Feine Sahne Fischfilet im Interview "Heimat - das klingt nach 'Blut und Boden'..."

Köln · Die Band "Feine Sahne Fischfilet" kommt aus der autonomen linken Szene. Mit ihrem neuen Album schafften es die sechs Jungs auf Platz drei der Albumcharts. Ein Gespräch über Mainstream, Familien im Publikum, den Verfassungsschutz und die Antifa.

 Die Band „Feine Sahne Fischfilet“ stürmte 2018 die Charts.

Die Band „Feine Sahne Fischfilet“ stürmte 2018 die Charts.

Foto: Andreas Hornoff

Tourstop 13, das Kölner Palladium ist seit Wochen ausverkauft, so wie alle bisherigen Konzerte der "Alles auf Rausch"-Tour. Bis vor einigen Jahren spielten "Feine Sahne Fischfilet" in kleinen Hinterhof-Kneipen und autonomen Zentren der linken Szene. Dass die Band aus Mecklenburg-Vorpommern eines Tages Tausende in die Hallen lockt, hätten Schlagzeuger Olaf Ney (30) und Bassist Kai Irrgang (29) selbst nie erwartet. Wir trafen sie in Köln zum Interview.

Euer Tour-Motto lautet "Alles auf Rausch" – und das in einer Zeit, da die AfD stärkste Oppositionskraft ist. Wie passt das zusammen?

Kai Irrgang: Dieser Rechtsruck ist jetzt parlamentarisch sichtbar geworden. Ich glaube aber, dass die Gesellschaft schon vorher so war und sich da nicht viel verändert hat. Durch die Flüchtlingskrise ist der Rassismus einfach nur spürbar geworden. Für uns hat das dazu geführt, dass wir ein Album machen wollten, das sehr nach vorne geht – und mit Lebensmut und Freude zeigt, dass man nicht den Kopf in den Sand stecken sollte.

Ist euer Publikum durch eure Einstellung und eure Songs nicht arg gefiltert?

Olaf Ney: Nee, das ist mittlerweile sehr breit gefächert, das mögen wir. Besonders wenn wie letztens die Mutti, der Vati und die Tochter zusammen in der ersten Reihe stehen. Finden wir schön.

Dann ist aus der Antifa- jetzt also eine Mainstream-Band geworden. Nervt euch das?

Ney: Mit der Bezeichnung Mainstream haben wir kein Problem – solange man sich selbst treu bleibt. Und wir glauben nicht, dass die Menschen, die früher kamen, heute nicht mehr kommen.

Irrgang: Was halt nervig ist, sind die Themen, über die man schon vor drei, vier Jahren häufig gesprochen hat. Die Sache mit dem Verfassungsschutzbericht zum Beispiel. Da werfen uns Leute heute noch vor, dass das ein super Promo-Gag gewesen sei. Klar ist aber: Wir wollten da nie rein.

"Politisch und gesellschaftlich läuft so viel beschissen"

Der Verfassungsschutz Mecklenburg-Vorpommern hat euch zwischen 2011 und 2014 ausführlich in seinen Berichten erwähnt, unter anderem wegen eines Liedes aus dem Jahr 2012. In dem heißt es: "Deutschland ist scheiße, Deutschland ist Dreck". Wie steht ihr da heue zu?

Ney: Dieses Lied ist aus einem Gefühl heraus entstanden, das war damals ganz klar Wut. Klar nutzen wir da Verallgemeinerung als Stilmittel. Das Lied ist halt ein typischer Auf-die-Fresse-Punk-Song, mit dem wir polarisieren und anecken wollten – mit einer Aussage wie "Deutschland ist Dreck" klappt das heute immer noch sehr gut.

Irrgang: Ich bin mir bewusst, dass es mir hier besser geht, als wenn ich in vielen anderen Ländern dieser Welt geboren worden wäre. Aber darauf bin ich nicht stolz, das ist Zufall. Gleichzeitig läuft politisch und gesellschaftlich so viel beschissen: Gerade beispielsweise wird die syrische Stadt Afrin vom türkischen Militär angegriffen – super ausgerüstet mit deutschen Waffen. Da würde ich dann wieder unterschreiben: Deutschland ist Dreck.

Ihr habt unter anderem bei den G20-Protesten in Hamburg mitgemacht und seid in der linken Szene sehr aktiv. Dabei gibt es doch genug Gründe, die Antifa auch kritisch zu sehen, oder?

Irrgang: DIE Antifa-Szene gibt es ja so nicht, das ist alles sehr vielschichtig. Wir solidarisieren uns mit vielen, finden aber manches auch total bescheuert. Natürlich geht es gar nicht, bei G20 Autos anzuzünden, dafür kann man aber nicht 'die Antifa‘ verantwortlich machen. Wie sich gezeigt hat, gab es bei G20 ja auch Krawall-Tourismus von Menschen, die einfach Bock auf Randale hatten. Und generell leisten Teile der Antifa wichtige Recherchearbeit, gerade im Osten Deutschlands. Sie bringen Dinge ans Licht, bei denen der Verfassungsschutz nicht anpacken wollte oder konnte.

"Das Wort "Heimat" ist für mich vorbelastet"

Ihr kommt aus Mecklenburg-Vorpommern, spielt dort Konzerte in Kleinstädten und besingt eure Heimat auf dem neuen Album sehr liebevoll. Wie kann man Deutschland beschimpfen und gleichzeitig lokalpatriotische Lieder singen?

Irrgang: Bei Mecklenburg-Vorpommern denken die meisten an Leerstand, Arbeitslosigkeit und Nazis. Da ist sicherlich viel Wahres dran, aber eben nicht nur. Wir wollen in diesen Liedern vermitteln, dass es auch an diesen Orten gute Menschen gibt, die etwas reißen.
Wir waren jetzt für die Party zur Album-Veröffentlichung beispielsweise in meinem Zuhause in Loitz. Ein kleines Dorf in Vorpommern, da ist nichts los. Es gibt nicht viele Gründe, dort wohnen zu bleiben. Und ich freue mich dann riesig, wenn ältere Frauen dort ein Kulturzentrum aufbauen, um etwas zu bewegen.

Ney: Ich würde die Songs nicht als lokalpatriotisch bezeichnen. Es geht darum, zu schätzen, dass man ein Zuhause hat. Zuhause ist für manche ein Ort, für andere nicht. Es ist ein Privileg ein Zuhause zu haben, egal wo das ist.

Trotzdem vermeidet ihr bewusst den Begriff Heimat.

Ney: "Heimat" ist für mich vorbelastet, das gehört halt zum Nazi-Jargon, "Heimat" klingt oft nach "Blut und Boden", nach Nazi-Ideologie: da, wo ich geboren bin, wo mein "Volk" herkommt. "Zuhause" trifft es eben besser - man kann ein Zuhause auch finden, egal wo man geboren wurde. Und es geht auch darum, anderen Menschen ein Zuhause bieten zu können.

Die Partei des neuen Heimatministers, Horst Seehofers CSU, wollte eure Auftritte in Bayern verbieten lassen – wenn auch letztlich vergeblich.

Irrgang: So ist das, wenn du als Linksextremist angesehen wirst, vom Verfassungsschutz beobachtet wurdest und dann in einem städtischen Gebäude der Stadt Nürnberg auftreten willst. Zu dem Konzert sind übrigens auch Leute aus der Jungen Union gekommen.

Ney: Mich wundert es ehrlich gesagt nicht, dass die CSU uns scheiße findet. Das ist politisch bedingt und natürlich feiern die nicht, wenn wir plötzlich Hallen ausverkaufen. Im Laufe der Jahre findet man einen Umgang damit, da schocken solche Forderungen nicht mehr.

"Ich bereue nicht viel – vielleicht, dass ich mein Abi nicht gemacht habe"

Seit elf Jahren macht ihr zusammen Musik – seit wann könnt ihr davon leben?

Ney: Seit zwei Jahren. Das ist kurz, kommt dir aber nicht kurz vor, wenn es eigentlich nie dein Ziel war. Aber es war trotzdem oft schwer, denn du steckst viel Zeit und Energie in die Band und machst trotzdem kein Geld damit. Ich musste x-Mal meinen Vater anrufen und um Geld bitten. Der war natürlich nicht so begeistert und meinte, ich soll mir endlich einen Job suchen. Aber wir haben es trotzdem durchgezogen.

Hättet ihr nicht auch richtig arbeiten gehen können?

Ney: Ich habe eine Ausbildung als Krankenpfleger gemacht. Das war allerdings schwierig, weil wir da schon viel getourt sind. Ich musste nach dem Konzert am nächsten Morgen zum Schichtdienst fit sein – oder mich auch mal krankschreiben lassen und hoffen, dass die Chefin die Band nicht kennt.

Irrgang: Ich bereue nicht wirklich viel von dem, was bislang so gelaufen ist. Vielleicht, dass ich mein Abi nicht gemacht habe.

Julia Rathcke und Clemens Boisserée führten das Interview.

(cbo)
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