Zum Dreikönigstag Auf Spurensuche nach den heiligen Sterndeutern
Bethlehem/Köln · In der Bibel werden ihre Namen nirgends erwähnt, auch wird nicht gesagt, dass es drei waren und woher sie stammen. Vieles haben Menschen in späteren Jahrhunderten kurzerhand hinzugedichtet.
Dass sich die Sternsinger auch in diesem Jahr rarmachen, daran ist mal wieder das fiese Virus schuld. Und so kommt mancher vielleicht auf die Idee, schnell im Buch der Bücher nachzulesen, wie also alles begann. Wo stand die Geschichte noch gleich in der Bibel? Der Weihnachtsklassiker ist natürlich das Lukas-Evangelium, doch da findet sich zu den drei Königen erst einmal gar nichts. Oder haben wir es überlesen? Dann eben Matthäus – und siehe da: Von Gold, Weihrauch und Myrrhe ist dort zu lesen, auch von Weisen aus dem Morgenland. Doch nirgends ist von dreien die Rede, erst recht tauchen ihre Namen Caspar, Melchior und Balthasar nirgends auf. Eine falsche Bibelausgabe? Oder gehört die Anbetung des Herrn zu den Fake News?
Eine solche Unterstellung hört niemand gerne, schon gar nicht im Rheinland, wo die heiligen drei Sterndeuter praktisch eingebürgert sind, seitdem ihre Gebeine im Dom zu Köln aufbewahrt werden. Das haben wir Rainald von Dassel (ca. 1114-1167) zu verdanken. Der war Kanzler des Heiligen Römischen Reiches, außerdem Erzbischof von Köln - und stand Kaiser Friedrich Barbarossa 1162 bei der Eroberung Mailands derart hilfreich zur Seite, dass ihm Kriegsbeute vermacht wurde: die in Mailand bis dahin bewahrten Gebeine der Heiligen Drei Könige. Der Erzbischof war nicht nur gottesfürchtig, sondern eben auch geschäftstüchtig. So inszenierte er die Überführung (vornehm Translation genannt) aus Norditalien an den Rhein als christliche Werbetour. In einzelnen Städten sollen sogar kleine Stoffproben der Königsgewänder verschenkt worden sein. Köln wurde alsbald zur beliebten Pilgerstätte, die für all die Besucher schließlich eine neue, viel größere Kirche brauchte. 1248 wurde der Bau der Kathedrale beschlossen, und dass ihre Fertigstellung 632 Jahre benötigte, ist eine ganz andere Geschichte.
Zurück zu den Sterndeutern, die zumindest am Dreikönigstag teilweise sichtbar werden: Am Schrein im Dom wird die Platte geöffnet, so dass der Blick auf die drei Schädel frei wird. Die durften die Menschen ganz früher noch berühren, doch diese Zeiten sind auch aus konservatorischen Gründen vorbei. Ob es sich um jene Weisen handelt, die an der Krippe das Jesuskind anbeteten? Man weiß es nicht. Zumindest wurden die Stoffe im Schrein untersucht, und die waren schon ziemlich alt. Der syrische Damast, Purpur und Seide stammen aus dem 2. Jahrhundert nach Christus und bezeugen auf jeden Fall die hohe Stellung der Toten.
Vielleicht gab man ihnen auch darum die Bezeichnung der Könige. Der Menschwerdung Gottes wollte man zusätzlichen Glanz verleihen. Hilfreich war für diese Übersetzung Psalm 72, in dem es heißt: „Die Könige kommen mit Gaben. Alle Könige müssen ihm huldigen, alle Völker ihm dienen.“ Nach biblischer Überlieferung aber müssten sie Magier genannt werden, nach dem griechischen Wort „magoi“.
Ihre Anzahl ist ebenfalls eine Textinterpretation. Die war vergleichsweise einfach: Mit Gold, Weihrauch und Myrrhe wurden drei Geschenke zur Krippe gebracht, also mussten es auch drei Magier sein. Dachte man sich. Und deren Geschenke sind symbolisch spannend. So ist Gold natürlich ein Zeichen für Reichtum und Macht; mit Weihrauch wird der anwesende Gott angezeigt, und Myrrhe diente als Salbungsöl für Kranke, es steht für das Leiden, aber auch für den Tod. Das ist an der Stätte der Geburt zwar eine bittere Gabe, doch zugleich eine Prophezeiung. Dazu gibt es dieses unglaubliche Ölgemälde des niederländischen Malers Rogier van der Weyden (1400-1464) – ein Krippenbild, das „Anbetung der Könige“ heißt und Teil eines Columba-Altars ist. Am mittleren Pfeiler des Stalls hängt dort ein Kruzifix. Das ist herzzerreißend: Gerade erst ist das Jesus-Kind geboren, da wird ihm schon seine spätere Passion vor Augen gehalten, das qualvolle, stundenlange Sterben am Kreuz. So weise die Sterndeuter auch sein mögen, das ahnen sie nicht. Auf dem Bild gilt ihre Aufmerksamkeit ganz dem Jesuskind.
Mit der Zahl Drei hat man der biblisch überlieferten Krippenszene mehr Anschaulichkeit verliehen. Was freilich noch fehlte, war eine nähere Identifizierung der Magier. Im 6. Jahrhundert erfuhren sie also ihre späte „Taufe“ und bekamen die Namen Caspar, Melchior und Balthasar, die unterschiedlichen Sprachen entstammten: Caspar kommt aus dem Altpersischen, Melchior hat hebräische und Balthasar hebräische wie auch babylonische Sprachwurzeln. Es soll also nicht nur um die hohe Stellung der Männer gehen; sie sollen auch möglichst viele Menschen vertreten. In gewisser Weise ist ihr Auftritt kosmopolitisch, zumindest in den Vorstellungen der damals bekannten Welt, die sich auf die Kontinente Afrika, Asien und Europa beschränkte. Beglaubigt wird das mit den passenden, ebenfalls zugedichteten Reittieren wie Elefant, Kamel und Pferd.
Und wo man schon dabei war, die Geburtsszene munter auszustaffieren, verpasste man den Dreien auch unterschiedliche Hautfarben. Caspar wurde zumeist als ein schwarzhäutiger Mann dargestellt. Das hat längst zu Debatten und vor allem zu Konsequenzen für die Verkleidung der jungen Sterndeuter geführt. Der biblischen Zudichtung soll nicht auch noch eine rassistische Darstellung folgen. Mancherorts werden Krippen in den Kirchen umgestaltet, oder die Figuren verschwinden ganz. Wie etwa im Ulmer Münster. Dort war Melchior der schwarze König, den der Künstler Martin Scheible in den 1920er Jahren mit wulstigen Lippen dar und einem Goldring am nackten Fuß zeigte. Man wolle keine Figur ausstellen, die schwarze Menschen verächtlich macht, hieß es seinerzeit aus Ulm und entfernte alle drei.
Auch solche Debatten zeigen, was die Menschen sich in den vergangenen Jahren hinzudachten, wie sie ihr Bild von der Welt und ihren Bewohnern ins Bild setzten, wie sie die frohe Botschaft für sich in ihre Zeit holen wollten. Und die drei Weisen, Magier oder auch Sterndeuter sind bis heute eine dankbare Projektionsfläche dafür. Sie stammen aus einer uralten Geschichten, deren Auftritt der Evangelist Matthäus mit seinen Worten nur so beschrieb: „Und siehe, der Stern, den sie hatten aufgehen sehen, ging vor ihnen her, bis er über dem Ort stand, wo das Kindlein war. Da sie den Stern sahen, wurden sie hocherfreut und gingen in das Haus und sahen das Kindlein mit Maria, seiner Mutter, und fielen nieder und beteten es an und taten ihre Schätze auf und schenkten ihm Gold, Weihrauch und Myrrhe.“