Essen / Düsseldorf Milliardär Boehringer belastet Achenbach

Essen / Düsseldorf · Der Pharma-Unternehmer Christian Boehringer sagte am Mittwoch im Betrugsprozess gegen den Kunstberater Helge Achenbach vor dem Landgericht in Essen aus.

Helge Achenbach: Bilder vom Prozessauftakt
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Er fühle sich geschädigt, sagt Christian Boehringer vor der Großen Strafkammer im Essener Landgericht. 1,2 Millionen Euro hat er beim Kauf von Kunstwerken, die ihm Helge Achenbach vermittelt hatte, zu viel gezahlt. Besser: Er hat sie gezahlt im Glauben, sie gehörten zum fairen Preis, den Achenbach versprochen hatte. "Hätte er mir seine Margen offengelegt, hätte es nur einen Schluss gegeben: dass ich das falsche Team hatte."

Der Pharma-Unternehmer aus Ingelheim war aber zunächst überzeugt, das richtige Team für sein Projekt gefunden zu haben. "Art of writing" war sein Thema, Schriftkunst, die ihn fasziniert hatte, seit er eine Ausstellung dazu mit vorbereitet hatte. Die war ein Erfolg, allerdings einer mit Leihgaben. Boehringer beschloss, eigene Werke zu kaufen - auch, um für künftige Ausstellungen sozusagen Tauschobjekte anbieten zu können.

 Pharma-Unternehmer Christian Boehringer als Zeuge im Gericht.

Pharma-Unternehmer Christian Boehringer als Zeuge im Gericht.

Foto: dpa, ve fpt

Es sei ihm - das wiederholt der Unternehmer in seiner knapp dreistündigen Vernehmung mehrfach - nie um "Vermögensdiversifikation" gegangen, nur um die Kunst, genauer um die Kunst der Schrift dreier Weltregionen, die Interaktion der Kulturen. Boehringer kaufte erste Werke ein, merkte aber schnell: "Ich hatte zu wenig Ahnung." Der Kunstmarkt sei wenig transparent, faire Wertermittlung schwierig. Und ihm war klar, dass "die Preise hochgehen, wenn man meinen Nachnamen hört."

Boehringer machte sich auf die Suche nach professioneller Unterstützung, hörte sich um nach jemandem, dem er vertrauen konnte. "Da fiel der Name Achenbach." Im Internet stieß der Unternehmer auf die noch junge Kunstberatung der Berenberg Bank. Die hatte gemeinsam mit Helge Achenbach die "Art Advice GmbH" gegründet und warb mit allem, was sich Boehringer für die geplante Kunstsammlung wünschte: Sachverstand, Sicherheit und Diskretion.

Kunstberater und Ex-Fortuna-Präsident: Das ist Helge Achenbach
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Foto: Endermann, Andreas

In Maastricht traf man sich zum ersten Mal, in einer Lounge auf der Kunstmesse beschrieb der Unternehmer dem Berater, wie er sich seine künftige Sammlung vorstellte. Beim Messerundgang dann habe Achenbach ihm Gerhard Richter vorgestellt, von dem Boehringer schon bald ein Bild erwarb. Er bekam zwei Rechnungen, eine für das Kunstwerk, die zweite für Achenbachs Provision, fünf Prozent, alles wie vereinbart.

Boehringer fühlte sich bei Achenbach gut aufgehoben. "Ich hatte den Eindruck, er versteht mein Anliegen, kann die richtigen Künstler herausfischen." Und die Preise habe Achenbach versprochen "so auszuhandeln, dass es auch mit seinen fünf Prozent für mich nicht teurer würde".

Zum Team kamen der zweite Geschäftsführer der Art Advice, Stefan Horsthemke, der mit Achenbach angeklagt ist, und Kunsthistoriker Thomas Kellein als Kurator. Horsthemkes Rolle sei eher passiv gewesen, sagt Boehringer. Mit Kellein, der ein Jahr später Achenbachs heimliche Preisaufschläge der Bank melden und so den Fall Achenbach ins Rollen bringen würde, hatte er dagegen oft zu tun. Er kümmerte sich vor allem um Konzept und Analyse der geplanten Sammlung, schlug Künstler vor, tut es bis heute.

Zehn Jahre sollte es dauern, die Sammlung aufzubauen, das fand Boehringer, der maximal zehn Millionen Euro dafür investieren wollte, in Ordnung. "Es war für mich ein Hobby, ich wollte selbst in dem Thema weiterkommen." Nur "Mondpreise", wie er sagt, wollte er dafür nicht zahlen.

Es ist bezeichnend für den Angeklagten Achenbach, dass die Zeugen, die ihn schwer belasten, fast ausschließlich nette Worte für ihn finden. Auch Boehringer sagt: "Helge hat alle Qualitäten eines guten Netzwerkers." Charmant, großzügig, freundlich, dazu begeisterungsfähig "und auch ein bisschen selbstverliebt, aber das gehört wohl auch zum Job dazu", sagt Boehringer. Nichts habe ihn zweifeln lassen, dass Achenbach die richtige Persönlichkeit für den Job sei.

Ein "erstes Fragezeichen" tat sich für Boehringer im Herbst 2012 bei einem Essen in London auf. Achenbach hatte eine Hoteletage gemietet, das Personal seines Monkey's aus Düsseldorf einfliegen lassen. Mit seinem Umsatz, rechnet Kaufmann Boehringer sich aus, "war das nicht zu rechtfertigen". Er meldete sich bei der Geschäftsleitung der Berenberg Bank mit dem Hinweis, "das doch einmal zu überdenken". Die Bank schickte Controller zur Tochterfirma. Unregelmäßigkeiten seien aber nicht festgestellt worden.

Boehringer kaufte weiter mit Achenbachs Hilfe ein. Gursky, Tracey Emin, Ed Ruscha, Und schließlich Lawrence Weiner. "Grace of a Gesture" präsentierten Boehringers Berater in Venedig bei einer Ausstellung am Rand der Biennale. "Mir war klar, dass man das nicht von fünf Prozent Provision machen kann", sagt Boehringer vor Gericht, Dass allein von den 1,6 Millionen Euro, die er für den Weiner zahlte, 600 000 Euro bei den Beratern landete, erfuhr er aber erst einige Wochen später.

Nach harmonischen Tagen in Venedig, auch die Ehefrauen waren dabei, und Helge Achenbach habe einen gemeinsamen Urlaub vorgeschlagen, informierte die Berenberg Bank Boehringer über "Unregelmäßigkeiten" und mögliche juristische Schritte. Auch Achenbach habe sich gemeldet. Bei einem Treffen soll er angeboten haben, Boehringers Sammlung mit seiner eigenen Firma weiter zu betreuen. Den Schaden - für den er sich "ausgiebig entschuldigte" - habe er wieder gutmachen wollen, indem er Boehringer Gutschriften bei künftigen Geschäften versprach. Boehringer aber beendete die Geschäftsbeziehung, ließ sich von Berenberg die 1,1 Millionen Euro erstatten.

Erst als er erfuhr, dass er kein Ausnahmefall war, schloss er sich der Familie des verstorbenen Aldi-Erben Berthold Albrecht an, die gegen Achenbach ein Strafverfahren eingeleitet hatte. Achenbach soll Albrecht beim Kunst- und Oldtimerkauf außerhalb der Art-Advice-Geschäfte um rund 23 Millionen Euro betrogen haben. Nächste Woche wird über eine Schadenersatzklage der Albrechts entschieden. Der Strafprozess dagegen wurde gestern verlängert - er dauert nun mindestens bis Februar.

(RP)
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