Konzert in Düsseldorf Ein kleines bisschen Horror-Show

Die Band Get Well Soon inszenierte im Central einen in dichten Bühnen-Nebel gehüllten Abend über das Thema Alpträume.

 Eine Mischung aus Nick Cave und Stefan George: Konstantin Gropper, Kopf der Band Get Well Soon, im Central.

Eine Mischung aus Nick Cave und Stefan George: Konstantin Gropper, Kopf der Band Get Well Soon, im Central.

Foto: Asphalt/Peter Stumpf

Die Bühne sieht nach Morgengrauen aus, nach Morgen-Grauen, um genau zu sein. Wenig Licht, blau eingefärbt, dichter Nebel: Als ob sich da gleich zwei zum Duell treffen wollten. Es kommen indes nicht zwei, sondern 14 Menschen, das ist die Get Well Soon Bigband, und in den nächsten zwei Stunden bietet sie ein traumhaftes Programm, im Grunde die Vertonung des ersten Satzes von Marcel Prousts „Suche nach der verlorenen Zeit“: „Lange Zeit bin ich früh schlafen gegangen.“

Das Konzert ist Teil des Asphalt-Festivals, das Central ist ausverkauft, und als Erstes hört man Schiffsgeräusche, Nebelhorn, Möwen und das Ticken einer Uhr. Man atmet unwillkürlich aus, man fällt geradezu in diese Atmosphäre, „to fall asleep“ sagen sie in England, und das Arrangement des Eröffnungs-Stücks „Future Ruins pt. II“ schaukelt sehr schön, es schwankt, und gehalten wird es nur vom feinen Faden einer Querflöte.

Um Alpträume geht es auf dem Album „The Horror“ von Get Well Soon, dem Bandprojekt von Konstantin Gropper aus Mannheim. Gropper ist 36 und so etwas wie der Dandy des deutschen Indie-Pops. Man hört auch bei dieser Produktion seine Vorbilder, die britische Band Divine Comedy etwa, Radiohead in ihrer „Amnesiac“-Phase, außerdem den Hitchcock-Komponisten Bernard Herrmann und den Sinatra-Arrangeur Nelson Riddle. Aus dem Prätentiösen schlägt Gropper Funken: Inmitten der Streicher und Bläser, die mitunter anmuten, als spielten sie auf der sinkenden „Titanic“, steht er barfuß in Slippern und sieht in seinem grauen Anzug aus wie eine Mischung aus Nick Cave und Stefan George.

Das ist Musik für die REM-Phase, wenn sich Fledermaus und Nachtmahr zum Walzertanzen treffen. Gedimmte Atmosphäre, italienisches Gruselkino der 1970er Jahre, „Tales Of Mystery And Imagination“ von Alan Parsons. Am Anfang läuft es noch nicht ganz rund an diesem Abend, es fehlt ein bisschen der Flow; der Sog wird immer wieder unterbrochen, der Sound ist noch nicht optimal, und zwei-, dreimal kommt Gropper mit seinen Texten durcheinander, was er aber charmant überspielt: „Vielleicht liegt es daran, dass der Zuschauersaal so ansteigt“, sagt er. Wie im Anatomiesaal sei das, „und ich bin die offene Leiche“.

Und dann läuft es plötzlich, dann entfaltet das Konzept seine Wirkung, und es gibt einige sehr schöne Momente. Etwa jenen, als ein Herr mit langen Haaren und kurzer Hose in eine Schüssel mit Kies steigt und Laufgeräusche macht, erst langsam, dann schnell, und es sich anhört, als fliehe jemand, vielleicht vor einem Gespenst oder vor Donald Trump. Die tollste Szene ist die kurz vor Schluss, als Gropper singt und langsam vom Mikrofon wegtritt und der Gesang immer schwächer wird wie eine Stimme, die man im Traum hört und die verweht, weil man nun aufwacht.

Die Band macht das großartig, besonders intensiv wird es, wenn Groppers Schwester Verena in den Gesang einsteigt und im langen schwarzen Kleid als einsamer Meerjungfrauen-Chor fungiert. Einmal tritt Sam Vance-Law an den Bühnenrand und singt ein Duett mit Gropper, das Saxophon seufzt dazu, das Vibraphon legt die hohen Töne in Watte, und nie wird es hell.

„The Grand Horror Show“ ist ein Versuch, Popmusik in eine Schneekugel zu packen und auf einer Theaterbühne auszustellen. Das gelingt, weil das Konzept des aktuellen Albums ohnehin theatralisch ist. Manchmal hätte den märchenhaften Arrangements etwas mehr Swing gutgetan, mehr fingerschnippende Lässigkeit. Gropper ist jedoch näher bei den Brüdern Grimm als bei Oscar Wilde, das macht den Auftritt bisweilen arg schwer. Vielleicht spürt Gropper das selbst, deshalb bringt er durch Zwischenansagen etwas Heiterkeit ins Spiel. Er habe mehrfach von einer jungen, sehr dünnen und prominenten Frau geträumt, sagt er. Und weil er nicht wusste, wer ihm da erschienen war, habe er die Worte „junge Frau“, „prominent“ und „sehr dünn“ gegoogelt. Ergebnis: Lena Meyer-Landrut.

Das Publikum erhob sich am Ende, eine Dame berichtete Freunden beim Rausgehen davon, wie sehr sie der Abend beseelt habe.

Heftiger Applaus.

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