Wetterextreme in NRW Städte suchen Straßenbäume der Zukunft

Düsseldorf · Die Sommer werden auch in NRW immer trockener und heißer. Gleichzeitig bleibt der Frost im Winter. Straßenbäume leiden unter den Extremen. Daher suchen Städte und Forscher nach Hölzern, die diesem Wetter besser standhalten.

 Kastanienbäume haben als Straßenbaum ausgedient. Sie sind zu anfällig für Krankheiten.

Kastanienbäume haben als Straßenbaum ausgedient. Sie sind zu anfällig für Krankheiten.

Foto: dpa-tmn/Verena Wolff

Es gibt Bäume, die brauchen nach der Aussaat mindestens 16 Jahre, ehe sie an ihrem Bestimmungsort stehen. Einer Straßenkreuzung. Einer Allee. In einem Stadtpark. Oder in einer Fußgängerzone. „Daher müssen wir heute schon sicher sein, welche Sorten in 15 oder 20 Jahren in den Städten gefragt sein werden, um diese dann liefern zu können“, sagt Ingo Drautzburg von der Baumschule Ley in Meckenheim, die weltweit Städte mit Straßenbäumen beliefert. In Zeiten des Klimawandels sei das eine große Herausforderung – insbesondere in Deutschland und Nordrhein-Westfalen. Der Grund: die besonderen klimatischen Bedingungen. Im Sommer wird es zunehmend trockener und heißer. Gleichzeitig bleiben aber die kalten Winter mit hohen Minustemperaturen. „Diesen Extremen müssen die Bäume standhalten. Wir können also nicht einfach Bäume aus Südspanien oder Palmen pflanzen, weil diese im Winter erfrieren würden.“

Durch Frost- und Hitzeperioden werden die bekannten Stadtbäume wie Kastanien und Ahorn-Sorten anfälliger für Krankheiten und Schädlinge. Denn Dürre allein zwingt die Bäume nicht in die Knie. „Anders als von vielen erwartet, hat es in diesem Sommer kein Baumsterben gegeben. Fast alle haben sich von der Trockenheit gut und schnell erholt“, sagt Drautzburg. „Nur Bäume, die schon krank gewesen sind, sind durch die Hitze eingegangen“, sagt Bernhard Rüb, Sprecher der Landwirtschaftskammer NRW. Besonders die Kastanie scheint als Straßenbaum ausgedient zu haben. „Die ist einfach zu anfällig“, sagt Rüb. In Düsseldorf etwa hat sich im Laufe des Sommers der Zustand vieler Kastanien verschlechtert: „Von den insgesamt 87 Exemplaren entwickelten sich lediglich neun Bäume positiv, während sich bei 33 Bäumen der Zustand verschlechtert hat“, heißt es beim städtischen Gartenamt. Betroffen sind unter anderem die über die Stadtgrenzen hinaus bekannten Rosskastanien auf der Ostseite der Königsallee. Als Ersatz werden Silberlinden (Tilia tomentosa „Szeleste“) gepflanzt. „Es handelt sich hierbei um ausgesprochen gut geeignete Bäume mit Alleecharakter für Straßen und Plätze“, so ein Sprecher. Die „Szeleste“ sei als Zukunftsbaum in Düsseldorf gelistet, werde etwa 20 bis 25 Meter hoch, sei stadtklimafest und vertrage im Vergleich zu anderen Lindenarten längere Bodentrockenzeiten. „Ein weiterer Vorteil ist, dass durch diese Linde kein störender klebriger Honigtau hervorgerufen wird“, sagt der Sprecher.

Sommer 2018 in NRW - zwischen Hitze, Dürre, Bränden und Unwetter
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Sommer 2018 in NRW - zwischen Hitze und Unwettern

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Foto: dpa/Mohssen Assanimoghaddam

Der Landesbetrieb Straßen NRW registriert seit einiger Zeit zunehmende Rissbildungen an Stämmen von Straßenbäumen. Besonders betroffen seien Ahorn und Linde, die zum Teil erhebliche Schäden im Bereich der Stämme aufweisen würden. „Wir führen das auf intensive Sonneneinstrahlung zurück“, so ein Sprecher. Dadurch könnte das Rindengewebe absterben. „Durch große Temperaturunterschiede im Stamm entstehen Spannungen, die, wenn sie zu groß werden, zum Aufreißen der Rinde führen“, erklärt der Sprecher.

Bundesweit suchen Forscher nach alternativen Baumarten, die das Stadtklima der Zukunft besser vertragen sollen. Am weitesten ist man in Bayern. „Bäume im Zeichen des Klimawandels“ heißt eine Forschungsarbeit der Bayerischen Landesanstalt für Weinbau und Gartenbau (LWG). In der Expertise, die unserer Redaktion vorliegt, heißt es, dass in den vergangenen Jahren verstärkt enorme Probleme im Krankheitsbereich bei einzelnen Hauptbaumarten wie Kastanien, Ahorn, Eschen, Platanen, Eichen und Weißdorn aufgetreten seien, die zum einen auf die Erderwärmung und zum anderen auf die Globalisierung im Handel mit Gehölzen zurückzuführen seien. In einigen Fällen würden die Bäume so stark leiden, dass sie den ästhetischen Ansprüchen an einen Straßenbaum nicht mehr genügten (Kastanien), zu einer Gefährdung für Menschen durch Astbrüche werden oder gänzlich absterben. Das sei eine besorgniserregende Entwicklung, vor der man die Augen nicht verschließen dürfe, urteilen die Forscher in dem Bericht.

Bei der Auswahl künftiger Straßenbäume gibt es in der Forschung zwei Strömungen. Während die einen auf regionale Baumsorten setzen, hält die andere Seite nichts davon. Zu den Gegnern gehört auch Ingo Drautzburg. Die pauschale Ablehnung nicht einheimischer Arten sei bei städtischen Pflanzungen nicht zielführend, sagt er. Es würden in Zukunft vermutlich die Bäume hierzulande gut wachsen, die aus Klimaregionen kommen, wo es schon immer im Winter vergleichsweise kalt und im Sommer trocken und heiß gewesen ist. Künftige Straßenbäume in Deutschland könnten daher aus dem südosteuropäischen Mittelmeerraum und dem Kaukasus kommen, wo es die entsprechenden Klimaräume gibt. „Ich persönlich favorisiere einen nordamerikanischen Amberbaum“, sagt Drautzburg.

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