Ruhrtriennale Die Schrecken der Kolonialzeit

Die Ruhrtriennale zeigt Éric Vuillards Erzählung „Kongo“. Ein gelungenes Lehrstück.

 Engagierte Erzähler: die Darsteller des Stückes Congo bei der Ruhrtriennale.

Engagierte Erzähler: die Darsteller des Stückes Congo bei der Ruhrtriennale.

Foto: Agathe Poupeney/Agathe POUPENEY

Das Stück „Congo“ des Choreographen und Regisseurs Faustin Linyekula ist mehr lebendige Geschichtsstunde als Theater-Performance. Spärlich eingesetzte Requisiten und eine reduzierte, aber wirkungsvolle Komposition aus Licht und Ton dienen bei der Deutschen Erstaufführung im Programm der Ruhrtriennale im Duisburger Landschaftspark-Nord allein dazu, den Schrecken der Kolonialzeit deutlich zu machen.

In Bericht der Vereinten Nationen las der kongolesische Choreograph, dass zwei Prozent der Jugendlichen, die in Belgien die Oberstufe abschließen, nicht einmal wissen, dass der Kongo eine belgische Kolonie war. Die Zahl der Deutschen, die wissen, dass die Aufteilung Afrikas unter den europäischen Kolonialmächten bei der von Reichskanzler Bismarck organisierten Kongokonferenz in Berlin 1884 ihren Ausgang nahm, wird noch geringer sein. Linyekula sieht darin „ein Zeichen dafür, dass es an der Zeit ist, diese Geschichte zu hören, leidenschaftslos“.

Der Zuschauer begegnet auf der kargen Bühne der Gebläsehalle so keinen konkreten Figuren, die durch ihre Lebensgeschichte anrühren. Der aus dem Kongo stammende Moanda Daddy Kamono ist eine Art Sprachrohr für Éric Vuillards Erzählung „Kongo“, die von der brutalen Kolonialzeit erzählt, geschichtliche Daten liefert und Biographien zum Beispiel des englischen Abenteurers Henry Morton Stanley, der für den belgischen König Leopold II. den Kongo „kaufen“ und dieses Geschäft durch Ausbeutung seiner Rohstoffe lukrativ machen sollte.

Der Schauspieler erzählt vom Wüten der europäischen Kolonialisten eindringlich und dauerhaft erregt. Mehr Zwischentöne hätten seinem Vortrag sicher gut getan. Dass sich die Zuhörer dieser realen Gräuelgeschichte trotzdem nicht verschließen, liegt daran, dass sie von den anderen beiden Beteiligten immer wieder auf gelungene Art und Weise aufgebrochen wird: Faustin Linyekula tanzt einige berückende Soli, die vom in die Enge getriebenen, zerrissenen Menschen künden. Von einem Menschen, der sich in seinem schwarzen Körper nicht mehr wohlfühlt, den die weißen Eindringlinge zum „anderen“ machen, zum nicht ganz menschlichen, halb-animalischen.

Pasco Losonganya, deren mit weißer Farbe bemalter Körper für den zersplitterten, willkürlich aufgeteilten Kontinent steht, singt Lieder aus kongolesischen Dörfern, in denen Kinder lebten, denen von Kolonisten die Hände abgeschlagen wurden, weil sie nicht genug Kautschuk lieferten. Zusammen mit Field-Recordings und klaren Lichtsetzungen ergibt alles eine gelungene Kongo-Partitur, die vor allem eine Lektion ist, die man nicht so schnell vergessen wird.

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