Nach Festnahme eines Tunesiers in Köln-Chorweiler Plante der 29-Jährige einen Terroranschlag?

Köln · Nach dem Fund von hochgiftigen Substanzen in der Wohnung eines Tunesiers in Köln-Chorweiler ermittelt die Polizei auch in Richtung Terror. Wie reagieren die Nachbarn? Ein Ortsbesuch.

Aus den Containern am Straßenrand quellen die Müllsäcke, vor den Hochhäusern liegen alte, verdreckte Matratzen, Sperrmüll, ein rot-weißes Absperrband flattert im Wind. Köln-Chorweiler, Osloer Straße. Im Hochhaus mit der Nummer 4 wurden am Dienstagabend ein 29 Jahre alter Tunesier und seine Ehefrau festgenommen. Die Polizei hatte mit Spezialkräften zwei Wohnungen durchsucht und „toxische Substanzen“ sichergestellt.

Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft wollte Berichte nicht kommentieren, wonach in der Wohnung hochgiftiges Rizin gefunden wurde. „Wir müssen die Untersuchungen abwarten“, sagt ein Sprecher. Von dem Giftfund berichten „Spiegel Online“ und "Kölner Stadt-Anzeiger" unter Berufung auf Ermittlerkreise. Rizin ist schon in kleinsten Mengen tödlich. Das Gift kann zur Herstellung von Bio- oder Chemiewaffen verwendet werden.

Am Mittwochvormittag laufen die Untersuchungen der Wohnungen weiter, Feuerwehrmänner gehen mit Atemschutzgeräten ins Haus, tragen Möbelstücke raus, die in Folie eingewickelt sind. Die Frau wurde nach der Vernehmung wieder entlassen, sie gilt nach Angaben der Bundesanwaltschaft nicht als Beschuldigte. Gegen ihren Mann wird wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt. Noch wurde kein Haftbefehl erlassen. Zur Frage, woher der 29-Jährige die Substanzen hatte, will die Behörde sich noch nicht äußern.

Köln: Feuerwehr untersucht Haus in Köln auf gefährliche Substanzen
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Feuerwehr untersucht Haus in Köln auf gefährliche Substanzen

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Foto: Claudia Hauser

„Niemand wohnt hier freiwillig“

Ein Bewohner des 18-stöckigen Hauses steht am Mittwochmorgen auf der Straße und beobachtet die Einsatzkräfte. „Es geht hier sehr anonym zu“, sagt der 36-jährige Sozialarbeiter. Gern lebt er nicht hier. „Mal brennt es auf irgendeinem Balkon, mal gibt es eine Prügelei, unter mir wohnt ein Alkoholiker, der jeden Abend herum brüllt – die Polizei ist ständig hier“, sagt er. Seine Nachbarin erzählt, dass es im Treppenhaus nach Fäkalien riecht, der Dreck bleibe liegen. „Niemand fühlt sich hier für irgendwas verantwortlich – kein gutes Gefühl, zu wissen, dass jetzt ein Nachbar womöglich mit gefährlichen Chemikalien herumhantiert hat.“ Sie lebte schon hier, als ein Mann vor fünf Jahren in der Kindertagesstätte Osloer Straße den Leiter als Geisel nahm und eine Millionen-Forderung stellte. Spezialeinheiten warfen damals eine Blendgranate ins Gebäude und überwältigten den Täter. „Wer hier wohnt, tut das nicht freiwillig“, sagt die arbeitslose Frau.

Der Generalbundesanwalt hatte die Ermittlungen wegen der „besonderen Bedeutung des Falls“ von der Kölner Polizei übernommen. Ein terroristischer Hintergrund sei in Erwägung zu ziehen, hieß es.

Das Paar soll vier Kinder haben. Die Kölner Polizei hatte am Dienstag mitgeteilt, die Kinder befänden sich in Obhut der Stadt. Eine Sprecherin der Stadt sagte am Mittwoch aber: „Es trifft nicht zu, dass das Jugendamt involviert ist.“ Die Mutter und die Kinder seien „anderweitig untergebracht worden.

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