Ohne Sekt und Küsschen Wie Duisburg in Corona-Zeiten Theater macht

Duisburg · Im Duisburger Theater darf ein Bühnen-Paar sich umarmen – trotz der Abstandsregeln. Denn es ist auch im richtigen Leben ein Paar. Sogar der Arbeitsschutz hat zugestimmt: Theater in Corona-Zeiten.

Das Theater Duisburg kann von seinen rund eintausend Sitzplätzen nur etwa 100 mit Besuchern belegen.

Das Theater Duisburg kann von seinen rund eintausend Sitzplätzen nur etwa 100 mit Besuchern belegen.

Foto: dpa/Roland Weihrauch

Es gibt kein Gläschen vorher, kein Küsschen zur Begrüßung und auch keinen Büchertisch: „Wir müssen alles vermeiden, dass die Leute sich knubbeln“, sagt Duisburgs Schauspiel-Intendant Michael Steindl. Während die großen Bühnen in Düsseldorf, Bonn und Köln wegen der Corona-Pandemie die Saison lange beendet haben, ist das Theater in Duisburg eines der wenigen Häuser in Nordrhein-Westfalen, das nochmal aufgemacht hat. In diesem geräumigen Haus sitzen nun in den Vorstellungen höchstens vier Menschen in jeder Reihe. Hundert Besucher verteilen sich mit viel Abstand auf über tausend Plätze. Das sieht aus wie ein Schachbrett.

Im Drama „Antigone“ von Jean Anouilh steht Adrian Hildebrandt auf der Bühne, er spielt einen Wärter. „Die Distanz ist größer. Man spielt in einem leereren Raum“, berichtet der 30-Jährige über die neue Situation. Aber auf das Theaterspielen wirke sich das nicht aus, versichert er.

Allerdings: Auch auf der Bühne gelten Corona-Regeln: Das Abstandsgebot betrifft selbst die Schauspieler. Vor der Premiere von „Antigone“ habe er eine kleine Ansprache gehalten, erzählt Hausherr Steindl. Denn das Liebespaar, das sich auf der Bühne umarmt, ist auch im richtigen Leben ein Paar - kein Grund zur Sorge also. Sogar der Arbeitsschutz der Stadt hat der Annäherung zugestimmt. Im Theater müssen Besucher beim Herein- und Hinausgehen Gesichtsmasken tragen. Auf den Plätzen darf man ohne Schutz sitzen.

Anders am Schauspielhaus Bochum, das ebenfalls vor der Sommerpause zurückgekommen ist. Die Gesichtsmaske hätten alle Zuschauer in Saal aufbehalten, berichtete der Journalist Werner Streletz auf Facebook: Es sei ein befremdliches Bild gewesen, das sich ins Geschehen auf der Bühne mit signalrot gekleideten Schauspielern einfügte. „Als wären wir Zuschauer der (stumme) Chor eines antik-griechischen Theaterspiels: der mit dem Ensemble eine Gemeinschaft in Zeiten von Corona bildete“, so der Eindruck des Besuchers. In Bochum waren die kostenlosen Karten für sämtliche Vorstellungen schnell vergriffen. „Der Schlussapplaus klingt bei 50 Personen im Saal natürlich anders als bei 800“, sagte ein Sprecher.

Dass im Theater in Duisburg bis zum Saisonende am 28. Juni noch gespielt wird, hat mit einer Besonderheit zu tun: Hier werden viele große Opern und Ballette aus der Theaterehe mit Düsseldorf aufgeführt. Doch die dortige Oper am Rhein hat die Saison beendet. Da kann das Schauspiel in Duisburg mit seinen schlanken Strukturen das freie große Haus nutzen. Aber nicht alle 100 verfügbaren Plätze sind immer ausverkauft. Etwa 80 Leute kommen im Schnitt, erzählt Steindl. Karten kosten 15 Euro.

Acht Schauspieler probten in Duisburg „Antigone“ fünf Wochen lang auf der großen, 24 Meter breiten Bühne. „Der Lockdown hat es möglich gemacht“, sagt Steindl über die Zeit. „Als wir an dem Punkt waren, alles abzusagen, kam plötzlich für uns aus heiterem Himmel, dass wieder gespielt werden darf.“

Eine andere neue Produktion kommt vom Theater Strahl aus Berlin, es ist das Theaterstück „Klasse Glück“. Die großen Masken der Schauspieler mussten extra coronavirus-sicher gemacht werden, berichtet Theaterleiter Wolfgang Stüßel. In der Heimat der Schauspieler in Berlin darf noch nicht gespielt werden.

Es ist Glück im Unglück, dass das Theater in Duisburg krisenerprobt ist: Vor einem Jahr setzte an einem Morgen die Sprinkleranlage die Bühne unter Wasser. Wochenlang konnte nicht gespielt werden. „Das war ein guter Probelauf für Corona“, sagt der Intendant. Damals mussten 800 Besucher der Abendvorstellung schnell informiert werden. Insgesamt waren 15 000 Tickets zu stornieren. Danach wurde in Duisburg gefragt, ob Besucher nicht E-Mail oder Telefon angeben wollen. Zu Coronavirus-Zeiten ist das jetzt Pflicht.

(chal/dpa)
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