Pop und Israel Israelfeindliche BDS-Bewegung gewinnt Einfluss – Roger Waters freut es

Düsseldorf · Der Ärger um die Ruhrtriennale zeigt: Die israelfeindliche BDS-Bewegung gewinnt an Einfluss im deutschen Kulturbetrieb. Durch die Wiedereinladung der umstrittenen Band Young Fathers ist der Kampagne ein Punktgewinn gelungen. Dabei sollte es bleiben.

 Im Juli 2017 störten BDS-Aktivisten ein Konzert der Band Radiohead in Glasgow. Sie forderten die Musiker dazu auf, ihr Konzert in Tel Aviv abzusagen.

Im Juli 2017 störten BDS-Aktivisten ein Konzert der Band Radiohead in Glasgow. Sie forderten die Musiker dazu auf, ihr Konzert in Tel Aviv abzusagen.

Foto: picture alliance / empics/Andrew Milligan

Es bleibt zu hoffen, dass es nie so kommt, wie Roger Waters glaubt: „Ohh ohh ohh the tide is turning!“, twitterte der Pink-Floyd-Mitbegründer vergangene Woche. Eine Gezeitenwende wollte Waters festgestellt haben.

Der notorische Israel-Gegner wähnt offenbar die von ihm unterstützten israelfeindlichen Kräfte auf dem Vormarsch. Und das alles wegen eines Festivals im Ruhrgebiet. Zugegeben, keinem Stadtteilfest, sondern einem der bedeutendsten Kulturfestivals hierzulande: Die Ruhrtriennale hatte die Band Young Fathers für ein Konzert zunächst ein- und dann wieder ausgeladen, zuletzt wieder eingeladen, obwohl die Band den Boykott Israels fordert und die als antisemitisch kritisierte BDS-Bewegung unterstützt. Einladung, Ausladung, Einladung also – was ein Hickhack –, zuletzt und wohl endgültig: Absage durch die Band. Für die Ruhrtriennale endete das Hin und Her im Debakel. Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen (parteilos) kritisierte die Entscheidung der Festivalleitung, die Young Fathers überhaupt wieder eingeladen zu haben. Und die Ministerin hatte recht damit: Der Band diese Bühne geben zu wollen, war das falsche Signal. Dass sie nun nicht auftritt, ist Nebensache. Roger Waters frohlockt.

Vor allem aber zeigt der Fall, dass die israelfeindliche BDS-Bewegung ihren Einfluss ausweitet. Intendantin Stefanie Carp hat der Bewegung zu einem Punktgewinn verholfen. Sie sah ihr Festival von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt, der von BDS und ihren Gegnern. Vor den Israel-Gegnern knickte sie schließlich ein. So wirkt das nun.

BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“. Die Bewegung will die Isolierung Israels erreichen. Sie setzt dafür auf Kampagnen, gerade auch im Kulturbetrieb. Weil Musiker viel unterwegs sind, erweiterte sich dadurch zuletzt auch der Aktionsradius von BDS. Ist die Bewegung vor allem unter britischen Musikern gut vernetzt, wirkt sich ihr Engagement spürbar auch in Deutschland aus. 2017 rief die Bewegung zum Boykott des Berliner Pop-Kultur-Festivals auf, weil die israelische Botschaft die Künstlerin Riff Cohen mit 500 Euro Reisekostenzuschuss förderte. Auch Young Fathers sagten ihren dortigen Auftritt deshalb ab. In diesem Jahr wird das Festival wieder boykottiert.

Anlässlich „der Buchungsanfrage an die Young Fathers“ sei ihnen die Diskussion um die Berliner Konzertabsage bekannt geworden, heißt es von der Ruhrtriennale. Das ist erstaunlich spät für ein Unternehmen aus der Festivalbranche, aber es wäre noch früh genug gewesen, um die Band wieder aus dem Programm zu nehmen. Gründe genug gibt es dafür. So unterstützte die Band ebenfalls im vergangenen Jahr die BDS-Kampagne gegen die Band Radiohead, die nicht bereit war, ihre Konzerte in Tel Aviv abzusagen. So geht BDS immer vor: Veranstalter oder Künstler werden unter Druck gesetzt, mit E-Mails, Twitter-Postings und Offenen Briefen. Vor Konzerthallen wird gegen aus BDS-Sicht renitente Musiker protestiert. Künstler wie Roger Waters machen dafür Stimmung.

Fünf Künstler sagten ab

Brian Eno kritisierte die Ruhrtriennale, nachdem das Festival den Young Fathers abgesagt hatte. #SupportYoungFathers – so war der Boykott-Aufruf verschlagwortet, mit dem das Festival konfrontiert wurde. Fünf Künstler sagten ab, die Auftritte sollen nun aber doch stattfinden. Und es gab weitere Boykott-Androhungen. „Es hätten wesentliche internationale Künstlerinnen und Künstler abgesagt“, sagte Intendantin Carp am Dienstag auf Anfrage unserer Redaktion. Welche Künstler genau, sagte Carp nicht.

Von einer „Form des kulturellen Terrors“ sprach Labelmanagerin Anne Haffmans neulich im Musikmagazin „Spex“ in Bezug auf die BDS-Strategie. Apropos Terror: Auch die Hamas unterstützt BDS. Nun ist niemand gefeit vor Applaus von den falschen Leuten. Keineswegs aber übt BDS lediglich Kritik am Staat Israel. Seit seiner Gründung im Jahr 2005 versucht das Bündnis von 171 palästinensischen Organisationen Israel zu diskreditieren. Der Staat sei auf Land gegründet worden, das zuvor „von seinen palästinensischen BesitzerInnen ethnisch gesäubert wurde“ – schon der Gründungsaufruf der Bewegung beginnt mit Fehl­informationen, war das Land doch ab Beginn des 20. Jahrhunderts arabischen Großgrundbesitzern abgekauft worden.

Die Bewegung nennt Israel einen Apartheid-Staat, ungeachtet der Tatsache, dass das Land die einzige Demokratie in der Region ist. Mit dem Vorwurf machen es sich die Boy­kot­teure zudem bequem, sind doch Täter und Opfer sogleich benannt. Begründet wird das Vorgehen mit Menschenrechtsverletzungen, verübt, so BDS, durch den Staat Israel. Über Angriffe auf Israel aus den Palästinenser-Gebieten schweigt die Bewegung. Stattdessen werden israelische Bürger in Kollektivhaftung genommen. Keine Pop-Konzerte für niemanden in Israel möchte BDS; keine Auftritte israelischer Künstler, nirgendwo – ungeachtet der Person und ihrer persönlichen Haltung. In gleicher Weise sind israelische Unternehmer oder Wissenschaftler von Boykott-Kampagnen betroffen.

Bei BDS wird man den Eindruck nicht los, dass die Bewegung lediglich den Umweg über Israel nimmt: Der Staat wird zur Projektionsfläche für einen antiisraelischen Antisemitismus. „Artwashing“ nennt es BDS, wenn Israel Reisekostenzuschüsse bewilligt. „Pinkwashing“ warf BDS zuletzt einem Filmfest der schwulen und lesbischen Gemeinde in Tel Aviv vor. Dass Israel seinen Bürgern ungeachtet der sexuellen Orientierung gleiche Rechte einräumt, anders als seine Nachbarn – egal. Der Verdacht von BDS: Israel will sich lediglich reinwaschen.

Young Fathers begründen Absage nicht

Nun ist wohl nicht jeder Künstler, der sich einmal unbedacht oder unter Druck auf einen Aufruf von BDS einlässt, ein Antisemit. Und auch nicht jeder, der Israel kritisiert – das hatte Ruhrtriennale-Intendantin Carp immer wieder betont, obgleich das niemand in der Auseinandersetzung behauptet hatte.

Zugleich darf man von Künstlern erwarten, dass sie wissen, auf wen sie sich einlassen. Die Young Fathers wissen das bestimmt. Sie sind nicht zum ersten Mal einem Aufruf von BDS gefolgt.

Begründet haben die Musiker ihre Absage trotz Wiedereinladung bis Dienstagabend nicht, dabei waren sie es, die auf einer BDS-Plattform gegen ihre Ausladung protestiert hatten. Selbstkritikfähigkeit scheint ohnehin nicht weit verbreitet unter den Israel-Gegnern. Die BDS-Unterstützerin Kate Tempest zog es vergangenes Jahr vor, ein Konzert an der Berliner Volksbühne abzusagen, statt sich der Kritik zu stellen.

Auch der Sänger Nick Cave sah sich in der Vergangenheit mit BDS-Kampagnen konfrontiert, einmal, so erzählte er, habe ihn Kollege Brian Eno aufgefordert, einen Boykott-Aufruf zu unterzeichnen. Cave unterschrieb nichts, aber Eno brachte ihn auf eine Idee: Er war schon seit Jahrzehnten nicht mehr in Israel aufgetreten, stellte er fest. Im November 2017 flog Nick Cave nach Tel Aviv.

(kl)
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