Alarmierende Zahlen Dem Nahverkehr in NRW droht ein Milliarden-Loch

Düsseldorf · Die Straßen- und U-Bahnsysteme in NRW müssen in den kommenden Jahren zu großen Teilen neu gebaut werden. Ein Gutachten prognostiziert für die über die laufenden Kosten hinausgehenden Aufwendungen einen Bedarf von mehr als drei Milliarden Euro.

 Haltestelle Rheinbahn in Kaiserswerth (Symbolbild).

Haltestelle Rheinbahn in Kaiserswerth (Symbolbild).

Foto: Endermann, Andreas (end)

„Der mit dem Gutachten ermittelte Finanzbedarf zur Erneuerung der kommunalen Schienenstrecken (oberirdische Ingenieurbauwerke, Strecken und Haltestellen) beläuft sich bis zum Jahr 2031 auf 3.047,2 Millionen Euro“, fasst die Landesregierung in einem internen Bericht, der unserer Redaktion vorliegt, die wichtigste Zahl des Gutachtens zusammen. Erstellt wurde das Gutachten von der Düsseldorfer Ingenieurgesellschaft Spiekermann. Den Auftrag dazu hatte die rot-grüne Vorgängerregierung bereits 2016 erteilt.

Um den Ernst der Lage zu unterstreichen, ordnet die Landesregierung die Milliarden-Zahl in ihrer behördeninternen Zusammenfassung so ein: „Dabei ist mit Erneuerung nicht die Instandhaltung der Infrastruktur gemeint, sondern die notwendige Reinvestition nach Ablauf der Nutzungsdauern zur Erneuerung einzelner Anlagen.“ Mit anderen Worten: Von den 1726 Gleiskilometern der U- und Straßenbahnen in NRW, den gut 21 Kilometern Brückenbauten, 2507 Bahnsteigen und anderen Infrastrukturanlagen ist ein großer Teil so marode, dass er innerhalb des nächsten Jahrzehnts komplett ersetzt werden muss.

Außerdem erfasst die Zahl nur den Erneuerungsbedarf bei der Infrastruktur. „Der Investitionsbedarf für Fahrzeuge und Betriebshöfe wird bereits über bestehende Förderstrukturen abgedeckt“, heißt es in der Zusammenfassung. Allerdings seien von dem ermittelten Finanzbedarf in Höhe von rund drei Milliarden Euro nach dem Erhebungszeitraum angelaufene Investitionen abzuziehen. Übrig bleibe demnach eine ungedeckte Finanzierungslücke in Höhe von 2,6 Milliarden Euro.

Der Löwenanteil davon entfällt auf die nötige Sanierung der Gleisinfrastruktur, gefolgt von Haltestellen und oberirdischen Bauwerken wie Brücken oder Stützwänden. Die Gutachter haben den Erneuerungsbedarf bei 15 Verkehrsunternehmen wie zum Beispiel der Düsseldorfer Rheinbahn in insgesamt 33 Kommunen untersucht und damit das U- und Straßenbahnsystem in NRW flächendeckend studiert.

In der Regel gehören die Verkehrsunternehmen den Kommunen, weshalb das Gutachten dort Sorgen auslösen dürfte. Zwar beschwichtigt die Landesregierung im Vorwort ihrer Zusammenfassung: „Das Land wird die Kommunen mit der anstehenden Herausforderung nicht alleine lassen.“ Wie und in welchem Umfang die Kommunen bei dem nun anstehenden finanziellen Kraftakt unterstützt werden sollen, ist aber noch völlig unklar. Klar ist nur, dass die meisten Kommunen selbst außerstande sind, derartige Investitionen zu stemmen. So konnte beispielsweise die Stilllegung der Duisburger Stadtbahn-Verbindung nach Düsseldorf vor wenigen Jahren nur mit großer Mühe abgewendet werden, weil der Stadt die Mittel für die Modernisierung fehlten. Zu erwarten ist, dass das Spiekermann-Gutachten nun einen heftigen Streit zwischen Kommunen, Land und Bund über die Lastenverteilung auslösen wird.

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