Konsens-Kitsch von Snow Patrol

Nur einmal sind Snow Patrol richtig schlecht, gleich zu Beginn. Das Schlagzeug zu laut, die Gitarren zu leise, Sänger Gary Lightbody übertönt alles. "I'll never let go" heißt das Stück, ein mieser Einstand. Nach vier Minuten ist es geschafft. Endlich. Danach wird es richtig gut.

"Take back the city" spielen die Briten als Zweites, und plötzlich stimmt alles. Die Band ist eingepegelt, das Stück: eine Pop-Perle. Die ausverkaufte Mitsubishi Electric Halle singt mit. Im Hintergrund flimmern verwackelte Kurzfilmchen: verwaiste Häuserschluchten, fahrerlose Autostaus – postmoderne Einsamkeit im Kontrast zum Band-Kosmos.

Snow Patrol, das ist Konsens-Kitsch-Pop für die Massen – aber so zuckersüß! In den Elektromärkten stehen die CDs der Band im Regal "Alternative", weil "Stadionrock" allein keine Regale füllt. In kleinen Plattenläden kommt die Band gar nicht erst vor. Zu konventionell, lautet der Vorwurf, zu viel Coldplay.

Den Vergleich müssen sich Snow Patrol gefallen lassen. In knapp zwei Stunden kaum ein Stück, das nicht die große Liebe bemüht, selten glückliche. Die Songs sollen Lightbodys Seelenleben zitieren – der Mann kann einem leidtun. Das Format von Coldplay haben Snow Patrol (noch) nicht, die großen Gesten aber hat ihr Sänger längst drauf. Im Ausfallschritt steht er am Mikrofon, den Oberkörper vorgebeugt, den Kopf in Front. Dann greift er mit beiden Händen in die Leere über ihm, zu den Sternen – wäre nicht noch die Hallendecke dazwischen. Die Fans staunen andächtig, auch ob des federweichen Klang-Bombasts. "Shut your eyes" und "Chasing Cars" spielen sie hintereinander, zwei unverschämt gute Songs, der Höhepunkt einer großen Show. Auch im Publikum greifen sie jetzt in die Leere. Snow Patrol müssen wiederkommen. Dann unter freiem Himmel.

(RP)
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