Ärger um Festival Ruhrtriennale lädt umstrittene Band Young Fathers aus und wieder ein

Düsseldorf · Die umstrittene Band Young Fathers soll doch bei dem Festival spielen, obwohl sie die Israel-Boykott-Bewegung BDS unterstützt. Nordrhein-Westfalens Kulturministerin geht auf Distanz zur Intendantin.

 Die Ruhrtriennale sagte den Auftritt der Band Young Fathers in der Bochumer Jahrhunderthalle zunächst ab, weil sich die Gruppe nicht von der BDS-Bewegung distanzieren wollte. Nun soll das Konzert doch stattfinden.

Die Ruhrtriennale sagte den Auftritt der Band Young Fathers in der Bochumer Jahrhunderthalle zunächst ab, weil sich die Gruppe nicht von der BDS-Bewegung distanzieren wollte. Nun soll das Konzert doch stattfinden.

Foto: dpa

Erst sagte sie der Band ab, nun wieder zu. Geht es nach dem Willen von Ruhrtriennale-Intendantin Stefanie Carp, soll die umstrittene Band Young Fathers nun doch bei dem Kulturfestival im Ruhrgebiet auftreten. Das Konzert der Rapper hatte die Ruhrtriennale erst vergangene Woche abgesagt, weil sich die Gruppe für die Israel-Boykott-Bewegung BDS engagiert und sich von ihr nicht distanzieren wollte. Carp zog daraufhin Konsequenzen. Am Donnerstagnachmittag verkündete die Festivalleiterin allerdings: „Ich möchte mir die Haltung herausnehmen dürfen, eine Band wie die Young Fathers einzuladen wegen ihrer Musik und ihrer Texte, und trotzdem persönlich die Boykottstrategie des BDS komplett abzulehnen.“ Was folgte, war die Wiedereinladung.

Carps überraschende Volte blieb nicht lange unwidersprochen, Nordrhein-Westfalens Kulturministerin ging auf Distanz zur Festival-Chefin. Sie bedauere die Entscheidung der Ruhrtriennale-Intendantin, teilte Ministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen mit. Das Kulturministerium ist gemeinsam mit dem Regionalverband Ruhr (RVR) Gesellschafter der Kultur Ruhr GmbH, die die Ruhrtriennale ausrichtet. „Es ist nicht auszuschließen, dass durch die Entscheidung die BDS-Kampagne eine Plattform auf der Ruhrtriennale erhält“, so Pfeiffer-Poensgen. „Dies ist in Zeiten zunehmender antisemitischer Straftaten und anderer Vorfälle, leider auch in Nordrhein-Westfalen, ein falsches Signal.“ Auch die Kulturstiftung des Bundes, die zwei Projekte im Rahmen des Festivalprogramms fördert, ging auf Distanz zu Carp. „Der Vorstand der Kulturstiftung des Bundes bedauert ebenfalls die Entscheidung der Intendantin Frau Carp, besagte Band einzuladen, und teilt insofern die Auffassung der Kulturministerin von NRW, Frau Pfeiffer-Poensgen“, sagte eine Sprecherin. „Der Regionalverband Ruhr sucht erst das Gespräch mit der künstlerischen Leitung, bevor er sich zu der Entscheidung von Frau Carp öffentlich äußert“, hieß es vom RVR. Peinlich für Carp: In der „Welt“ hatte Ministerin Pfeiffer-Poensgen die Intendantin Anfang der Woche noch für die Absage des Konzerts gelobt.

Die Band Young Fathers unterstützt die Boykott-Aufrufe und -Aktionen von BDS. Die Bewegung, ein Zusammenschluss palästinensischer Organisationen, setzt sich für den vollständigen Boykott Israels in wirtschaftlicher, kultureller und wissenschaftlicher Hinsicht ein. BDS steht für „Boycott, Divestment and Sanctions“. Die Bewegung versucht seit ihrer Gründung 2005, den Staat Israel zu diskreditieren. So vergleicht BDS Israel mit dem einstigen südafrikanischen Apartheid-Regime, ungeachtet der Tatsache, dass das Land die einzige Demokratie in der Region ist. Die Bewegung begründet ihr Engagement mit Menschenrechtsverletzungen, die von Israel ausgingen. Zu Angriffen, die etwa aus den Palästinensergebieten gegen Israel erfolgen, schweigt BDS hingegen. Die Bewegung wird auch wegen ihrer Einseitigkeit als antisemitisch kritisiert. Zuletzt bezog der Bundestag eindeutig Stellung: „Wer in Deutschland leben will, und sei es nur vorübergehend, muss das Existenzrecht Israels anerkennen. Die Aktivitäten der BDS-Bewegung, die zum Boykott und zur Isolierung Israels aufruft, lehnt der Deutsche Bundestag entschieden ab“, hieß es in einem durch das Parlament verabschiedeten Antrag anlässlich der Staatsgründung Israels vor 70 Jahren.

Trotz aller Kritik ist die BDS-Bewegung vor allem unter Musikern stark vernetzt, besonders in Großbritannien. Namhafter Unterstützter ist etwa Roger Waters, der Prominenz und Einfluss nutzt, um Künstler unter Druck zu setzen, die in Israel auftreten wollen. Auch Brian Eno gehört zu den BDS-Unterstützern und kritisierte die Ruhrtriennale jüngst für die Entscheidung, die Young Fathers auszuladen. Die Band selbst nannte die Entscheidung „falsch und unfair“, wie es in einer Stellungnahme auf dem BDS-nahen Portal „Artists for Palestine UK“ hieß.

Nach einem Aufruf durch BDS, nun die Ruhrtriennale zu boykottieren, sagten fünf Künstler ihre Auftritte ab. „Ich möchte nicht Teil einer Kampagne und schon gar nicht Geisel einer Kampagne sein“, sagte nun Stefanie Carp. Künstler und Ruhrtriennale werden laut Carp zurzeit von zwei Kampagnen unter Druck gesetzt. Die eine sage, Künstler, die Organisationen unterstützen, die sich gegen die derzeitige Politik der israelischen Regierung wenden, seien automatisch antisemitisch. Die andere erkläre automatisch jene Künstler zu Rassisten und Gegnern der Palästinenser, die Israel nicht boykottieren. „Ich teile keine der verflachenden, verkürzenden Positionen dieser beiden Kampagnen“, sagte Carp.

Die Band habe „in den vergangenen Tagen durch ihre Teilnahme an der BDS-Kampagne gegen die Ruhrtriennale gezeigt, dass sie offenkundig die BDS-Bewegung unterstützt, die das Existenzrecht Israels in Frage stellt und zu einem umfassenden Boykott Israels auffordert“, so Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen. „Dies ist gerade vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte nicht akzeptabel.“

Ob die Band der erneuten Einladung folgt, blieb am Donnerstag offen. Stefanie Carp, die in diesem Jahr ihren Einstand als Chefin des Kulturfestivals feiert, hatte für August ein Konzert der Young Fathers in der Bochumer Jahrhunderthalle geplant. Bei der Ruhrtriennale möchte Carp nun zudem über die Themen „Boykott, Freiheit der Kunst und die Unterschiede der Perspektiven eine öffentliche Veranstaltung initiieren“, wie es hieß. „Wünschenswerterweise könnte die Band ihre Haltung dort selbst vertreten.“

(kl)
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