Knapp 60 Prozent für Ex-Bundeswehroberst Rüdiger Lucassen zum neuen Chef der NRW-AfD gewählt

Kalkar · Mit knapp 60 Prozent aller Stimmen ist Rüdiger Lucassen bei dem außerordentlichen Landesparteitag im niederrheinischen Kalkar am Samstag zum neuen Chef der NRW-AfD gewählt worden.

 Rüdiger Lucassen beim Landesparteitag der AfD in Kalkar.

Rüdiger Lucassen beim Landesparteitag der AfD in Kalkar.

Foto: dpa/Henning Kaiser

Der 68-jährige Bundestagsabgeordnete und ehemalige Bundeswehroberst erhielt bei den überraschend zügigen Vorstandswahlen nach Parteiangaben 321 von insgesamt 540 Delegiertenstimmen.

Der bisherige Parteichef Thomas Röckemann unterlag mit 215 Stimmen. Ein dritter, weitgehend unbekannter Kandidat aus dem Kreisverband Wesel, Andreas Preis, erhielt nur zwei Stimmen. Das Ergebnis gilt als Erfolg des vergleichsweise gemäßigteren Lagers der NRW-AfD, die seit Monaten einen erbitterten Richtungsstreit ausgefochten hat.

AfD-Bundestagsfraktionschefin Alice Weidel hatte den Landesverband zuvor aufgefordert, „einen Schnitt zu setzen“ und zusammenzufinden. „Der Landesverband ist mächtig und trägt große Verantwortung“, mahnte sie. In NRW werde über Erfolge bei Bundestagswahlen entschieden.

Bei der Landtagswahl 2017 hatte die AfD in NRW knapp 7,4 Prozent der Zweitstimmen geholt und liegt auch in jüngsten Umfragen bei diesem Wert. Die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen, bei denen die AfD Anfang September weit über 20 Prozent geholt hatte, hätten bewiesen, „welches Potenzial in der AfD steckt“, sagte Weidel.

Bei einem Parteitag der NRW-AfD im Juli waren infolge des Richtungsstreits neun von zwölf Vorstandsmitgliedern zurückgetreten - darunter Röckemanns damaliger Co-Vorsitzender Helmut Seifen. Seifen wirft Sympathisanten des rechtsnationalen „Flügels“ um Thüringens AfD-Rechtsaußen Björn Höcke vor, sie versuchten, den mit 5300 Mitgliedern größten AfD-Landesverband zu unterwandern.

Der im Machtkampf unterlegene 54-jährige Mindener Landtagsabgeordnete Röckemann gilt als Sympathisant des „Flügels“, weist das aber zurück. „Ich sehe mich als Parteifreund, der graswurzelbewegt ist“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur am Rande des Parteitags. Er vertrete jedes Parteimitglied. „Wir haben keine Extremisten in unserer Partei“, meinte er.

In seiner Bewerbungsrede für den Parteivorsitz beklagte Röckemann unkontrollierten Zuzug und Islamisierung in Deutschland. „Der Rassismus ist zurückgekehrt nach Deutschland“, sagte er. „Wir Deutschen sind diesmal die Opfer. Wir sind die Untermenschen, die Scheißdeutschen.“ Derweil demonstrierten „die neuen Herrenmenschen großspurig in Autokorsos, (...) dass dieses Land bald ihnen gehört“. Röckemann erreichte bei der Vorstandswahl fast 40 Prozent der Stimmen.

Lucassen hatte seine Kandidatur bereits im Vorfeld daran geknüpft, anders als der frühere Vorstand nur als Einzel-Spitze anzutreten und gewann für die neue Formation die Mehrheit der fast 550 anwesenden Delegierten. Es gehe ihm nicht um „Führung allein nach Befehl und Gehorsam“, versicherte der Euskirchener Bundestagsabgeordnete. Mit ihm werde es auch „keinen Personenkult“ oder Hochglanz-Magazine mit seinem Konterfei geben.

Er signalisierte allen Parteiströmungen Gesprächsbereitschaft. Auch eine Auseinandersetzung mit dem „Flügel“ sei „nötig und sinnvoll“. NRW sei „der Schlüssel zu einer neuen Deutschland-Politik“, meinte Lucassen. Es wäre aber falsch, die Arbeit der AfD-Verbände im Osten einfach zu kopieren, weil die Lebensverhältnisse im Westen ganz andere seien. „Das wäre eine grenzenlose Naivität.“

Mit einer rigorosen Parteitagsregie und straffen Zeitvorgaben für Redebeiträge sowie Fragen wurde der Parteitag, anders als von den meisten erwartet, zügig durchgezogen. Für Unterhaltungswert, aber auch Empörung und Buh-Rufen wegen wüster Beschimpfungen von Parteikollegen, sorgte vor allem der erfolglose Kandidat für das Amt des Parteichefs, Andreas Preis.

Der Betonbauer empfahl sich als Sprachrohr des kleinen Mannes. „Ich spreche Deutsch wie es kein Akademiker könnte“, meinte Preis. Anders als Juristen, die Ärger mit ihrer Kammer bekämen, könne er klar sagen, was er über Flüchtlinge denke. „Meine Rechtsschutzversicherung ist bezahlt.“ Seine Position beschrieb er mit den Worten: „Ich stehe so weit es geht rechts.“

(felt/dpa)
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