Düsseldorf Kofferdieb-Prozess: Zeugen müssen neu gehört werden

Düsseldorf · "Warum sitze ich hier? Ich habe doch nur einen Koffer gefunden", ließ Hakim B. gestern seinen Dolmetscher im Landgericht fragen. Das hat gestern in zweiter Instanz die Verhandlung gegen den 33-jährigen Algerier eröffnet, der durch das Abstellen jenes Koffers im September Bombenalarm und damit die mehrstündige Sperrung des Düsseldorfer Flughafens verursacht haben soll.

Dass er bei der Polizei und im Amtsgericht, das ihn bereits zu acht Monaten Haft verurteilte, richtig übersetzt worden sei, zweifelt sein Anwalt an. B. ist Analphabet, hat nie eine Schule besucht und spreche "die Sprache der Straße", sagte der Dolmetscher. Möglicherweise habe sein Kollege B. nach dessen Festnahme nicht korrekt verstanden. So seien in B.'s Akte drei Geschwister dokumentiert, obwohl er Einzelkind ist, einige Daten seien nicht plausibel. Nun müssen die Zeugen noch einmal aussagen, die Hakim B.'s Angaben bestätigen oder widerlegen könnten. Der beteuert, dass er 2010 nach mehreren Verurteilungen durch britische Gerichte in Spanien ein neues Leben mit seiner Frau und den drei Kindern begonnen habe. Sein Strafregister dort sei blütenweiß und er nur in Düsseldorf gewesen, um einen Gebrauchtwagenexport nach Algerien aufzuziehen.

Das Landgericht hatte zuvor eine triste Geschichte gehört: Illegal lebte B. mit seiner Mutter in Frankreich, wurde als Kleinkind von deren Freund an reiche Kunden nach England verkauft. Nach sechs Jahren Prostitution habe ihm auch eine Pflegefamilie nicht mehr helfen können, er sei in Drogensucht und Kriminalität gerutscht.

Den Koffer, den Reisende am Taxistand vergaßen, habe er nicht stehlen wollen, nur neugierig hineingesehen. Weil er den Inhalt für Drogen hielt, ließ er ihn im Terminal stehen – das führte zu dem folgenschweren Bombenalarm.

(sg)
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