Bauhaus in Krefeld Zweijährige Sanierung von Haus Lange und Haus Esters vollendet

Krefeld · Die Doppelvilla des Bauhaus-Architekten Mies van der Rohe in Krefeld wird am Sonntag mit einer Ausstellung wieder eröffnet.

 Betörende Durch- und Ausblicke: Innenräume und Parkett in Haus Esters präsentieren sich nach der Sanierung hell und frisch.

Betörende Durch- und Ausblicke: Innenräume und Parkett in Haus Esters präsentieren sich nach der Sanierung hell und frisch.

Foto: Lammertz, Thomas (lamm)

Die Doppelvilla Haus Lange/ Haus Esters ist eine Ikone der  modernen Architektur: Erstmals hat der Bauhaus-Architekt Mies van der Rohe (1886 - 1969) in diesen beiden Gebäuden in Krefeld seine Stilideale in Wohnhäusern weitgehend realisieren können. Die Bauherren, die Verseidag-Industriellen Hermann Lange (1874 - 1942) und Josef Esters (1886 - 1969) hatten sich auf das Wagnis eingelassen, Ende der 20er Jahre Avantgarde-Architektur zu bauen – Architektur, die in Krefelds Bürgerschaft auch auf Unverständnis stieß: Für ein ordentliches Dach, so wurde über die neuartigen Flachdächer gespottet, habe wohl das Geld nicht mehr gereicht. Beide Häuser sind jetzt über zwei Jahre  saniert worden. Am Sonntag werden die Museen mit einer Ausstellung eröffnet, die an die Bauhaus-Ideen anknüpft: „Anders Wohnen“ ist der Titel. Ein Clou: Mit Digitalbrillen kann der Besucher bei einem Gang durch Haus Lange nachvollziehen, wie Mies sich die Möblierung des Gebäudes gedacht hat.

Die Sanierung war dringend fällig, beide Häuser wiesen innen wie außen zahlreiche Schäden auf. Allein die Sanierung des teils nur noch millimeterdicken Original-Parketts war eine handwerkliche Meisterleistung. Es ging darum, eine Lackschicht aus der letzten Sanierung in den Jahren 1998 bis 2000 zu entfernen – Lack, den man heute im Denkmalschutz nicht mehr verwenden würde. Der Holzboden wurde dann mit Hartöl und Wachs so versiegelt, dass er gebrauchsfähig blieb und nicht abgedeckt werden muss. Nur so erhält man Eindrücke dieser berückend schönen Wohnkunstkultur. Rund 1,2 Millionen Euro hat die Sanierung beider Häuser insgesamt gekostet, etwa 700.000 Euro kamen aus Bundesmitteln.

Der Einsatz hat sich gelohnt, die Räume präsentieren sich lichtdurchflutet mit betörenden Durch- und Ausblicken in den ebenfalls zum Entwurf von Mies gehörenden Garten. Beide Villen, die zwischen 1927 und 1930 erbaut wurden, verdanken sich einem einmaligen intellektuellen Milieu im Krefeld der 20er Jahre: Lange und Esters waren wie andere Industrielle in der Stadt offen für Avantgarde-Ideen in Kunst und Architektur. Die Nachbarschaft der Villen zeugt auch von einer außergewöhnlichen Freundschaft zweier Architekturbesessener: Als Haus Esters am Ende des Zweiten Weltkrieges von britischen Offizieren konfisziert war, zog die Familie in ein Gartenhaus und benutzte Bad und Küche von Nachbar Lange mit.

Die Ausstellung, die am Sonntag, 11.30 Uhr, eröffnet wird, knüpft bestechend an die Bauhaus-Tradition an. Die Disziplinen Kunst, Design und Architektur  sollten entgrenzt, der Alltag künstlerisch, die Kunst handwerklich durchdrungen werden. Im Haus Esters hat die Berliner Künstlergruppe Raumlabor diesen Gedanken in einer Installation spielerisch reflektiert: Die Gruppe hat die Marmorwand aus dem berühmten Pavillon nachgebildet, den Mies 1929 für die Weltausstellung in Barcelona realisiert hat. Die Nachbildung ist gemalt und setzt sich aus Modulen zusammen, die an der Rückseite ein Regal bilden und einzeln als Hocker dienen können.

Im Haus Lange kann der Besucher mit einer digitalen Spezialbrille sogenannte Augmented Reality („erweiterte Realität“) erleben: Man sieht die Räume vor Augen, und an bestimmten Punkten werden Bilder von Mobiliar und Kunst eingeblendet, die Mies dort vorgesehen hat.

Die Auftraggeber Lange und Esters hielten sich übrigens in einer ganzen Reihe von Punkten nicht an den Plan des Architekten. Dennoch schufen sie ein Stück Architekturgeschichte.

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