4-Prozent-Partei. Und dass Innenminister Reul (CDU) seinen Entwurf für ein neues Polizeigesetz überarbeiten muss, hat er maßgeblich der Grünen Verena Schäffer zu verdanken. 

Während die AfD in ostdeutschen Parlamenten mit Reden voll Hass und Hetze immer mal wieder Eklats auslöst, ist es im Düsseldorfer Landtag verhältnismäßig ruhig um die Neuen, die im Mai 2017 mit  7,4 Prozent und  insgesamt 16 Sitzen in den NRW-Landtag eingezogen sind. Drei davon verlor sie im Herbst direkt wieder, nachdem Ex-NRW-Chef Marcus Pretzell und zwei weitere AfDler ihren Austritt verkündeten und seitdem als fraktionslose Abgeordnete die Plätze hinter der AfD einnehmen.

 Seit der Bundestagswahl im Herbst, mit dem Rückenwind als stärkste Opposition im Bundestag vertreten zu sein, versucht die kleinste Fraktion NRWs um Chef Markus Wagner immer wieder, Stärke zu demonstrieren. „Während der bayrische Löwe CSU nur brüllt, beißen wir auch“, erklärte Wagner jüngst in einem von der AfD selbstgedrehten Video.

 Fakt ist, mit bislang 277 kleinen Anfragen und Gesetzentwürfen hat die AfD mengenmäßig mehr vorgelegt als jede andere Fraktion. Dabei kreist die Partei meist um ihr Kernthema Flüchtlinge und Migranten. Die AfD liebt die populistische Provokation, weniger die tatsächliche Lösung von Problemen, kritisieren Mitglieder anderer Parteien.

 Die Atmosphäre im Landtag hat sich durch die AfD verändert. „Der Ton ist rauer geworden“, sagt Parlamentspräsident André Kuper (CDU). Mit 19 nicht förmlichen Rügen sowie einem Ordnungsruf gab es in dieser Wahlperiode nach einem Jahr bereits knapp doppelt so viele wie in der gesamten vorherigen. Unter Rot-Grün gab es zehn Fälle, in denen der Parlamentspräsident eingreifen musste. Das tut er, wenn er die Würde des Parlaments gefährdet sieht. „Die Spielregeln der demokratischen Auseinandersetzung im Plenum müssen von allen Seiten eingehalten werden – nicht zulässig sind vor allem persönliche Angriffe oder Beleidigungen.“ Dabei seien die Worte nicht der einzige Maßstab, sondern das Zusammenspiel aus Mimik, Gestik, Wortwahl und Tonfall sei entscheidend. „Es ist manchmal wie auf dem Fußballplatz, man hat es nicht leicht als Schiedsrichter bei Tatsachenentscheidungen“, so Kuper.

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