imm cologne - Möbelmesse in Köln Die Kunst des Wohnens

Köln · Die Kölner Möbelmesse lädt zu einem Rundgang ein. Kaufen kann man nicht, aber sich inspirieren lassen. Durch Farben, Luxus und ganz neue Ideen, die das eigene Leben womöglich bereichern.

So wie das Leben eine Kunst ist, so ist es das Wohnen nicht weniger. Stärker geprägt durch seine Herkunft als durch seinen Geldbeutel geht der Mensch an eines seiner großen Projekte heran, das ihn oft lebenslang mehr oder weniger stark beschäftigt. Sich einzurichten heißt, nicht nur den Alltag zu organisieren, sondern ihm Struktur und Bedeutung zu geben, dem Charakter Ausdruck zu verleihen. Die private Wohnung ist die öffentliche Bühne der Persönlichkeit. Mit Tönungen und Rhythmen zeigt man sein Temperament an. Vielleicht verrät man Sehnsüchte, auf jeden Fall den Grad seiner Kultiviertheit. Immerhin kann man zu Hause seine Eigenarten so kompromisslos betonen, wie es nirgends sonst gelingen würde.

Hatten die Eltern vielleicht noch Großmutters Vertiko oder Schränke nach Art des Gelsenkirchener Barock im Wohnzimmer stehen, muss man damit rechnen, dass die nachfolgende Generation gerade nicht diese sperrigen, dunkelbraunen Möbel aufstellt. Allein schon aus Protest. Wie man sich einrichtet, so fühlt man (sich) auch. Immer anders als die ältere Generation.

Wohnen ist existenziell. Im Englischen gibt es nur ein Wort für die zwei deutschen Verben "wohnen" und "leben": to live. Die Bedeutung des Wortes "wônen" im Althochdeutschen ist mehrfach. Da hieß es so viel wie "zufrieden sein", auch "sein", "bleiben".

Wer einen in sein Haus lässt, gibt viel von sich preis. Die Neugierde, einmal hinter die Tür des Nachbarn oder Kollegen zu schauen, ist groß. Nichts ist persönlicher als die Gestaltung der eigenen Behausung. Die Wohnung ist Visitenkarte und Spiegel zugleich. Ist sie klar strukturiert oder unüberschaubar zugestellt? Stylish, gediegen oder gemixt aus vielen Stilelementen, die sich durch die Lebensumstände ergeben haben? Was hat das alles gekostet? Welche Bilder hängen an den Wänden, wie viel Meter messen die Bücherregale und wie hoch sind die CD-Türme? Auf welchem technischen Stand ist die Küchenausstattung, wie chromblitzend das WC ausgestattet? Gibt es Grünpflanzen, Käfige oder ein Katzenkörbchen — Hinweise auf das Zusammenleben mit Haustieren?

Im Laufe unseres Lebens sind wir immer wieder bereit zu Veränderungen. Wir sehen uns gezwungen, durch Umzug, Familienzuwachs und auch durch gestiegene Ansprüche, die eigenen vier Wände mal wieder neu, ganz anders zu gestalten. Wir glauben, wir erfinden uns damit neu. Daher tun wir das gern. Besonders dann, wenn unser Bedürfnis nach Veränderung mal wieder riesengroß ist. Oder, wenn wir ein Resumee ziehen, das uns die Dissonanzen und Mangelerscheinungen unseres Zuhauses schmerzhaft vor Augen führt.

Peter Richter hat ein kluges Buch über das deutsche Wohnen verfasst und jenen irritierenden Moment im eigenen Leben treffend beschrieben. Der kritisch in seine Wohnung, in den Spiegel des Lebens, Schauende entdecke mitunter "biografische Geröllhalden, windschiefe Konstruktionen aus gigantischen Ansprüchen, fehlenden Mitteln, Modeirrtümern und traurigen Kompromissen". Der Autor ist bekennender Verächter des großen skandinavischen Möbelhauses. Angesichts der zunehmenden Tendenzen zur Einheitsmöblierung in deutschen Haushalten, die fast alle Generationen mittlerweile kennzeichnen, fällt er ein grausames Urteil. Richter schreibt über den Moment der Erkenntnis: "Und das bist dann also du. Du bist: das Billy-Regal, das alle haben. Und du bist: das Teil von Alessi auf dem Billy-Regal, das alle haben, die auch mal was Besonderes wollten."

Wir leben in einer Zeit der Materialmissachtung, viele von uns sind beinahe blind auf Konsum getrimmt. Und sie haben die Mittel. Sie kaufen gern. Anziehsachen, ohne wirklich welche zu benötigen, neue Autos, obwohl das alte noch prima fährt, und ganz besonders häufig kaufen wir alles, was zur Wohnung und zum Haushalt gehört: Möbel, Gardinen, Teppiche, Geschirr, Handtücher et cetera. "Es ist tatsächlich so", schreibt Richter, "dass Wohnen inzwischen zu einer ähnlich wichtigen Waffe in den sozialen Distinktionskämpfen geworden ist wie die Mode".

Die Möbelindustrie hält erfolgreich am Massentrend Individualität fest, was paradox klingt. Wenn sich all diese Individualisten auf den Weg zu ihrer Selbstverwirklichung machen, dann ziehen sie letztlich in dieselben Möbelhäuser und natürlich zum Schweden am Rande der Städte. Manchmal mit der ganzen Familie — als Wochenendausflug.

Die Möbelmesse Köln hebt sich von solchen Massenveranstaltungen ab mit ihrer futuristischen Ausrichtung. Hier kann man verrückte Entwürfe anschauen, sich inspirieren lassen. Einen Blick über den Tellerrand erhalten, träumen. Wenn Ikea einer Galerie vergleichbar wäre, die Drucke von populären Künstlern anbietet, dann ist die Messe so etwas wie ein Museum. Nicht nur das Produktdesign ändert sich von Jahr zu Jahr, wird extravaganter. Auch die Idee des Wandels wird aufgerissen. Es wird gemütlicher, heißt es aktuell, der Trend geht zu Textil und warmen Farben. Mehr Wellness zuhause verändert die Badezimmer, fürs private Spa stehen Technik und reichlich Schnickschnack zur Verfügung. Die Natur erfährt dadurch neue Achtung, dass die Wohnfläche — sofern es Mittel und Lage erlauben — ins Grüne hinein verlängert wird. In Zukunft werden Wände eingerissen, der All-in-One-Raum soll nicht nur das Leben von Singles flexibler gestalten, sondern alle beglücken.

Ausgespart bleibt das Schlafzimmer. Für diesen unernsten, sinnlichen Raum ist eines der verlockendsten Möbelstücke gedacht. Boxspringbetten sind das, was selbst gebaute Podeste, Hochbetten oder Futons einmal waren. Der neueste Schrei. Man fällt hinein, ohne sich zu bücken und schläft wie Prinzessin auf der Erbse. Allein der Preis macht nachdenklich: In der wahren Luxusklasse muss man mit deutlich fünfstelligen Summen rechnen.

(RP)
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