Duisburg Das Lehmbruck-Museum feiert sich selbst

Duisburg · Zum 50. Geburtstag präsentiert das Duisburger Museum seinen Trakt mit bedeutenden Werken seines Namensgebers so, wie die Räume zur Zeit der Eröffnung aussahen. Auch bei der Gegenwartskunst gibt es eine Überraschung.

Duisburg: Das Lehmbruck-Museum feiert sich selbst
Foto: Christoph Reichwein (crei)

Auf einmal ist wieder alles so, wie es war, bevor Raimund Stecker als Direktor das Duisburger Lehmbruck-Museum wegen Überziehung des Etats verlassen musste. Im Trakt, der den Werken des Namenspatrons vorbehalten ist, sind die figürlichen Skulpturen des expressionistischen Bildhauers Wilhelm Lehmbruck (1881-1919) wieder unter sich. Wo sich vorübergehend Kunst der Gegenwart eingemischt hatte, herrschen jetzt wie ehedem existenzieller Ernst, Melancholie und die Stille der Ewigkeit.

Söke Dinkla, seit einem halben Jahr Chefin des Hauses, hat umgeräumt und den Lehmbruck-Flügel in den Zustand zurückversetzt, in dem er sich unmittelbar nach Eröffnung vor 50 Jahren befand. In ähnlicher Gestalt hatte sich das Arrangement bis vor wenigen Jahren erhalten. Manfred Lehmbruck, Sohn des großen Bildhauers aus Meiderich und Erbauer des Museums, hatte einmal auf die Frage, ob der meditative Lehmbruck-Trakt für die Besucher noch attraktiv genug sei, sinngemäß geantwortet: Drei Menschen, in denen die Flamme lodere, seien ihm lieber als hundert Flaneure.

Heute, da die Museen unter hohem Rechtfertigungsdruck stehen, verdient es Respekt, wenn eine Direktorin das Rad der Zeit zurückdreht und das Jubiläum des Gebäudes zumindest zur Hälfte puristisch feiert; schließlich gibt es noch die zweite Hälfte mit einer Neupräsentation der Skulpturen von anderen Künstlern aus dem Bestand des Hauses und eine überraschende Choreografie von Tino Sehgal; davon gleich mehr.

Wilhelm Lehmbrucks Werk passt gut ins Jahr des Gedenkens an den Ersten Weltkrieg. Seine in die Länge gezogenen, nach innen gewandten, oft wie Trauernde anmutenden Gestalten aus Gips, Stein oder Bronze wirken selbst da wie ein Requiem, wo sie ein Entstehungsdatum vor dem Ausbruch des Krieges tragen. Der Freitod des Künstlers fügt sich ein in dieses Bild der Düsternis, der Lehmbruck erstaunlich anmutige, zugleich ergreifende Seiten abgewonnen hat.

Sohn Manfred Lehmbruck (1913-1992) hat das jetzt sanierte Museumsgebäude im Stil der 60er Jahre entworfen: als Sichtbeton-Bau mit großen Glasflächen und einer Lichtführung durch das Dach, die bestimmte Skulpturen seines Vaters akzentuiert. Im rechten Teil des Hauses findet sich die neu arrangierte Skulpturensammlung des Museums mit bedeutenden Werken wie etwa der "Blonden Negerin" von Brancusi und der gipsernen "Frau auf dem Wagen" von Giacometti. Deren Kostbarkeit betont jeweils ein weißer Gazevorhang.

Der Deutsch-Brite Tino Sehgal lässt inmitten von Skulpturen von Max Bill, Georg Kolbe und Hans Stangl zwei Tänzer erotische Werke bekannter Künstler aus Vergangenheit und Gegenwart szenisch nachbilden: Skulpturen von Rodin, Brancusi, Klimt und Jeff Koons. Die körperliche, gleichwohl immaterielle Plastik, die aus dieser Choreografie hervorgeht, ist ein sich ständig wandelndes Bild zweier einander Liebender. Jeder Durchgang dauert sechs Minuten. Vier tänzerisch ausgebildete Paare lösen im Verlauf der Ausstellungsdauer einander ab - ein überraschender Anblick in einem Gebäude, in dem man vieles, nur keine leibhaftige Kunst erwartet.

Auf Sehgal folgt ab 26. Juli eine Raumarbeit der Polin Monika Sosnowska, die vor vier Jahren im Düsseldorfer K 21 eine spektakuläre Treppe eingerichtet hatte. In Duisburg wird sie eine, wie es heißt, verwirrende architektonische Situation schaffen: Die Bezüge von Boden, Decke und Wänden sollen aufgehoben werden, indem an allen sechs Innenwänden Türen zu sehen sind, die scheinbare Aus- und Eingänge bilden. Das klingt ein wenig nach Gregor Schneider und passt in ein Museum, das sich vor allem der modernen dreidimensionalen Kunst verschrieben hat.

Das Jubiläum des Museums ruft am Ende auch in Erinnerung, dass dort Joseph Beuys eine bewegende Rede hielt, als er den Lehmbruck-Preis entgegennahm - elf Tage vor seinem Tod.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort