Düsseldorf Neue coole Kunstfabrik

Düsseldorf · In Düsseldorf öffnet am Sonntag das Privatmuseum von Sammler Gil Bronner. Die erste Wechselausstellung bestreitet Friedrich Kunath.

An der schicken grauen und pulverbeschichteten Fassade rechts vom Eingang hängt eine Leuchtschrift: "Sammlung Philara" verheißt von draußen, was drinnen zu sehen ist. Linkerseits wurde dazu "Glas Lennarz" montiert. Das heißt: Was hier einmal war, eine über Jahrzehnte florierende Glasfabrikation, soll nicht ausradiert werden.

Mit Respekt vor der Industrie hat sich der Zeitenwechsel im alten Handwerkerstadtteil Flingern vollzogen. Gil Bronner, 54 Jahre alt und vermögender Immobilienentwickler, der für die Kunst brennt und sie in großer Stückzahl sammelt, hat 2009 diese Glasfabrik und das verwilderte Gelände an den Bahngleisen gekauft. Es ging ganz schnell, ein Projekt daraus zu entwickeln. Die Glasmanufaktur würde er in ein Privatmuseum für moderne Kunst umwandeln, dazu musste die Fabrik entkernt und im Stil der verfeinerten Industriearchitektur hergerichtet werden. Flügelgebürsteter Betonboden und die Gitterroste an den rückwärtigen Fassaden machen das coole Kunsthaus aus. Der gelbe Riesenkran der Glaserei bleibt, wo er ist, unter der neun Meter hohen Decke. Denn besser ließe sich die tonnenschwere Kunst nicht bewegen. Demnächst wird eine Skulpturenterrasse eröffnet und ein Café, das zu Flingern passt. Dazu soll ein Multikulti-Programm das Museale mit Musik, Tanz, Theater, Literatur und Performances durchdringen.

Nun, an diesem Wochenende, nur knapp anderthalb Jahre nach Baubeginn, bekommt das kunstverliebte Düsseldorf mit 1700 Quadratmeter neu gewonnener Ausstellungsfläche sein zweites Kunsthaus, das ohne öffentliche Unterstützung entstand und privat betrieben wird. Über Geld spricht Bronner nicht. Er verrät nur so viel, dass er ein paar Millionen in die Hand genommen hat, dass seine Eltern, Dan und Cary Bronner, mit ihrer Stiftung den Umbau finanziert haben und die Betriebskosten übernehmen.

Gestern stand der künftige Museumsdirektor noch mächtig unter Stress angesichts des lärmenden Endspurts wimmelnder Bauarbeiter. Er fühle sich taub, bekannte Bronner. Doch er freue sich. Er will möglichst viele Menschen mit der Kunst zusammenbringen. Dafür tut er das alles. Sendungsbewusstsein muss man ihm unterstellen. Bronner, der selbst sicher privilegiert aufwuchs, ist hochmotiviert, seine Liebe zur Kultur weiterzugeben. Außerdem will er seine Sammlung, die sich auf etwa 1500 Stücke beziffern lässt, für die Zukunft sichern. Nicht zufällig hat er sie nach den Kindern Philip und Lara benannt. Skulpturen, Gemälde, Fotos, Videos und Zeichnungen- grelle Farben, verrückte Ideen, unvermutete Arrangements und Korrespondenzen in Räumen und Kabinetten: Auf keinen Fall ist es drinnen langweilig. Ein Teil ist Sammlung, ein anderer von Friedrich Kunath mit der Ausstellung "Juckreiz" bespielt. Die künstlerische Direktorin des Hauses, Katharina Klang, hat alles anregend aufgebaut, so dass es Freude macht, durch Räume und Kabinette zu ziehen. Namensschilder und Hinweise gibt es nicht, dafür ein Büchlein mit Werkverzeichnis.

Bronners Sammlung hat keinen roten Faden, sie vereint etablierte Positionen von Stars wie Feldmann, Fritsch, Rehberger, Ruff oder Sailstorfer mit ganz frischen, jungen Arbeiten, die zum Teil von Absolventen der Akademie kommen. Das funktioniert im Miteinander, wie schon der erste Raum zeigt, in dem Thomas Ruffs schwarz leuchtendes Sternenbild in den Dialog mit Arbeiten von jungen Künstlern tritt.

Nie lärmen Bronners Sammlungsstücke allzu sehr, und nie sind sie zu still oder vordergründig. Es sind pointierte oder extreme Positionen voller Leucht- und Aussagekraft. Grenzüberschreitungen sind nicht ausgeschlossen. Alex Wissel hat Eindrücke aus dem Single Club öffentlich gemacht. Der Belgier Kris Martin die Buchstaben auf seinem auf den ersten Blick schlichten Querformat mit menschlicher Asche aufgetragen. Darf er das?

Ins ehemalige Gleisbett, wo einst die Scheiben angeliefert wurden, ist jetzt die spektakuläre XXL-Installation von Freeman & Lowe verbaut - das unter Spiegeln verborgene Labyrinth ("Artichoke Underground", 2012) hält etwa eine voll eingerichtete indische Garküche bereit.

Warum Friedrich Kunath als Eröffnungsgast? Weil es gut passt. Wegen seines intelligenten und hintersinnigen Umkreisens der Identitätsprobleme einer Künstlerpersönlichkeit, wegen seines übergroßen Maltalents, wegen der melancholischen Tönung, die er seinen Arbeiten stets einarbeitet und wegen seines Mutes zur offensiven Albernheit. Er gibt virtuos und eindringlich wieder, was Künstlerdasein 2016 bedeuten kann. Den hat Bronner gut ausgesucht. Und sagt: "Ich bin sehr stolz, dass Kunath gekommen ist."

(RP)
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