Ärger um Straßenbaubeiträge Der wachsende Zorn der Anlieger

Düsseldorf · NRW zählt zu den wenigen Bundesländern, die noch Straßenbaubeiträge erheben. Doch der Protest dagegen wird immer größer. Eine Petition des Steuerzahlerbundes hat schon 330.000 Unterstützer.

 Georg Lampen ärgert sich über die Straßenbaubeiträge der Stadt Hilden.

Georg Lampen ärgert sich über die Straßenbaubeiträge der Stadt Hilden.

Foto: Zelger, Thomas

An die Bürgerversammlung vor mehr als zwei Jahren kann sich Georg Lampen noch gut erinnern. Ihm und seinen Nachbarn eröffnete die Stadt Hilden, dass die Baustraße von Grund auf erneuert werden müsse. Neuer Untergrund, neuer Straßenbelag, neue Bürgersteige. Lampen, von Beruf Rechtsanwalt und früher Chef des NRW-Steuerzahlerbundes, war sofort klar, dass er und die anderen Anwohner der Baustraße früher oder später dafür zur Kasse gebeten würden. Und so kam es auch: Zwar stehen die endgültigen Bescheide noch aus, weil noch nicht alle Rechnungen vorliegen. Schon jetzt aber zeichnet sich ab, dass Lampen mehrere tausend Euro zahlen muss. „Dabei ist die Straße nur ein wenig glatter und gerader geworden“, sagt der Pensionär. Viele seiner Nachbarn trifft es härter. Manche beziehen Netto-Renten von 2000 Euro und sollen nun womöglich Beträge von 12.000 oder 15.000 Euro für die Straßensanierung aufbringen.

Wie Lampen und seinen Nachbarn geht es vielen Bürgern in Nordrhein-Westfalen. Anders als in den meisten Flächenländern werden hier die Grundstückseigentümer zur Finanzierung von Straßenbau-Arbeiten herangezogen. Diese sind die Gegenleistung dafür, dass auch die Anlieger durch die bessere Infrastruktur einen wirtschaftlichen Vorteil haben. Nicht selten führt das zu Rechnungen in fünfstelliger Höhe.

Weil viele die Straßenbaubeiträge als willkürlich und ungerecht empfinden, wird der Protest dagegen immer lauter. In NRW haben inzwischen rund 330.000 Menschen die Volksinitiative „Straßenbaubeitrag abschaffen“ des Bundes der Steuerzahler NRW unterschrieben, wie aus einer Mitteilung des Verbandes vom 22. Februar hervorgeht. Die Steuerzahler-Lobby kritisiert die Praxis in NRW und verweist auf die Position der CDU in Rheinland-Pfalz: Anders als die Parteifreunde in NRW halte sie die Beiträge für veraltet, vielfach existenzbedrohend und ineffizient, da der Verwaltungsaufwand sehr hoch und Rechtsstreitigkeiten häufig die Folge seien. Auch in Bayern wurden die Beiträge jüngst abgeschafft. Besonders in ländlichen Räumen werden teils sehr lange Straßenabschnitte auf wenige Anlieger umgelegt.

 Die Fraktionen von CDU und FDP schlagen im Düsseldorfer Landtag einen anderen Weg ein. Ihr Ziel ist es nicht, die Beiträge ganz abzuschaffen, sondern das zugrunde liegende Kommunalabgabengesetz (KAG) zu reformieren: Es gelte Lösungen zu finden, die soziale Härten für die Anlieger abfedern – und die Zahlung zu flexibilisieren und bürgerfreundlicher zu gestalten, heißt es in einem gemeinsamen Antrag von CDU und FDP, der Ende November im Landtag gegen die Stimmen der Opposition verabschiedet wurde. So soll es künftig einen Rechtsanspruch auf Ratenzahlungen geben. Zur rechtzeitigen Information der Bürger werden die Kommunen jetzt verpflichtet. Bei Stundungen soll ein Zinssatz zugrunde gelegt werden, der sich dynamisch am Zinssatz der Bundesbank orientiert. Denn mancherorts sind dem Vernehmen nach noch Mondzinsen von sechs Prozent üblich. Vor allem aber sollen die Kommunen mehr Entscheidungsfreiheit bekommen, ob sie die Beiträge erheben oder nicht. Bisher sind sie dazu verpflichtet.

„Ziel ist es, eine möglichst faire Lösung für alle Beteiligten auf den Weg zu bringen“, sagte die für Kommunen zuständige Ministerin Ina Scharrenbach (CDU) unserer Redaktion. So, wie das System sich derzeit darstelle, könne es in der Tat „zu unbilligen Härten gegenüber Anliegern“ kommen, räumte sie ein.

Das Ringen um eine neue Regelung beschäftigt den Landtag allerdings schon seit Jahren. Auch unter Rot-Grün war es nicht zu einer Einigung gekommen. Als Oppositionspartei fordert die SPD nun, dass das Land die Straßenausbaubeiträge komplett übernimmt. Es drohten ansonsten soziale Schieflagen, wenn die Kommunen künftig selbst entscheiden könnten, ob sie das Geld einfordern, heißt es auch bei den Grünen. Finanzschwache Städte und Gemeinden stünden damit noch schlechter da.

Tatsächlich verlören die Kommunen eine wichtige Einnahmequelle, wenn die Straßenbaubeiträge abgeschafft würden. Nach aktuellsten verfügbaren Zahlen lagen sie laut Kommunal-Ministerium in den Jahren von 2009 bis 2016 zwischen 112 Millionen Euro und knapp 127 Millionen Euro. Doch längst nicht alles davon kommt auch bei den Städten an: In Essen gehen etwa zwei Drittel der dortigen Einnahmen durch den bürokratischen Aufwand verloren. Wegen des drohenden Ärgers mit Bürgern verschicken inzwischen viele Kommunen auch keine Zahlungsaufforderungen mehr.

Wäre es vor diesem Hintergrund also nicht doch besser, die ungeliebten Beiträge abzuschaffen? Ein Gutachten warnt vor radikalen Lösungen: Die Abschaffung führe nicht unbedingt zur Befriedung der Diskussion. Es müsse dann etwa geklärt werden, welche anderen Abgaben im Gegenzug erhöht werden sollen, schrieb der Parlamentarische Gutachterdienst des Landtags Ende Januar. In Bayern zum Beispiel gab es neue Proteste: Jene, die noch kurz vor Abschaffung der Beiträge ihren Obolus gezahlt hatten, fordern die Summen nun zurück.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort