Ein Wochenende für die Musik So klingt das New Fall Festival

Das Herbstfestival für Musik und Streitkultur brachte Künstler wie Apparat und Alligatoah in die Stadt.

Elektronische Sphärenklänge im Schumann-Saal: Sascha Ring alias Apparat mit Band beim New Fall Festival.

Elektronische Sphärenklänge im Schumann-Saal: Sascha Ring alias Apparat mit Band beim New Fall Festival.

Foto: Festival/Reiner Pfisterer

Das Wochenende gehörte dem New Fall Festival. An verschiedenen Orten fanden Konzerte und Diskussionen statt, Düsseldorf klang selten so gut. Stellvertretend für die Fülle an Veranstaltungen haben unsere Autoren drei Ereignisse besucht.

Alligatoah in der Tonhalle „Alli-Alligatoah, Alli-Alligatoha“ singt das Publikum, theatralisch reißt Lukas Strobel das Mikro vom Mund zur Menge und zurück: er die Strophe, das Publikum den Refrain. Es hat Sekunden gedauert, bis der Sänger und Rapper sich die etwas spröde Kulisse der Tonhalle angeeignet und zu seiner Bühne gemacht hat. Er rattert Zeilen herunter, singt mit Schmelz und ohne Kitsch und geht auf in seiner Kunstfigur, der nichts hinzuzufügen ist – außer Applaus. Den bekommt Alligatoah reichlich: vor, nach und zwischen den Liedern. Als er aus Versehen seinen Hocker umkippt. Als er das Gregor-Schwellenbach-Sextett vorstellt, indem er erklärt, in welche Mülltonne die jeweiligen Instrumente gehören. Es ist alles ein bisschen wie bei Helge Schneider, wie Strobel sich durch die Show hangelt, wie gekonnt hilflos er sich bewegt, und kein bisschen weniger sympathisch. Noch bevor er sein erstes Wort sagen kann, muss das Publikum lachen; und jeder weiß, dass das kein Auslachen ist, sondern – man muss es so sagen – Liebe. Und wie könnte man Lieder nicht mögen, die so wunderbar ehrlich sind wie „Du bist schön“ („aber dafür kannst du nichts“), provokant wie „Willst du“ („mit mir Drogen nehmen“) und kritisch wie „Wo kann man das kaufen“? Sie sind einer zurückhaltenden Instrumentierung zu hören, das Sextett umspielt Strobels Stimme, die so gut zur Geltung kommt. Er tanzt, er swingt, er schwelgt, und am Ende will man nur noch weg – weg aus der realen Welt, hinein in die von Alligatoah, in der Mitgefühl, Humor und Ehrlichkeit regieren. Oliver Burwig

Podiumsdiskussion im NRW-Forum Das ganze Festival-Wochenende über ist das Foyer des NRW-Forums Ort politischer Diskussionen über die Zukunft der Gesellschaft. Festivalmacher Hamed Shahi will mit dem New-Fall-Forum einen Dialog starten und über Fragen wie Heimat, Pop und Politik und Werte im HipHop erörtern. Er hat dafür durchaus streitbare Teilnehmer eingeladen. So stockt der Dialog bereits am ersten Abend. Die „Taz“-Redakteurin und Schriftstellerin Fatma Aydemir sagt ihren Auftritt bei der Diskussionsrunde zum Thema Heimat kurzerhand per Twitter ab, da sie erst kurz zuvor aus dem Programm entnommen habe, dass auch „Focus“-Journalist Jan Fleischhauer auf dem Podium sitze. Ihrer Meinung nach gibt es „mit rechten Hunden keine Gesprächsgrundlage“. Sehr viel gesitteter geht es am Freitagabend in der anderthalbstündigen, gut besuchten Runde zum Thema „Politik in der Popmusik“. Mit dabei sind die Sängerinnen Antje Schomaker und Mine sowie der Pop-Autor Jens Balzer. Alle drei üben sich brav im Konsens, dass Pop Politik ist, Xavier Naidoo boykottiert gehört – genauso wie Farid Bang und Kollegah. Zum Glück ist mit Fuat Ergin ein Mann mit einer konträren Meinung eingeladen worden, der vor allem die verbale Grenzüberschreitung als integralen Teil der HipHop-Kultur verteidigt. Der in Deutschland aufgewachsene Rapper lebt seit 2004 in der Türkei, wo seine politischen Songs von der regierenden AKP in die Nähe der Gülen-Bewegung und der PKK eingeordnet werden. Clemens Henle

Apparat im Schumann-Saal Der Ehrenhof wirkt in einer in den Herbst vertagten Spätsommernacht belebt. Draußen wird zu elektronischen Klängen von Lucas Croon (BAR) gegroovt, während drinnen die Blicke auf Sascha Ring ruhen, der mit seinem Projekt Apparat samt vierköpfiger Band den Schumann-Saal bespielt. Der Abend steht im Zeichen sphärischer Sounds. Diese mäandern, begleitet von Cello und Geige, über die Köpfe des Publikums. Nachdruck verleiht eine Posaune, die ansonsten angeleuchtet wie Excalibur mittig auf der Bühne thront. Apparat bewegt sich zunächst an der Schnittstelle von Avantgarde und Pop. Das Zusammenspiel besticht durch improvisierte Einlagen in älteren und neuen Stücken. Das Konzert als ein einziges Überraschungsmoment. Erst in den 20 Minuten vor Schluss verdichtet sich der Sound, die Stücke werden kürzer und eingängiger. So haftet dem Gros des Auftritts eine Unmittelbarkeit an, wie das nur wenigen Popkonzerten gelingt. Das kommt auch beim Publikum an. Der Abend sei sehr emotional gewesen, bekundet ein Fan am Ende. Chris Hegholtz

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