Düsseldorf Streit um "Hexenvergleich" im Schauspielhaus

Düsseldorf · In der Düsseldorfer "Spieler"-Premiere war die Rede von einer "Hexe". Viele bezogen das auf Kulturministerin Ute Schäfer (SPD).

 „Der Spieler“ auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses: Mitten im Stück verlässt Michael Abendroth (li.) die Textvorlage und spricht frei über die weggespielten 5,4 Millionen Euro. Auch von einer „Hexe“ , die alle ruiniert, ist in diesem Zusammenhang die Rede.

„Der Spieler“ auf der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses: Mitten im Stück verlässt Michael Abendroth (li.) die Textvorlage und spricht frei über die weggespielten 5,4 Millionen Euro. Auch von einer „Hexe“ , die alle ruiniert, ist in diesem Zusammenhang die Rede.

Foto: Sebastian Hoppe

Man konnte es in der Premiere von Dostojewskis dramatisierten Roman "Der Spieler" am Düsseldorfer Schauspielhaus nicht missverstehen. Jener Exkurs, den Schauspieler Michael Abendroth in der Rolle des Generals unternahm, zielte eindeutig in Richtung Kultur-Landespolitik. Im Urtext wird die Erbtante Antonida (Babuschka) an einer Stelle als "Hexe" bezeichnet. Dieses Stichwort griff der Schauspieler auf und redete frei in mehreren Sätzen von dem 5,4-Millionen-Loch, von Führungslosigkeit und auch von "einer Hexe, die alle ruiniert". Ein Raunen ging durchs Premierenpublikum, das mehrheitlich vermutete, mit dieser Hexe sei die zuständige Kulturpolitikerin Ute Schäfer gemeint.

Das Finanzloch von 5,4 Millionen war im Dezember des vergangenen Jahres von Kulturministerin Ute Schäfer (SPD) in der Aufsichtsratssitzung Intendant Manfred Weber zum Vorwurf gemacht worden. Schäfer, die seit Frühjahr 2013 den Vorsitz in diesem Gremium innehat, hatte dem von Stadt und Land zu gleichen Teilen getragenen Theater außerdem Finanztricks vorgeworfen. Durch vorzeitige Buchungen, so wurde unterstellt, habe der Intendant sein Defizit kleingerechnet.

Intendant Weber, der vor seiner Intendantenzeit seit 2002 als kaufmännischer Geschäftsführer des Schauspielhauses bereits in der Verantwortung stand, fühlte sich von diesen Vorwürfen zu Unrecht getroffen. Das gesamte Team am Gustaf-Gründgens-Platz steht seitdem unter Schock. Die Angst vor der Zukunft kennzeichnet am ehesten die Stimmung im Hause, für das derzeit ein neuer Intendant gesucht wird.

Darf eine negative Stimmung dazu führen, dass aktuelle Politik in den Bühnenstoff eingreift und zum Extemporieren verführt?

"Ja", sagt Regisseur Martin Laberenz. Das Thema sei bei den Proben hochgekocht. "Es lag in der Luft." Er fordere seine Schauspieler stets zu Improvisationen auf und dazu, ihre Biografie mit auf die Bühne zu bringen. "Wenn es mich berührt, wird es doch erst interessant", sagte Laberenz gestern im Gespräch mit dieser Zeitung. Das Spiel mit den Realitäten, die Doppelbödigkeit von Texten, mache das Theater erst lebendig. "Wenn auch die Sätze, die Abendroth spricht, so nicht im Text vorkommen, sind sie dennoch Teil des Dostojewski-Kosmos."

Warum hat sich Michael Abendroth in Gestalt des Generals zu diesem Exkurs verleiten leiten?

Der Regisseur erklärt das so, dass der 66-jährige Abendroth Ältester im Team ist und über die entsprechende Autorität verfüge. Abendroth selbst sagte auf Anfrage: "Ich habe versucht, diese Einlage selbstironisch zu gestalten". Er leide genauso wie alle anderen unter der ungeklärten Situation am Haus seit dem Weggang von Staffan Holm Ende 2012. "Es tut weh", sagt Abenroth, "so ein schönes Haus wie das unsere in den allgegenwärtigen Krisen zu erleben. Wir verspielen derzeit alles. Wir sind Menschen, die immer um ihr Leben spielen. Dass man die Situation am Haus inklusive der bevorstehenden Intendanten-Wahl oder -Nichtwahl thematisiere, liege nah. "Was machen wir hier, wenn das Haus geschlossen wird?" Seine aus der Intention des Regisseurs abgeleitete Improvisation wurde textlich nicht fixiert. Er habe, als er von einer Hexe sprach, nicht eine konkrete Person gemeint. Er wisse im Übrigen gar nicht, dass die Kulturverantwortung im Land in den Händen einer Frau liege.

Was sagen die Freunde des Schauspielhauses?

Sie sind uneins in der Bewertung des Vorgangs. Während Vorsitzender Michael Strahl die Einlage befürwortete ("So etwas muss erlaubt sein!"), reagierte Vize Peter Haeffs eher verhalten auf die seiner Meinung nach skandalöse Zwischenbemerkung. Haeffs sagt: "Das Stück ist nicht geeignet, eigene Meinungen über den Zustand des Schauspielhauses zu verbreiten." Strahl hält die Extemporierung für geschickt platziert und gezielt. "Jeder wusste, was gemeint war", sagt er.

Und die Ministerin?

Sprecherin Stephanie Paeleke sagt, Ute Schäfer sei nicht in der Vorstellung gewesen; sie habe von dem Vorgang in der Zeitung gelesen. Sie fühle sich weder angegriffen, noch sehe sie sich veranlasst, auf Inhalte zu reagieren.

(RP)
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