Kunstakademie öffnet ihre Ateliers
Morgen beginnt der alljährliche "Rundgang", eine Leistungsschau der Studierenden. Installationskunst und Malerei nehmen den meisten Raum ein, Videokunst und Grafik spielen dagegen kaum eine Rolle. Auch diesmal orientieren sich die Nachwuchskünstler oft an der Kunst ihrer Professoren.
Es riecht nach Farbe, Gummi, Plastik und manch anderen, teilweise schwer bestimmbaren Materialien, mit denen die Studierenden der Düsseldorfer Kunstakademie in den zurückliegenden zwölf Monaten gearbeitet haben. Auch in diesem Jahr laden sie wieder zum "Rundgang" ein, auf dass sich das kunstinteressierte Düsseldorf ein Bild davon mache, was sie sich haben einfallen lassen.
Wieder werden sich innerhalb von fünf Tagen Tausende Menschen durch die hohen Gänge schieben und alle paar Meter nach links oder rechts in ein Atelier abbiegen, das einer der international bekannten Professoren betreut: von Tony Cragg bis zu Rosemarie Trockel, von Katharina Fritsch bis zu Andreas Gursky. Und sie werden feststellen, dass die Studenten vor allem in denjenigen Genres arbeiten, die auch außerhalb der Akademie derzeit das meiste Interesse auf sich ziehen: Installations- und Objektkunst und Malerei.
Im Vergleich zu den großen Kunstmärkten vom Schlage der "Art Cologne" erweist sich beim Rundgang durch die Akademie allerdings rasch, dass hier keine Jury vorgeschaltet war. Reifes hängt neben Unausgegorenem, und nicht selten blitzt in den Bildern und Objekten das Vorbild des Professors, der Professorin auf.
Anregend ist der Rundgang dennoch – auch weil man mit den jungen Künstlerinnen und Künstlern umstandslos ins Gespräch kommt. Im Atelier der Klasse Rita McBride trifft man zum Beispiel Magdalena Kita, die mit Giulietta Ockenfuß dem Raum eine Installation aus Autoreifen eingepflanzt hat. Die beiden gehören der vor sechs Jahren gegründeten, internationalen Gruppe "Der Congress" an, die Performances und andere Veranstaltungen organisiert, und haben eigenem Bekunden zufolge in ihre Reifen-Kunst Autobiografisches einfließen lassen.
In der Klasse von Rosemarie Trockel stößt man unter anderem auf zwei grafisch wirkende, sehr poetische Figuren im Raum, die der Phantasie der jungen Künstlerin Friederike Haug entsprungen sind. Als dankbares Foto-Objekt erweist sich im Atelier der Klasse Katharina Fritsch eine Installation von Mercedes Neuß: Drei monumentale, überdimensionierte schwarze Wölfe empfangen die Besucher. Die Künstlerin hat sie in einem ihrer Träume dingfest gemacht.
Ein paar Meter weiter, in der Klasse Thomas Grünfeld, hat Agata Agatowska ihre wuchtigen Skulpturen aufgebaut. Eine trägt den Titel "Icecream": Eine Frau schleckt Eis; der Torso scheint zu zerfließen, und ein Hündchen trinkt das ablaufende Wasser. Wieder mal eine Traumskulptur. Dahinter halten zwei comichafte Heldinnen Wacht.
Nur mühsam lassen sich den Künstlerinnen und Künstlern Erklärungen ihrer Werke entlocken. Das Schweigen ist ihr gutes Recht; schließlich sollen die Bilder selbst sprechen. Dennoch glaubt man die Gegenwartskunst etwas besser zu verstehen, wenn man beim Rundgang auf die häufigsten Motive achtet. Comics sind als Ausgangsmaterial beliebt wie nie zuvor, auch in der Klasse Peter Doig. Dort lässt Kojima Satoschi in grellen Farben eine stilisierte Nackte mit einer Waffe hantieren.
Im Übrigen umfasst Malerei bei diesem Rundgang alles zwischen Ungegenständlichkeit und Figuration: monochrome Malerei ebenso wie Szenen, in denen sich der Alltag ins Irreale steigert. In der Klasse Tomma Abts kann man zum Beispiel auf einem Gemälde beobachten, wie ein Kamel ein altes Fernsehgerät und noch manches mehr trägt. Roman Kochanski hat sich das ausgedacht.
In den wundervollen Räumen, in denen früher die Schüler von Markus Lüpertz ihre modernen Spielarten von Salonmalerei zur Schau stellten, breitet sich jetzt die Kunst der Klasse Andreas Gursky aus. Gursky, der weltberühmte Fotograf, hat eine Professur für Malerei inne, und das merkt man der Ausstellung an. Vor manchen Bildern rätselt man, ob es sich um Fotografie oder Malerei handelt; etwa im Falle jenes Bildes von Luise Clement, auf dem vor einer schmuddeligen Wand die Spitzen zweier Polster einer Sitzgarnitur aufragen. Eine Nachfrage ergibt: Es ist Fotografie.
Wer Lust auf Zeichnungen und Druckgrafik hat, dem wird der Rundgang wenig bieten. Beide Genres stoßen offenbar bei Künstlern und Publikum zurzeit auf wenig Interesse. Immerhin hält die Klasse Siegfried Anzinger das Fähnchen der unerschrocken Aufrechten hoch.
In einem Raum, dessen Tür den Namen des jüngst von der Akademie mit einem Professorentitel ausgestatteten Düsseldorfer Kunstgießers Karl-Heinz Schmäke trägt, sitzt Michael Dekker neben einer 2,30 Meter hohen Skulptur "Blow your mind", die von Akademie-Rektor Tony Cragg stammen könnte. Auf den zweiten Blick stellt sich heraus, dass sie etwas kantiger ist als die Werke des Meisters. Cragg leitet die Klasse, in der dieses Werk entstand, und Schmäke betreute mit seinen Assistenten den Aluminium-Guss.
So erfährt man beim Rundgang nicht nur etwas von Kunst, sondern auch davon, wie sie technisch entsteht. Und was den Inhalt angeht: Politik spielt kaum eine Rolle, stattdessen erwachsen die Themen aus dem Alltag – und immer wieder auch aus Träumerei.